Porträt

laut.de-Biographie

Boysetsfire

Zwischen Pop-Punk und Alkoholbeschränkung hat sich Hardcore weit von einem seiner ursprünglich wichtigsten Standbeine entfernt: der politischen Aussage. Das 1994 im US-Bundesstaat Delaware gegründete Quintett steht glücklicherweise für eine der wenigen Ausnahmen. Boysetsfire ist die Message mindestens genauso wichtig wie die Musik. Beides lässt sich kaum überhören.

Boysetsfire: Nathan Gray steigt aus
Boysetsfire Nathan Gray steigt aus
Die Tour zum 30-jährigen Bandjubiläum wird offenbar zur Abschiedstour: Gray zieht es zu neuen musikalischen Ufern.
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Der Legende nach trinken sich Chad Istvan und Josh Latshaw gerade einen an, als sie beschließen, eine Band zu gründen. Sie holten Nathan Gray, Matt Krupanski und Darrell Hyde an Bord. Chad und Josh übernahmen die Gitarren, Nathan den Gesang, Matt die Felle und Darrell den Bass.

"Die Dinge aufrütteln": einer der Hauptgründe für die erste Probe von Boysetsfire im elterlichen Keller von Gitarrist Chad Istvan. Das gelingt: Sie knüppeln, was das Zeug hält. Alles ist echter Hardcore: die Nietengürtel, die Vans, die Straight Edge-Xe, die Tätowierungen und nicht zuletzt der Krach.

In ihren Anfangstagen hauen Boysetsfire kräftig auf die Saiten und moshen durch den viel zu kleinen Proberaum. Genau so schnell, wie sie durch ihre kurzen Songs rennen, geht auch das Leben der Band voran.

Bereits einen Monat nach der ersten Probe steht ein erster Gig für Freunde ins Haus, über den man einige Auftritte in den örtlichen Clubs von Newark an Land zieht. Schon im Winter ist das erste selbstbetitelte Demo aufgenommen. Boysetsfire meinen es ernst. Halbe Sachen gibt es hier nicht, auch wenn es erst einmal Absagen von den Plattenfirmen hagelt.

Zu Beginn müssen sie sich Geld für Essen von ihren Fans zusammenschnorren. Schon früh gewöhnen sie sich dabei an, mit ihren Anhängern über Politik zu reden, denn darum geht es der Band von Anfang an: eine Message nach da draußen zu tragen.

Ein zweites Demo namens "Premonition, Change, Revolt" folgt, außerdem eine erste zweiwöchige Tour (selbst gebucht). Der Bandname dreht in der Hardcore-Szene der amerikanischen Ostküste munter seine Runden.

Es dauert nicht lange, bis 1996 die erste EP "This Crying This Screaming, My Voice is Being Born" erscheint. Boysetsfire feuern ihre oft mit kommunistischen Ideen gefärbte Meinung in die Welt hinaus.

Nach weiteren Touren durch jeden Punkrock-Schuppen in den Staaten unterschreibt die Band 1997 bei Inital Records und nimmt für 1.200 Dollar in einer knappen Woche das erste komplette Album "The Day The Sun Went Out" auf.

Underground-Zines feiern es begeistert ab. Besonders die enorme Spannbreite der Stimme von Sänger Nathan Gray lasse Boysetsfire aus der Flut an Veröffentlichungen herausstechen. Eine Tour im Vorprogramm von Avail bringt die Band wieder ein Stück weiter.

Nathan Gray - Feral Hymns
Nathan Gray Feral Hymns
Auch im Akustik-Punk gilt: It’s a long way to the top!
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Mit der "In Chrysalis"-EP im Koffer fliegen Boysetsfire das erste Mal nach Europa und gewinnen auch dort mit ihrer zweigleisigen Mischung aus Politik und melodiösen Brachial-Sound die Hardcore-Szene für sich.

Im Oktober 1999 trennen sich Boysetsfire von ihrem Bassisten Darrell, das Ganze bezeichnet Josh später als "ein einziges großes Missverständnis". Darrell ersetzt Rob Avery, mit dem es für das zweite Werk "After The Eulogy" ins Studio geht. Er zeichnet von nun an für das komplette Artwork der Band verantwortlich. Unter Vertrag stehen Boysetsfire inzwischen beim Hardcore-Label Victory Records.

"After The Eulogy" erscheint 2000 und entwickelt sich musikalisch deutlich in eine gemäßigtere Emo-Richtung, ohne aber auf Schrei-Orgien zu verzichten (und schon gar nicht auf die unzimperlichen Texte). Nathans Stimme klingt nach wie vor unglaublich flexibel mit ihrem fliegenden Wechsel zwischen Schreien, Wispern, Melodie und purem Rock'n'Roll. Mit "Rookie" landen Boysetsfire sogar einen kleinen Hardcore-Hit.

Vom Erfolg des Albums gepusht, geht die Band mit Snapcase auf Tour und spielt sowohl die Warped- als auch die Deconstruction-Tour. Nach Streitereien mit Victory verlassen Boysetsfire das Label, veröffentlichen 2001 die EP "Suckerpunch Training" und unterschreiben einen neuen Vertrag bei Wind-Up.

"Wir wollen unsere Musik und unsere Message einfach an so viele Leute wie möglich bringen", sagt Bass-Man Avery. Das dürfte in direkter Nachbarschaft zu illustren Labelmates wie Creed oder Drowning Pool gut gelingen.

Nach der EP "Live For Today" erscheint im März 2003 ihr drittes und wieder etwas härteres Album "Tomorrow Come Today". Der Scream-Anteil ist reduziert, die cleveren Arrangements sind aber geblieben. Bezeichnenderweise gerät das erste Album auf einem großen Label und mit einem echten Produzenten auch als das bisher politischste.

