Porträt

laut.de-Biographie

Caspar Brötzmann

Der am 13. Dezember 1962 in Wuppertal geborene E-Gitarrist und Sänger Caspar Brötzmann arbeitet im Laufe seiner Karriere mit so unterschiedlichen Musikern wie FM Einheit, bekannt durch die Einstürzenden Neubauten, Thomas D oder seinem Vater, dem Free Jazz-Saxofonisten Peter Brötzmann zusammen. Mit seiner Band Caspar Brötzmann Massaker fasst er darüberhinaus international Fuß.

Caspar Brötzmann Massaker - Koksofen Aktuelles Album
Caspar Brötzmann Massaker Koksofen
Deutschlands Indie-Held remastert sein vergriffenes Meisterwerk.

Schon früh beginnt er, inspiriert von dem Komponisten Hanns Eisler, dem Sänger Ernst Busch, der "Hausmusik" seiner Mutter und den brüllenden Klängen seines Vaters, der als "teutonischer Dampfhammer" die Geschichtsbücher des Jazz' füllt, sich ans Klavier zu setzen. Mit 16 entdeckt er im elterlichen Kleiderschrank eine Gitarre, die ursprünglich von Carla Bley stammt, die 1966 eine Tournee mit Peter entnervt aufgeben muss. Er bezieht die Saiten neu, lässt sich von Hans Reichel, einem Familienfreund und Avantgarde-Gitarristen, die technischen Grundlagen des Instrumentes erklären und fängt mit dem Üben an.

Wenig später leistet er sich seine erste E-Gitarre, zum Leidwesen seiner Familie, die sich vom Krach, der unter dem Wohnzimmer im Keller herrscht, zunehmend belästigt fühlt. Wie Jimi Hendrix möchte er zunächst klingen, findet aber nach und nach eine eigene Signatur.

Zu Beginn der Achtzigerjahre schließt er sich der lokalen Oi!- und Punk-Formation Die Alliierten an, die 1982 auf dem Rock-O-Rama-Label, das Mitte des Jahrzehnts nach und nach tiefer in den braunen Sumpf abrutscht, ihr erstes und einziges Album "Ruhm Und Ehre" veröffentlicht. Die laut Aussagen der Band "allzu liberalen und Punk-freundlichen Texte", für die er sich, geprägt durch die linke Einstellung in seinem Elternhaus, verantwortlich zeichnet, führen zu seiner "Suspendierung". Zumindest stellt der Song "Blinder Hass" ein klares Bekenntnis gegen Rassismus und Antisemitismus dar.

Im Anschluss beendet Caspar seine Tischlerlehre und zieht mit seiner Freundin nach Berlin. 1984 gewinnt er mit seiner nächsten Formation Bonkers einen Rock-Wettbewerb an der Spree. Seine bekannteste Band, Caspar Brötzmann Massaker, hebt er gegen Mitte der Achtziger gemeinsam mit Sänger und Bassgitarrist Eduardo Delgado-Lopez und Drummer Jon Beuth aus der Taufe.

In Jost Gebers' legendärem FMP-Studio in der Hauptstadt kommt es im August 1987 zu den Aufnahmen von "The Tribe", das ein Jahr später erscheint und national teils überschwängliche Kritiken erhält. So schreibt die SPEX, es sei "ein völlig beispielloser Lärm". Auf der Platte lässt Brötzmann seine Gitarre leidenschaftlich aufjaulen und entlockt ihr, angelehnt an Jimi Hendrix oder Sonic Youth, mit seiner linken Hand Noise- und Feedback-Geräusche, die in ihrer Kompromisslosigkeit ihresgleichen suchen.

Ebenso unterhält er Kontakte zur Industrial-Szene in der Hauptstadt, etwa zu den Einstürzenden Neubauten, was sich vor allem in den bedrohlichen Klangkulissen des Nachfolgers "Black Axis" von 1989 niederschlägt, die zum größten Teil auf Frank Neumeiers Konto gehen, der Jon Beuth an den Drums ablöst. Dennoch fokussiert sich Brötzmann mehr auf zugängliche Songstrukturen als auf dem noch etwas zerfahrenen Vorgänger. So gestaltet sich die Scheibe um Einiges kompakter und linearer, ohne dass er das Rauschhafte vernachlässigt, das in dunkle, emotionale Abgründe geleitet.

