laut.de-Biographie
Der Rest
Den (letzten) Rest will eigentlich meistens niemand haben. Nicht am Wühltisch, nicht in der Disco. Beim Mittagessen dagegen schon. Dass sich eine Hamburger Band im Jahr 2011 Der Rest nennt und dazu einen schwarzen Geißbock auf ihrem ersten Album abbildet, hat natürlich etwas Doppelbödiges. Wovon der Rest? Doch nicht etwa von der Hamburger Schule?
Der Bandname ist sicher ironisch gemeint und zielt wie die Songs direkt auf all den Irrsinn des Alltags. Eigentlich sind wir die Guten, doch wir haben keine Chance gegen all die Wahnsinnigen da draußen? Wie sympathisch.
Philipp Taraz heißt jedenfalls der Mann, der hinter Der Rest steckt. Er ist Filmemacher und Musiker mit Produzentenerfahrung in den USA. Und mit Sicherheit lebt er ganz eigentlich von der Hand im Mund.
Mit seiner Schwester Luisa, Theaterschauspielerin, setzt er sich irgendwann zusammen und schreibt poetische, tief reflektierende Texte geschrieben, in denen es um den Einzelnen geht - und um die Gesellschaft. Um die Stadt, die ganzen Emotionen, das Leben. Natürlich muss man dabei sofort an Kettcar oder all die Bands im Dunstkreis der Hamburger Labelinstitutionen L'Age D'Or und Tapete denken: Erdmöbel, Tillman Rossmy, Niels Frevert.
Mit Gitarrist Anselm Klumpp, Bassist Laurent Vianes und Schlagzeuger Andreas Maecker macht sich Taraz 2009 daran, seine kleinen Geschichten auch zu vertonen. Nicht Pop und nicht Indie, nicht Liedermacher und nicht Rock - losgelöst von den üblichen Schubladisierungen wollen Der Rest operieren. Dennoch sind es zweifelsohne die Verfallserscheinungen von zwei Dekaden Hamburger Schule, die Der Rest mit Geige und Klavier aufgreifen.
Taraz singt zu dieser akustischen Melancholie unbedarft wie der junge von Lotzow, der eigentlich auch nie vor hatte, ein Rockstar zu werden, als er sich einst selbst klar machte, dass er gerade nicht in Seattle sei. Auf der Releaseparty zu "Der Tisch Ist Gedeckt" im Hamburger Club Uebel & Gefährlich gibt es jedenfalls für 10 Euro Eintritt das Debütalbum gleich noch on top geschenkt. So muss Musikindustrie von unten heute funktionieren.
Der Rest werden 2011 ein paar Konzerte spielen. Wenn alles normal läuft, werden ein paar hundert Leute kommen, und die Band, für die Musik nicht mehr als eine Stück Selbstverwirklichung darstellt, geht danach wieder zurück in ihre Büroräume, Klassenzimmer, Schneideräume. Der Rest ist Schweigen. Und doch könnte Hamburg noch so viel mehr solcher Bands vertragen.
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