laut.de-Kritik
Zwei Bausas sind einer zu viel.
Review von Lisa RupprechtVon seiner "Was du Liebe nennst"-Hochphase 2017 ist Bausa weit entfernt – das merkt man spätestens dann, wenn auf "Der Faktor Mensch" jemand wie Yung Saint Paul auftaucht und sich mit Haus-Maus-Reimen durchs Taktgerüst wühlt. Zwischen Tiefgang und Totalausfall pendelt das neue Werk des Bietigheimers, das irgendwo zwischen nächtlicher Selbstreflexion, alten Dämonen und versuchter Partystimmung oszilliert, mal gelungen, mal völlig daneben.
Dabei fängt alles überraschend stark an: "Heimweh" mit JBS ist ein klassischer Bausa-Track im besten Sinne: melancholisch, atmosphärisch, irgendwie verloren zwischen Tourbus und Küste. "Langsam nervt das Rauschen vom Meer" heißt es da, und selten wurde das Gefühl, unterwegs zu sein und trotzdem nach Hause zu wollen, schöner verpackt. Dass der melancholische Ausklang des Songs nahtlos in das titelgebende "Der Faktor Mensch" übergeht, ist vielleicht der gelungenste Übergang auf dem gesamten Album.
Der Titeltrack selbst irritiert zunächst mit einem Beat, der verdächtig nach RINs "Monica Bellucci" klingt. Textlich schwankt Bausa zwischen Weltuntergangs-Poesie und Boomer-Talk: ChatGPT wird erwähnt, als würde er das Internet gerade erst entdeckt haben. Dass er dabei gerade mal 36 ist, will man kaum glauben, und er klingt hier eher nach Midlife-Crisis als nach künstlerischer Reife.
"Moneymaker" mit Aymen ist dann so eine Art sexy Dreier-Fantasterei, irgendwo zwischen Madonna-Zitat und Beziehungstherapie ("Ich klär' ihn" - also den Freund der Angebeteten?). Der Beat knallt, der Vibe stimmt, aber auch hier schleicht sich wieder die problematische Darstellung von Frauen ein, die sich wie ein roter Faden durchs Album zieht.
Denn während Bausa auf "Wenn Der Himmel Weint" erstaunlich offen über Depressionen, Einsamkeit und den Glauben rappt, gehören Zeilen wie "Ich bin besoffen und frage mich: Warum leb ich noch?" zu den ehrlichsten und bittersten Momenten seiner bisherigen Diskografie. Und auch Jazeeks zerbrechliche Stimme funktioniert gut, wenn auch nicht ganz ohne Nervfaktor.
Derart ambivalent geht es weiter. "Dreck" ist ein roher Frontalangriff auf den Selbsthass, auf die Sucht und auf die eigene Vergangenheit. Wenn Bausa hier rappt "Ich hab' gesagt: Ich bin kein Alkoholiker. Doch trinke diesen Woddi immer pur", dann ist das keine Pose, das ist maximaler Kontrollverlust. Und wirkt genau deshalb so heftig.
"Maschinenraum" mit Bibiza, dem österreichischen Falco-Adepten, klingt wie eine Bibelstunde auf Speed. Der Beat ist stark, der Inhalt wackelt zwischen religiöser Bildsprache und eskalierender Nacht. Bibiza liefert ab, aber ob Bausa hier noch weiß, wohin er will, ist fraglich.
Apropos: "Genug" hätte man sich schenken können, Drum & Bass trifft Heiserkeit trifft Filler. "Dann War's Das (Nightliner Skit)" wiederum überrascht mit Lagerfeuer-Vibes und klingt wie eine Handyaufnahme aus dem Tourbus. Authentisch, nahbar, schön. Und ein Beispiel dafür, wie gut Bausas Stimme auf Akustik-Gitarren funktioniert – siehe auch auf dem Feature mit dem Indie-Künstler Zartmann "Dafür bin ich frei".
Doch dann reißt der Faden: "Joshua Kimmich Dialog" ist Fremdscham pur. "Deine Bitch ist billig, alle die mich ficken wollen dribbel ich wie Joshua Kimmich". Das ist nicht mal mehr peinlich, das ist einfach schlecht.
"Sexual Healing" ist dann der Totalausfall, klingt wie ein Ballermann-Song mit zu viel Promille und zu wenig Idee. Dass "MDMA" den Schlusspunkt bildet, ist fast schon tragisch: Ein Song über Substanzmissbrauch, der wirkt, als hätte man die Kontrolle längst verloren. Und vielleicht ist genau das die bittere Wahrheit hinter dem Album.
Denn "Der Faktor Mensch" hat kein Konzept, keine klare Linie, keine Vision. Es gibt zwei Bausas auf diesem Album: Den einen, der ehrlich, verletzlich und musikalisch überraschend stark sein kann, und den anderen, der auf belanglosen Beats über billige Punchlines stolpert und seine eigene Legacy verwässert.
Was bleibt? Ein Album, das stark beginnt und immer weiter zerfällt, wie Bausa selbst vielleicht auch.
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