Im Anschluss spielt er mit seinem Vater in New York mit "Last Home" ein gemeinsames Album ein, das ein Jahr später in den Läden steht. Es folgt 1993 mit "The März Combo - Live in Wuppertal" ein Mitschnitt eines Konzertes mit dem Peter Brötzmann Tentet, dem er vorübergehend angehört. Dazwischen hat der Gitarrist noch ausreichend Zeit, mit seinem Caspar Brötzmann Massaker eine neue Platte aufzunehmen: "Der Abend Der Schwarzen Folklore" (1992). Dafür nimmt Danny Arnold Lommen der ebenso auf den folgenden Werken "Koksofen" (1993) und "Home" (1995) mitwirkt, den Posten Neumeiers ein.

Immer mehr entwickelt sich die Musik in eine folkloristischere, rhythmischere Richtung. Dazu gibt sich Caspar mit seinem beschwörenden Timbre der Ekstase hin, was an vielen Stellen an die Energie Nick Caves denken lässt. Nebenher bringt er eine weiteren Kollaborationsscheibe heraus: "Merry Christmas" (1994) mit FM Einheit. Nach und nach erntet der Ex-Wuppertaler auch international viel Anerkennung.

Für "Zulutime" (1996) gewinnt er Helmet-Gitarrist Page Hamilton, ein bekennender Fan des Deutschen. Das Caspar Brötzmann Massaker liegt zu diesem Zeitpunkt auf Eis. Das nächste Album "Mute Massaker", auf dem sich der Wahl-Berliner vor Jimi Hendrix verneigt und sogar dessen "Woodstock Hymne" neu interpretiert, kommt 1999 unter seinem eigenen Namen heraus.

Nach dem Millenium betätigt er sich überwiegend im künstlerischen Bereich. 2005 unterstützt er eine Lesung der Schriftstellerin Sibylle Berg mit frei improvisierten Einschüben. Am 24. März 2007 steuert er bei der Premiere der Tanzperformance "Execution Ground" im Rhenania in Köln Live-Musik bei.

2010 findet sich das Caspar Brötzmann Massaker für einen Auftritt im Berghain noch einmal in Originalbestzung zusammen. Dies hält Uli M. Schueppel in seinem Dokumentarfilm "Brötzmann - Da Gehört Die Welt Mal Mir" für die Nachwelt fest. Zusätzlich erzählt der Gitarrist und Sänger zwischen den Konzertausschnitten von seiner Kindheit in Wuppertal oder seiner engen Beziehung zu seinem Instrument.

In der Folge wendet er sich wieder vermehrt der Musik zu. So wirkt er auf Thomas Ds (Die Fantastischen Vier) und Son Gokus "Lektionen in Demut 11.0" (2011) als Gitarrist mit und begleitet die beiden auf Tour. Außerdem gründet er mit Michael Wertmüller und Marino Pliakas, die man schon von Aufnahmen seines Vaters kennt, die Band Nohome, die FM Einheit ergänzt und die 2013 einen Mitschnitt ihres Konzertes im Berliner Radialsystem veröffentlicht.

2017 tut er sich mit Massimo Pupillo von Zu und Alexandre Babel von Sudden Infant für die Scheibe "Live At Candy Bomber Studios, Vol. 1" zusammen, die von seinen unvorhergesehenen Lärmeskapaden lebt. Eine auf 300 Stück limitierte Vinyl-Single mit T.Raumschmiere gibt es exklusiv am Record Store Day zu kaufen.

Weiterhin bestreitet er gemeinsam mit Thurston Moore von Sonic Youth mehrere Live-Auftritte in London oder Berlin. Der bezeichnet Caspar als "wahrscheinlich besten Gitarristen", den er "je getroffen" habe. Egal, ob der Sohn eines wegweisenden Jazz-Musikers in avantgardistischen oder poppigen Gefilden unterwegs ist: Seinen markanten, unvergleichlichen Stempel hört man immer heraus.

Alben

Caspar Brötzmann Massaker - Koksofen: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 5 Punkte

2019 Koksofen

Kritik von Ulf Kubanke

Deutschlands Indie-Held remastert sein vergriffenes Meisterwerk. (0 Kommentare)

Surftipps

  • Netz

    Minimalistische Webpräsenz.

    http://www.casparbroetzmannmassaker.com/
  • Bandcamp

    Musik und Streaming.

    https://casparbrotzmannmassakersl.bandcamp.com

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