28. August 2002
"Legt die Waffen nieder!"
Interview geführt von Klaus HardtIm September veröffentlicht William 'Bootsy' Collins seine von Mousse T. produzierte Platte, auf der sich die Stars des Hip Hop und R'n'B ein Stelldichein geben. Um diesem Unternehmen größere Chartchancen einzuräumen, befand sich der Funker in Deutschland auf Promo-Tour. Bereitwillig beantwortete er Fragen zum neuen Album, der Zukunft des P-Funk, Werbespots und dem Unterschied zwischen Bootsy und William.
Bootsy, deine neue Platte heißt "Play With Bootsy - A Tribute To The Funk". Warum nennst du sie nicht "Hit Me"?
"Hit Me"? Das ist gut, das ist gut!
Auf jedem Stück der Platte ist ja "One, Two, Three, Hit Me" zu vernehmen. Was war deine Intention? Oder war es nur ein kleines Gimmick?
Ja schon, das ist halt ein Effekt. Wir wollten auf dem Album ein paar Dinge anders machen und dies ist ein Teil davon.
Was sind die anderen Dinge, die ihr anders machen wolltet?
Wir wollten nicht die üblichen alten, klassischen P-Funk-Sachen spielen. Wir nahmen dieses Album bewusst auf, um ins Radio und Fernsehen zu kommen. So etwas habe ich bisher unter meinem Namen noch nie veröffentlicht. Mein Ding war immer das, was auch George Clinton macht. Für Leute wie mich ist es aber sehr schwer, im Radio gespielt zu werden. Doch mit dieser Platte und der Hilfe von Koproduzent Mousse T., der alles überwachte, stelle ich den jungen Leuten meine Ansicht des Funk vor. Das ist das Ziel dieser Scheibe. Ich denke, Mousse T. hat wirklich gute Arbeit geleistet und meine Intention in die richtigen Bahnen gelenkt. Ohne ihn hätte ich einfach noch eine reine P-Funk-Scheibe unter meine Fans geworfen. Um andere Musik zu komponieren, war es auch hilfreich, unterschiedliche Musiker mit ins Boot zu holen. Drüben in den USA arbeite ich sowieso mit den ganzen jungen Hip Hop- und R'n'B-Leuten zusammen, wie zum Beispiel Macy Gray. Bei ihr war es ziemlich einfach, sie zum Mitmachen auf meiner Platte zu motivieren, da ich auch bei ihren Aufnahmen dabei war.
Forcierte auch die Plattenfirma diese Kooperationen?
Ja, das ist meistens so. Vor allen Dingen in unserer Situation. Wir haben niemals Stücke aufgenommen, damit diese auch im Radio oder Fernsehen gespielt werden. Wir waren immer eine Band, die einfach auf die Bühne gegangen ist und spielte, was sie wollte. Wenn es dem Publikum nicht gefallen hat, dann hat es ihnen nicht gefallen. Und wenn es ihnen gefallen hat, dann hat es ihnen eben gefallen. Uns war das egal. Das machte keinen Unterschied. Wir waren niemals eine dieser schablonenhaften Bands, die immer nach dem Schema F ihre Platten produzieren und den Sendern in die Arsch kriechen, nur um gespielt werden. Wir taten so etwas nie. Das war gegen unsere Religion. Aber mit diesem Album ist es anders. Ich habe mir gesagt: Okay, warum nicht! Ein Wechsel könnte vielleicht ganz gut sein. Nur wenige aus meiner Generation probieren das. Ein Santana zum Beispiel hat damit Erfolg. Weißt du was ich meine?
Ja.
