laut.de-Kritik
Reicht weit über die Hamburger Musikszene hinaus.
Review von Christoph Dorner"Wenn Vergebung eine Tugend ist, dann beherrsche ich diese wohl nicht. Aber nichts könnte mir gerade mehr egal sein. Rechts und links rafft es die Unschuldigen hin, mein eigenes Schicksal ist dabei so unwichtig, dass es mir Tränen in die Augen treiben könnte. Leute, die auf der Strecke bleiben, sind das Einzige, an dem es hier wirklich nicht fehlt. Einmal ein Schritt daneben, und du bist im Visier."
Puh, mal ehrlich: Wer muss allein bei diesen ersten reimlosen Zeilen aus "Vorsicht" nicht direkt an den weiten Dunstkreis der Hamburger Schule denken? An Dirk von Lotzow und sein dahingebrabbeltes Selbstmitleid, an Jochen Distelmeyers Nonchalance, an die Pop-Philosophie von Tilmann Rossmy oder an die Alltagssoziologie der Kölner Band Erdmöbel?
Ein immenses Qualitätskriterium von "Der Tisch Ist Gedeckt" ist damit im Grunde schon benannt. Es ist die Klarheit, die Tiefe, die Direktheit der Texte, die Bandleader Philipp Taraz, Filmemacher, mit seiner Schwester Luisa, Schauspielerin, geschrieben hat. Das Private wird in der düsteren Alltagspoesie der Taraz-Geschwister tatsächlich auch politisch - ohne dabei zu anklagend zu wirken.
Dazu passt der warme, folkige Vibe dieses akustischen Albums, dass sich mit plompendem Bass, dezenten Geigen, Kontrabass und ein paar Klaviertupfern in Songs wie "An Manchen Tagen" und "Nachsicht" an die ruhigeren Selbstbespiegelungen der frühen Tocotronic erinnert. Zumal Philipp Taraz seine Texte ähnlich unbedarft lakonisch wie von Lotzow einspricht und prononciert.
Taraz versucht sich auch an griffigerem Power-Liedmaching ("Aus Dem Fenster Gelehnt"), an pathetischem Kammer-Pop ("Glück") und Akademiker-Rock im Stile von Kante ("Wenn Die Dämonen Kommen"). Auch wenn keine überlebensgroßen Songs vorliegen, allein die aufrichtige Haltung dieses mikrokosmischen Albums macht es zu einem Gewinn weit über die Hamburger Musikszene hinaus.
2 Kommentare
Da schreien sie alle immer rum, jammern und trollen, weil hier nicht genug sogenannter "Indie" läuft und unter jeder Kritik steht "wann rezensiert ihr eigentlich "beliebige Zeitgeistband"?" Und jedes Mal wenn die lieben Menschen von laut.de mal etwas tiefer graben, ist in den Comments Grabesstille.
Ach ja? Ich hab noch nie gesehen, dass jemand nach "Der Rest" gefragt hat. Wenn aber mehrere User nach ner bestimmten Kritik verlangen, ist das was Anderes. Gerafft?