laut.de-Kritik
Party like it's 2004!
Review von Toni HennigDie Kanadier von Death From Above 1979 legten 2004 mit "You're A Woman, I'm A Machine" ein Debüt vor, das mit zugleich ungestümen wie hochinfektiösen Klängen eine Menge Staub in der Indie-Szene aufwirbelte. Bis heute muss sich jedes ihrer Werke an dieser Platte messen lassen. Dabei setzte die Band auf ein Erfolgsrezept, das ebenso simpel wie effektiv war: Jesse F. Keeler lockte mit Bassgitarrenriffs auf die Tanzfläche. Sebastien Grainger fügte lässige Drumgrooves hinzu und sorgte als Sänger für einen ordentlichen Schuss laszive Erotik.
2006 folgte dann die Auflösung, 2011 die Wiedervereinigung. Doch schon auf den beiden Nachfolgern "The Physical World" (2014) und "Outrage! Is Now" (2017) stieß der minimalistische Ansatz des Duos an seine Grenzen. Letztgenannte Scheibe erschien unter dem ursprünglichen Bandnamen Death From Above. Mittlerweile tritt die Formation wieder mit dem Namenszusatz 1979 in Erscheinung und tut auf "Is 4 Lovers" einfach so, als hätte es die Orientierungslosigkeit der beiden Vorgänger nie gegeben.
Wieder einmal geht es um verschwitzten Sex, aber nicht allein. Grainger führt mittlerweile neben der Band ein normales Familienleben, was zur Folge hat, dass, wie in der Single "One + One", auch mal die Freuden der Vaterschaft in den Mittelpunkt rücken.
Zuvor präsentieren sich Death From Above 1979 in "Modern Guy" so kratzbürstig und gleichzeitig so rhythmisch, wie eh und je, gleichwohl mit deutlicherer elektronischer Verfremdung auf Vocals und Schlagzeug. Dies lockt den Hörer ein wenig auf die falsche Fährte, knüpfen die Kanadier doch musikalisch da an, wo sie 2004 aufhörten. Die plumpen Rock-Plattitüden des Vorgängers gehören zum Glück der Vergangenheit an.
Dafür liefert das Duo mit "One + One" endlich wieder einen großen Hit, der mit präziser Drums, eingängigen Riffs und einer catchy Hook genauso gut in Ohr und Hüfte geht wie "Romantic Rights" vom Erstling, der hierzulande mit etwas Verspätung im Sommer 2005 auf den Markt kam. Textliche Besonnenheit geht also nicht zwingend mit musikalischer Gezähmtheit einher. Im Grunde genommen nimmt man Grainger die Zeile "You and me, that's so romantic" aber ohnehin nicht ab, wenn er im folgenden "Free Animal" zu sexy Grooves und noisiger Gitarrenarbeit seiner animalischen Seite freien Lauf lässt.
Etwas ausdifferenzierter darf der Sound allerdings trotzdem sein, wartet mit "N.Y.C. Power Elite" sogar ein zweiteiliger Song, der in Part eins schnurgerade nach vorne rockt und im zweiten Teil mit fuzzigen Distortion-Sounds in die zweite und verspieltere Hälfte des Albums überleitet. Und die hat es ziemlich in sich.
"Totally Wiped Out" könnte man zunächst als lärmenden Noiserocker abtun, angereichert um eine Prise punkigen Rotz im Refrain. Dass einige Passagen aber ungemein hymnisch ausfallen, merkt man erst, wenn man genauer hinhört. Danach kommen Death From Above 1979 in "Glass Homes" mit blinkenden Elektrosounds um die Ecke, als hätte es den Tod von Electroclash niemals gegeben. "Love Letter" erweist sich dagegen als melancholisch vor sich hinschunkelndes Liebeslied, für das sich Keeler ans Piano setzt, während Grainger bedächtige Schlagzeuggrooves beisteuert. Klaviertöne ziehen sich ebenso durch "Mean Streets", nur machen Blastbeats und eine wüste noisige Gesangspassage jegliche Harmonie zunichte.
Im abschließenden "No War" singt Grainger, dass er eine friedliche Sichtweise auf die Dinge besitzt, als wäre zuvor nichts gewesen. Dabei lässt die flehende Stimmführung schon fast an einen jungen Matthew Bellamy denken, und wenn gegen Ende die Riffs so spacig wie bei Muse zu "Origin Of Symmetry"-Zeiten in die Höhe ragen, dann ist die Grenze zur Megalomanie nicht mehr weit. Death From Above 1979 auf den Bühnen der großen Stadien? Man wird ja wohl mal träumen dürfen.
Letzten Endes betonen die Kanadier mit "Is 4 Lovers" ihre Dance-Punk-Wurzeln bei gleichzeitiger musikalischer Weiterentwickelung. Dass dabei auch noch die Melodien, der Groove und das Feeling endlich mal wieder stimmen, stellt eine umso größere Freude dar. Ein Album, zu dem sich Party machen lässt, als wäre 2004.
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