Vielleicht funktioniert es bei mir auch. Und wenn es so sein sollte, dann wird das für den P-Funk ganz neue Möglichkeiten eröffnen nach dem Motto: "Also wenn euch meine aktuelle Platte gefällt, dann checkt doch mal den P-Funk ab". Es ist eine Chance, die ich versuche zu nutzen. Wenn es nicht klappt, dann sage ich eben: "Ok, ich mache das, wozu ich Lust habe und wir vergessen die ganze Sache einfach wieder." Das ist so ähnlich wie damals, als die Jungs mich fragten, ob ich nicht Kontrabass spielen wollte. Ich probierte das ein wenig und habe manchmal nur so getan, als würde ich spielen und ich wusste eigentlich nicht genau, was ich tat. Aber als der Fenderbass heraus kam, merkte ich, dass das genau mein Ding ist. Das war cool. Das war ich. Und ich lernte richtig zu spielen. Doch wenn ich nicht die verschiedenen Instrumente ausprobiert hätte, wüsste ich vielleicht auch nicht, was das Richtige für mich ist. Genau so ist es mit der Musik. Wenn ich damals den Fenderbass nicht ausprobiert hätte, hätte ich auch nie wissen können, dass das mein Ding ist. Was ich sagen will, ist, dass ich im Moment die Notwendigkeit spüre etwas Neues auszuprobieren. Es ist wie 1999, als ich mit Deee-Lite zusammen arbeitete. Die P-Funk-Fans sagten: Oh nein, das kannst du nicht machen! Wie kannst du nur House spielen!? Das ist gegen die Religion! Aber ich mochte diese Gruppe und deren Musik, also war ich mit dabei.
Ich finde, auf der neuen Platte sind vier verschiedene Stile vorhanden: Etwas P-Funk, bei dem Stück, das du mit George Clinton kreiert hast, Reggae, Hip Hop und ein paar Disco-Songs, die für meinen Geschmack ein wenig zu kitschig sind. Aber du hast eben gesagt, das Ziel wäre mit diesen Songs ins Radio zu kommen.
Ja, das ist richtig. Man wird sehen, was dabei heraus kommt. Aber egal, ob es funktioniert oder nicht. Die Sender können mich nicht davon abhalten, das zu tun, wozu ich Lust habe. Meine Hoffnung ist, mit diesen Stücken bei der nächsten Generation anzukommen.
Ich glaube, die Hip Hop-Songs des Album werden den Kids gefallen. Was mich bei den Stücken am meisten beeindruckt, ist der fantastische Groove. Kannst du beschreiben, wie ihr dieses Feeling hinbekamt?
Mousse T. leistete hervorragende Arbeit. Er überwachte alles und entschied, was auf das Album kommt und was nicht. Wir trugen eine Menge Material zusammen, doch sehr viel verwendeten wir davon nicht. Mousse T. hatte ein genaue Vorstellung davon, wie die Platte klingen soll. Wir Musiker versuchten, ihm gute Sachen zuliefern, und er stellte daraus die Songs zusammen. Wir hatten ungefähr vierzig oder fünfzig Tracks. Macy und ich produzierten vier Lieder, von denen es aber nicht alle aufs Album schafften. Als wir im Studio waren, bestand so die Möglichkeit, die besten Sachen heraus zu filtern. Das gleiche war mit Snoop Dogg der Fall. Drei oder vier Stücke spielten wir ein, davon nahmen wir zwei. Mit Fat Joe machte ich eins, was auch auf der Platte ist. Fatboy Slim half ich bei drei Stücken auf seiner Platte, und jetzt war er bei mir auf zwei oder drei Liedern mit dabei und eins davon nahmen wir schließlich. Ich wusste auch vorher nicht, aus welchen Stücken die CD bestehen wird.
Wie sind genau die Stücke entstanden? Habt ihr viel im Studio gejamt oder komponiertest du die Lieder vorher zuhause?
Die meisten Sachen, die von mir sind, entstanden beim Jammen im Studio. Mousse T. nahm dann verschiedene Teile davon raus und bearbeitet sie mit dem Computer.
Verwendete er verschiedene Takte, aus denen er dann Loops bastelte?
Ja genau, das ist die Art, wie heute Musik gemacht wird. Das ist auch ein Grund, warum dieses Album etwas Neues für mich ist, da ich so noch nicht arbeitete.
Habt ihr Drum-Computer eingesetzt?
Weniger. Es ist eher so, dass wir Rhythmen aufnahmen und diese dann im Computer bearbeiteten. Daher grooven die Songs auch so und es ist mehr ein Live-Feeling vorhanden. Mit einem Drum-Computer würde es zu steril klingen.
Nahmt ihr auch Samples von anderen Stücken?
Nein, die Teile stammen aus unseren Jamsession.
