laut.de-Kritik
Wer eine eigene Handschrift hat, bleibt unverwechselbar.
Review von Philipp KauseAdam Duritz ist einer der beständigsten Singer/Songwriter auf dem Gebiet von Americana und Alternative. Mit seinen Counting Crows schuf er in den Neunzigern einen unverkennbaren Sound, der sich vor allem durch fünf Markenzeichen hervorhob, die auch auf den halb-neuen "Butter Miracle, The Complete Sweets!" präsent sind. Frontmann und Autor Adam switcht mitten in den Strophen gerne in eine sich aufbäumende Pose. Da wird er laut, kehlig, raspy, und wer ihn mal live gesehen hat: Solche Stellen setzt er auf der Bühne mit Ganzkörpereinsatz um und lässt seinen nicht ganz zierlichen Körper zappeln und hüpfen. Zum zweiten vermitteln seine Lieder ein angenehmes, wohliges Coming Home-Gefühl, sie platzen fast vor Wärmestau. Sie sind vollgepumpt mit Seele und mit Empathie für die Antihelden der kleinen Chroniken.
Hinzu kommt, dass die Crows von Anfang an eine perfekte Balance zwischen Reichhaltigkeit (Orgel, Mellotron, zwölfsaitige Gitarre) und Reduziertheit ausbaldowert hatten. Ihrem Stil blieben sie seither wider alle Produktions-Moden treu. Nachdem sie etwas Zeitloses, Eigenes erfunden haben, erkennt man sie deswegen auch so gut wieder. Duritz und seine Mannschaft musizieren unique. Zudem bewegen sie sich in der Äquidistanz zwischen traditionsgeprägtem Folkrock und crunchy Alternative-Rock. Ein schräges Trompeten-Solo wie jetzt in "Angel Of 14th Street" würde sonst außerdem in beiden Genres nicht stattfinden, das wilde Outro-Solo im Alternative schon, die erste Strophe im Storyteller-Folk sicher auch. Einer Subkultur verpflichtet sich die Band nicht.
Der fünfte Punkt von Duritz und seinen Mitstreitern bezieht sich auf die Stadion- wie auch Radiotauglichkeit. "Bobby And The Rat-Kings" ist Bob Seger- oder Bruce Springsteen-Sound für die Arena. Gleichzeitig deuten sich auch hier die retardierenden Momente und Brüche von schnell zu langsam, die Dynamik zwischen polterndem Intro und stillem Mittelteil an: Die Counting Crows sind die Meister der lebhaften Balladen. In Playlists für wehmütige Gitarren-Geschichten haben sie es schon mit einer ganzen Reihe an Klassikern hinein geschafft. Wer dann im 35. Jahr noch immer neue Classics hervorbringt, macht irgendwas genial richtig.
Fünf der sieben Mitglieder aus den Anfangstagen musizieren hier bis heute, die Rhythm-Section wechselte vor sehr langer Zeit einmal. In die Musikszene hinein führen mehrere Tracks wie ein konzeptuelles Bündel. "Spaceman In Tulsa" horcht ins Fan-Feeling bei Rock-Tourneen hinein. "Under The Aurora" skizziert die Hörerbindung eines Londoner Radioprogramms. "Bobby And The Rat-Kings", ursprünglich vor vier Jahren auf einer digitalen EP veröffentlicht, stellt den Auftritt einer fiktiven Gruppe namens Bobby And The Rat-Kings als Kulisse für romantische Erlebnisse und wieder-erweckte Erinnerungen dar und nennt jene Rat Kings unter Verweis auf The Who als Soundtrack einer dsch-dsch-Dscheneration.
"Butter Miracle, Suite One" hieß das Lebenszeichen, das einer Tournee (Frühjahr 2022) voranging und bereits die Stücke "The Tall Grass", "Elevator Boots" und "Angel Of 14th Street" enthielt, somit also die jetzige physische B-Seite abdeckte. Nach dem Motto 'Gib Butter bei die Fische' wurden jetzt aus der "Suite" mittels Wortspiel die "Sweets". Mehr nass als süß zeigen sich die regenverhangenen Nummern "Virginia Through The Rain" und "With Love From A To Z".
Für diesen Opener empfehlen wir empfindsamen Leuten Taschentücher, so herzerweichend bebt Duritz' Stimme, wimmert die Orgel, besonders wirkungsvoll diesem Melodieverlauf mit der Sprunghaftigkeit Haken schlagender Hasen auf der Flucht. Die Folk-typische Kunst, das Setting drumherum malerisch zu beschreiben, zeigt sich vorbildlich. Das Retro-Hardrock-verwandte "Boxcars" rundet die gut gemischte Selektion ab. Sie reicht von hart bis zart. Die schwarzen Vögel zeigen sich von ihrer besten Seite. Zwar kann man ihnen dieses Mal keine Hit-Dichte attestieren - stark sind die Stücke trotzdem.
1 Kommentar
Der Rezension gibt es nicht hinzuzufügen; wobei ich persönlich dann eher 5/5 geben würde. Das Album ist einfach Counting Crows durch und durch. Zudem schafft es den Spagat, dass es nicht altbacken und in den 90iger stehen geblieben wirkt. Alleine der Opener With Love, From A-Z ist für mich der beste CC Song seit langem; ein Alternativ Meisterwerk mit einem überragenden Adam. Ich freue mich riesig dass ich endlich nach all den Jahren die Band im Oktober live sehen werde!