Nach den Aufnahmen für die Platte steigt Basser Rob Avery aus. Seinen Platz nimmt der langjährige Roadie Robert Ehrenbrand aus München ein. In den USA nehmen Boysetsfire an der Lollapalooza-Tour teil, und ein erstes Mal geht es nach Down Under.

Da ihr Album kommerziell nicht so läuft, wie Wind-Up es sich vorstellt, fordert das Label die Band auf, die nächste Platte in Angriff zu nehmen. Boysetsfire setzen sich hin und schreiben sofort neue Songs. "Wir waren pleite, Bush war Präsident, unsere Privatleben waren ein Scherbenhaufen. Scheiße für uns, gut für die Musik", konstatiert Josh nüchtern.

Die neuen Songs kamen bei Wind-Up nicht so gut an, musikalisch wie textlich. Offene Kritik am Präsidenten der USA ist nicht überall in den Staaten gern gehört, müssen Boysetsfire feststellen. Am Ende bittet die Band selbst darum, aus dem Vertrag entlassen zu werden. Dem stimmt die Plattenfirma zu.

Mit Equal Vision finden die fünf schnell ein neues Label. In Europa kommts richtig dick für die Jungs: Die schwedischen Punkrockgiganten Burning Heart nehmen Boysetsfire hier unter Vertrag. Im Februar 2006 erscheint hierzulande "The Misery Index: Notes From The Plague Years", das vierte Album der Unbequemen aus Delaware. Selten hat sich die Band so vielseitig gezeigt, aber die Wut haben sie sich bewahrt.

Man sollte denken, jetzt sei alles im Lot, doch auf ihrer MySpace-Seite lassen die Jungs 2006 verlauten, sie werden nach zwölf gemeinsamen Jahren in Zukunft getrennte Wege gehen. Die geschockte Fangemeinde bleibt mit offenem Mund zurück.

Auf der Abschiedstournee durch Europa fehlt Josh Latshaw: Der Gitarrist hatte sich bei einem Unfall mehrere schwere Verletzungen zugezogen. Deshalb kehren Boysetsfire 2007 noch einmal auf den alten Kontinent zurück, um Josh einen gebührenden Abschied zu ermöglichen. Das letzte Konzert der Band steigt am 9. Juni 2007 in Philadelphia und wird in Form der Live-DVD "Farewell Show" festgehalten.

Wiederum ungläubig staunt der ein oder andere, als Boysetsfire im Oktober 2010 ihre Wiedervereinigung bekannt geben. Das Intermezzo von Sänger Nathan und Gitarrist Josh bei ihrer Lückenfüller-Band The Casting Out hat sich also schon überholt.

Doch reibungslos verläuft die Reunion nicht: Nach einer Handvoll Konzerten in Europa und Übersee verlässt Bassist Robert die Band. Ihn ersetzt Marc Krupanski, der Bruder von Drummer Matt. Nach gut einem Jahr werfen die beiden jedoch das Handtuch. Den Bass schnallt sich darauf wieder der Rückkehrer Robert Ehrenbrand um, an den Drums nimmt Dan Pelic Platz.

In dieser Formation begeben sich Boysetsfire ins Studio, um ihr Comeback-Album "While A Nation Sleeps" einzuspielen, das im Sommer 2013 erscheint.

Im August 2015 veranstaltet die Band das Family First Festival, worin sie mit anderen Musikern wie Chuck Ragan, Adam Angst oder Funeral For A Friend kollaborieren, bevor im September desselben Jahres ihr achtes Studioalbum "Boysetsfire" erscheint. Mit der neuen Platte bieten die Jungs aus Delaware immer noch den Drive von "früher" und räumen alle Zweifel eines lediglich temporären Comebacks aus.

Anfang 2018 veröffentlicht Sänger Nathan Gray sein erstes Soloalbum "Feral Hymns", das ein weiteres kreatives Ventil des Rocksängers bildet und in keinem Widerspruch zu seinen Aktivitäten als Frontman von Boysetsfire steht. Nach dem 25-jährigen Bandjubiläum folgt ein weiteres, "Working Title" (2020).

Grays jahrelanger Kampf mit Depressionen und Drogenmissbrauch scheint im August 2022 ein vorläufiges Ende zu finden: Der Musiker bekennt sich auf Instagram öffentlich, nicht-binär und pansexuell zu sein. In der Folge erklärt Nathan im Juli 2024 im Zuge der Jubiläumskonzerte zum 30. Geburtstag von Boysetsfire seinen Ausstieg, um sich auf sein neues Projekt The Iron Roses konzentrieren zu können.

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Nathan Gray - Feral Hymns: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 2 Punkte

2018 Feral Hymns

Kritik von Tom Küppers

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Palladium, Köln, 2017 Ausverkauftes Haus beim Family First Festival.

Ausverkauftes Haus beim Family First Festival., Palladium, Köln, 2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Ausverkauftes Haus beim Family First Festival., Palladium, Köln, 2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Ausverkauftes Haus beim Family First Festival., Palladium, Köln, 2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Ausverkauftes Haus beim Family First Festival., Palladium, Köln, 2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof)

Lindau, Club Vaudeville 2015 Die Punkrock-Amis am Bodensee.

Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen) Die Punkrock-Amis am Bodensee., Lindau, Club Vaudeville 2015 | © laut.de (Fotograf: Bjørn Jansen)

Boysetsfire @ Rock am See 2006 Auf Abschiedstour.

Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Björn Jansen) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Florian Schade) Auf Abschiedstour., Boysetsfire @ Rock am See 2006 | © LAUT AG (Fotograf: Florian Schade)

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