Die Raps sind oft nicht genau im Tempo und nicht mit den Instrumenten zusammen. Ein Extrembeispiel ist das "One, Two, Three, Hit Me".
Ja ja, das stammt aus einem ganz anderem Stück in einem anderen Tempo. Mousse T. schnitt das dann in die Songs rein. Das ist wieder ein gutes Beispiel, wo ich ihm vertrauen musste, dass er das Richtige macht.
Kannst du etwas über die Aussage von "Lovegangsta" sagen?
Also, was wir versuchen zu sagen, ist: Legt die Waffen nieder! Hört auf euch gegenseitig umzubringen! Die Zeit ist vorbei, kommt lieber zusammen und habt Spaß mit der Musik. Ich möchte die Kids darauf aufmerksam machen, dass diese Zeit um ist, und sie doch vielleicht etwas anderes tun können.
War der Tot von Roger Troutman auch ein Grund, dieses Lied zu schreiben?
Natürlich, auch der Tot von Tupac spielt da mit rein. So viele beschissene Dinge passieren ständig. Es bringt nichts den Jugendlichen zu sagen: Das sollt ihr nicht machen. Aber man kann ihnen Vorschläge machen und ihnen etwas anderes vorleben. Man kann auch Spaß haben und muss sich nicht gegenseitig umbringen. Das ist auch die Botschaft des Funk. Da ist es egal, wie du aussiehst und was für Klamotten du trägst. Es geht darum etwas Spaß zu haben.
Du hast so viele Gäste auf dem Album dabei, werden wir einige davon auch live auf Tour mit dir erleben?
Das versuchen wir jetzt zu organisieren. Das Album zu machen, war ein hartes Stück Arbeit und stand zunächst im Vordergrund. Der nächste Schritt ist, eine Tour auf die Beine zu stellen. Das ist ein Prozess, der gerade am Laufen ist. Wenn ich eine P-Funk-Platte gemacht hätte, wäre es einfach gewesen, nun mit meiner Band, bei der Bernie Worell und Fred Wesley dabei sind, auf Tournee zu gehen, weil wir so extrem eingespielt sind. Aber jetzt besteht eine ganz neuen Situation und wir müssen nun abklären, welcher der Künstler Zeit und Interesse an so einer Tournee hat.
Gibt es denn schon irgendwelche Pläne, wann es losgehen wird?
Nein, zunächst müssen wir wissen, wer überhaupt mit dabei ist, dann können wir die Termine festlegen.
Du wirst aber nach Europa kommen?
Klar, auf jeden Fall! Wir werden wahrscheinlich bei euch starten und dann in die USA gehen.
Ist aber nicht der amerikanische Markt für dich wichtiger?
Nein, nicht unbedingt. Mein Plattenfirma hat ihren Sitz in Hamburg, daher werden alle Aufnahmen zunächst hier veröffentlicht und dann erst in den USA.
Du hast das Image, auf der Bühne immer etwas verrückt zu sein und irgendwelche Späße zu machen. Gibt es einen Unterschied zwischen Bootsy Collins auf der Bühne und privat?
Ja, den gibt es, aber ich musste erst lernen, diese beiden Seiten zu trennen. Bootsy auf der Bühne ist immer wild und verrückt, und ich musste lernen, nicht immer dieser Typ zu sein. Früher wusste ich gar nicht, wie das geht. Ich musste erst wieder lernen, mich daheim in Hausschuhen und T-Shirt hinzusetzen und einfach nur William zu sein. Das war quasi eine Rückentwicklung.
Ich kann mir vorstellen, dass es anstrengend ist, immer diese Rolle zu spielen.
