Porträt

laut.de-Biographie

Deerhunter

"Deerhunter ist eine der großartigsten Gitarrenbands des 21. Jahrhunderts, mit einem Katalog voller wilder Höhen, tiefem Kummer, brennender Wut und genau null schlechten Alben", schreibt der Rolling Stone über die Band aus Atlanta. Frontmann Bradford Cox meint: "Ich tue einfach was ich tue und find dann später raus, was es ist."

Doch von vorn. 2001 beschließen die vier Freunde Bradford Cox, Moses Archuleta, Colin Mee und Justin Bosworth eine Band zu gründen. Archuleta sitzt am Schlagzeug, während Mee an der Gitarre zupft und Bosworth den Bass bearbeitet und Cox singt und Gitarre spielt.

Als sie gerade ihre erste Split-EP mit der lokalen Band die Alphabets aufnehmen, fällt ihnen auf, dass sie als namenloser Zusammenschluss von Musikern schlecht Karriere machen können. Schlagzeuger Archuleta kommt plötzlich mit dem Namen Deerhunter um die Ecke - niemand protestiert und der Mythos ward geschaffen.

Leider erlebt die Band schon kurz nach der Veröffentlichung der Split-EP den ersten von mehreren Schicksalsschlägen: Justin Bosworth erleidet bei einem Sturz vom Skateboard schwere Kopfverletzungen und stirbt im Jahr 2004.

Anstatt sich der Trauer zu ergeben, stürzen sich die Jungs in kreatives Schaffen. Ihr erstes Studioalbum "Turn It Up Faggot" erscheint noch im darauffolgenden Jahr, dessen Name übrigens auf die Zurufe früherer Konzerte zurückgeht. In den Liner Notes des Albums huldigen Deerhunter ihrem verstorbenen Freund und laden Josh Fauver ins Studio ein, um bei den Aufnahmen den Basspart zu spielen.

Nach den ersten Studiosessions scheint es Fauver ganz gut zu gefallen - er bleibt nämlich bis 2012 der Bassist der Band. Hinzu kommt Cox Jugendfreund Lockett Pundt, der nicht nur Keyboard & Gitarre mitbringt, sondern auch eine ganz passable Stimme.

In dieser Kostellation nehmen sie 2007 ihren Zweitling "Cryptograms" auf. Seine musikalische Zweiteilung ist bedingt durch die Aufnahmesituation: Nach einer ersten fehlgeschlagenen Studio-Session, geben sich die fünf erneut einen Ruck und nehmen das Album an zwei Tagen, im Abstand mehrerer Wochen, auf.

Im darauffolgenden Jahr erscheinen mit "Microcastle" und "Weird Era Cont." gleich zwei Alben. Der Grund: "Microcastle" wurde bereits ein halbes Jahr vor Veröffentlichung geleakt. Als Entschädigung für die Fans, die brav bis zur offiziellen Veröffentlichung warten, entschließen sich Deerhunter ein zweites Album aufzunehmen - das jedoch ebenfalls geleakt wird.

Beide Alben nimmt die Band jedoch ohne den Gitarristen Colin Mee auf. Nachdem dieser bereits zuvor wegen Unstimmigkeiten über die Zeitplanung der Band pausierte, verlässt dieser vor den Aufnahmen endgültig die Band. Für ihn springt kurzerhand Cox alte Schulfreundin Whitney Petty ein, die allerdings nach der anschließenden Tour und den Supportshows für die Smashing Pumpkins und Nine Inch Nails ebenfalls weiterzieht.

2009 nehmen sich die Bandmitglieder eine Auszeit und kümmern sich um eigene Projekte. Während Archuleta einen Kochkurs macht, nimmt Cox Solo-Sachen auf, die er wie bereits zuvor unter dem Alias Atlas Sound veröffentlicht. Mit "Halcyon Digest" erscheint im darauffolgenden Jahr auch wieder ein Album - welches das letzte für Josh Fauver wird, der 2012 Deerhunter offiziell verlässt.

Fauvers unvermittelter Ausstieg trifft Bandleader Cox ziemlich hart. Ein Neuanfang muss her. Mit Josh McKay am Bass und Frankie Broyles an der Gitarre kommen gleich zwei Neuzugänge zu Deerhunter, die einen erheblichen Einfluss auf den Sound von "Monomania" haben. Düster, punkig, bizarr, mit Aufnahmen von Ratten und Insekten gespickt, entpuppt sich das sechste Studioalbum der Band als ihr düsterstes.

2014 wird Bradford Cox von einem Auto angefahren, als er mit seinem Hund spazieren geht. Seine Genesung verarbeitet er auf "Fading Frontier", das im darauffolgenden Jahr erscheint.

Es bleibt ein paar Jahre ruhig um die Band, bis sie 2018 der nächste Schicksalsschlag ereilt: Ex-Mitglied Josh Fauver, zu dem seit kurzem wieder Kontakt bestand, stirbt im Alter von 39 Jahren. Das Erlebnis rüttelt die Band ordentlich auf.

Überraschenderweise findet Fauvers Tod keine direkte Verarbeitung auf dem 2019 erscheinenden "Why Hasn't Everything Already Disappeared". Überhaupt finden sich auf dem achten Album der Deerhunter erstmals keine biografischen Verweise. Vielmehr schlüpft Cox in verschiedene Rollen, liefert mehr gesellschaftliche Analyse als persönliche Aufarbeitung.

Leadsänger Cox leidet übrigens an einer genetischen Erkrankung - dem Marfa Syndrom, bei der es zur erhöhten Elastizität des Bindegewebes kommt. An mangelndem Selbstbewusstsein fehlt es dem Sänger allerdings nicht. Im Interview mit dem Rolling Stone vergleicht sich der asexuelle Cox mit seinem großen Idol: "Ich bin das, was in unserem Zeitalter am ehesten mit einem Bowie mithalten kann. Mach da draus, was du willst."

Alben

Deerhunter - Monomania: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2013 Monomania

Kritik von David Hutzel

Nirgendwo sonst steht die Hymne so dicht am Wahnsinn. (0 Kommentare)

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