Das ist wie wenn ein Schauspieler auf einen bestimmten Charakter festgelegt ist. Bei Komödianten kann es auch so sein. Sie werden von den Leuten immer in diese Rolle gesteckt, und wenn so jemand dir dann mal etwas Ernsthaftes sagt, fängst du an zu lachen. Es ist schwer, aus einer solchen Rolle auszubrechen. Ich versuche das. Ich versuche, auch aus der Rolle auszubrechen, dass ich nur ein Bassist bin oder dass ich nur P-Funk spiele. Es ist nicht so, dass ich diese Dinge nicht mag. Aber auch andere Seiten von mir sollen wahrgenommen werden und nicht nur mein Bassspiel. Wenn Leute zu anderen Konzerten gehen, machen sie das um einen guten Song zu hören und achten nicht nur darauf wie schlecht der Schlagzeuger oder der Gitarrist ist. Ich versuche auch, gute Songs zu schreiben. Es würde mich freuen, wenn ich das Eis brechen könnte und nicht nur auf mein Bassspiel reduziert würde. Egal, was ich mache, die Leute sagen immer: "Bootsy hat das gemacht? Hey, das ist verrückt." Ich möchte verschiedene Musikrichtungen spielen, wie Heavy Metal oder Country, was ich auch schon tat bei Buckethead, Guns n' Roses oder Praxis. Doch wenn man einmal auf so ein Stereotyp festgelegt ist, ist es schwierig das Image wieder loszuwerden. Die Leute nehmen nur das wahr, was sie wahrnehmen möchten. Mit Deee-Lite war es auch so. Die Funk-Fans konnten das zunächst nicht akzeptieren, doch als sie dann die Musik hörten, merkten sie, dass es okay war. Danach machte ich aber wieder P-Funk und alle waren zufrieden. Genauso ist es mit der neuen Platte. Es ist Zeit, den nächsten Schritt zu tun. Man muss auch mit den Plattenfirmen kooperieren. Es ist nicht so, dass die sagen: Wir stehen hinter dir, egal was passiert. Mach du deinen Funk. Nein, so läuft das nicht. Doch im Moment sind in Amerika wieder einige Leute durch die Nike-Werbung zurück zum P-Funk gekommen. Nike ist dafür verantwortlich. George und ich machten die Musik für eine ihrer Kampagnen.
Laufen die Werbespots schon?
Ja.
Aber nicht hier in Deutschland, oder?
Nein, nur in Amerika. Während der NBA-Playoffs liefen die Sachen und das Publikum fuhr darauf ab. Die Kids gingen richtig mit und auf einmal war P-Funk überall zu hören. Das ist aber nur passiert, weil man es ihnen aufdrängte. Mit der neuen Platte hoffe ich auch in diese Situation zu kommen und den Leuten den P-Funk näher zu bringen. Sollte das funktionieren, sind alle aus der Crew, George usw., mit dabei. Ich möchte ein Stufe höher kommen, wo die Leute sagen: Hey, das ist was anderes. Ich sitze dann nur da auf meinem hohen Ross, spiele keinen Bass, sage ein paar Worte, schaue in die Runde und verteile ein paar Küsschen. Das möchte ich erreichen. Wenn wir in dieser Situation sind, dann können wir die Bombe zünden (ein Synonym für P-Funk). Doch so lange wir nicht diese Stellung inne haben, müssen wir weiter machen wie George, der ständig durch die ganze Welt tourt. Ich lehne das ab, weil ich auch nicht das Gefühl habe, so etwas machen zu müssen. Es ist schwierig, Leute zu finden, die an den P-Funk glauben und einen unterstützen, so dass man dem Publikum die Sache direkt ins Gesicht drücken kann. Ganz nach dem Motto: Checkt das aus! Die Leute von Nike taten dies. Der Werbespot war zwar nur sechzig Sekunden lang, aber es reichte aus, so dass die Leute sagten: Wow, was ist das für eine Band?!.
Was sagte Nike zu euch? Macht einen P-Funk-Song?
Genau das sagten sie. Gebt uns eine paar P-Funk-Grooves. Das Einzige, was ich machen musste, war George, Bernie Worrell und Fred Wesley anzurufen. Also die Jungs, mit denen ich auch sonst Platten mache, und ab ging die Post.
Bei dem Werbespot verwendet ihr eine Melodie aus George Clintons Stück "Way Up" von der Platte "Smell My Finger"?
Das ist richtig, die sind sich ziemlich ähnlich. Die Werbemelodie wurde aber vor "Smell My Finger" geschrieben, doch nie veröffentlicht. So meint man jetzt, das Teil aus der Werbung sei dem anderen Stück nachempfunden.
Vielen Dank für das Interview. Ich kann mir vorstellen, dass es anstrengend ist, die ganzen Promotermine zu erledigen.
Ja ja, die Managerin hält die Sache sehr gut am Laufen.
Noch keine Kommentare