11. November 2021

"Du darfst der Mode folgen"

Interview geführt von

Spätestens seit "All You Need Is Now" zeigen sich Duran Duran so konstant erfolgreich wie seit ihren Anfangstagen nicht mehr. Nun veröffentlicht die Band, bei der Besetzungswechsel einst zum Alltag gehörten, bereits das vierte Album in unveränderter Formation und stellt damit einen internen Rekord auf. Eine Kontinuität, die mit ihrem größten kommerziellen Erfolg seit ihren Anfangstagen garniert wird.

Manchmal muss man einfach etwas Glück haben. Nicht immer ist die offensichtliche Lösung die beste, und im Grunde war John Taylor schon immer die coolste Sau von Duran Duran. Während sich Die Zeit mit einem brummeligen Simon Le Bon herum schlagen musste, durfte ich mich mit einem blendend gelaunten John Taylor unterhalten. Einem bis heute oft sträflich unterschätzen Bassisten.

Mit "Future Past" stellt ihr einen persönlichen Rekord auf. Das vierte Album in Folge mit der selben Besetzung. Das gab es bei euch zuvor noch nie. Was ist euer Geheimnis?

Du hast Roger, Nick, Simon und mich. Wir sind das Gehirn. Wir halten die Flamme am brennen. Aber jedes Mal arbeiten wir dann mit anderen zusammen. Sie bringen neue Farben und eine neue Würze. Sie machen den Unterschied zwischen diesem Album, dem davor und dem davor aus. Wir sind mittlerweile sehr gut darin geworden, die passenden Acts für unsere Projekte zu finden. Neue Looks und neue Styles mit ganz unterschiedlichen Perspektiven. Ich bin wirklich glücklich mit "Future Past" und unserer Arbeit mit Erol Alkan, über den wir vorher nur wenig wussten. Er kam auf uns zu. Als Produzent hatte er noch nicht viel vorzuweisen. Er ist eher als DJ und Kurator bekannt. Ich wusste, er hat einen außergewöhnlichen Geschmack und eine großartige Energie. Ich wusste nicht, was er mit ins Studio bringen würde.

Wie kam dann Graham Coxon dazu?

Zuerst muss ich da Nick nennen. Er war der erste von uns, der ihn getroffen hat. Ihm schwebte die Idee vor, mit uns zu arbeiten. Erol kennt ihn sehr gut und er fragte uns dann, ob wir uns vorstellen könnten, mit ihm zu arbeiten. Ich meinte, dass wäre ja ulkig, da Nick ihn gerade gestern getroffen hätte. Als die beiden dann ins Studio kamen, war es sofort eine stimmige Kombination. Graham verfügt über einen großen Sachverstand. Ich denke, er gehört heute zu den weltweit interessantesten Gitarristen.

Ihr habt mit Produzenten wie Mark Ronson, Timbaland oder Nile Rodgers gearbeitet. Wie war da die die Arbeit mit Alkan?

Erol war unsere Wild Card. Er war das komplette Gegenteil zu dem, was ich erwartet hatte. Ich habe mich daran gewöhnt, mit Produzenten aus der DJ-Generation zu arbeiten. Ich war überrascht, wie sehr er sein Handwerk verstand. Wie viel Zeit er für sich für den Bass-Sound nahm, den Amplifier-Sound und dafür, die Mikrofone richtig auszurichten. Er machte dies mit allen Instrumenten. Von Beginn der Arbeiten an zeigte er ein großes akustisches Bewusstsein. Das sendet ein Signal an die Musiker. Dieser Kerl meint es ernst. Dadurch hat er mich als Bassisten immer wieder voran getrieben.

Wir versuchen alle heraus zu finden, wo Technologie beginnt und der Künstler endet. Ich habe in den letzten zwanzig Jahren an vielen Projekten gearbeitet. Mit der Zeit wurde es einfacher und einfacher und ich wurde fauler und fauler. Aber "Future Past" ist kein faules Album. Wir haben wirklich gegen die Technologie angekämpft. Am meisten bin ich stolz darauf, dass man zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich wieder die Musiker hören kann. Wenn man daran interessiert ist. Du kannst Graham hören, mich, Nick und Roger. Und ich finde, das ist mittlerweile leider selten geworden. Das ist heute in der modernen Musik nicht mehr normal. Es ist alles so steril.

"Du musst dir erlauben, der Mode zu folgen."

Wo genau siehst du denn die Unterschiede zwischen heute und damals? Was hat sich in der Popkultur, auf die ihr als New Romantics vor vierzig Jahre einen immensen Einfluss hattet, geändert?

Die Siebziger waren eine fruchtbare Zeit für elektrische Rock- und Pop-Musik. Es entstanden so viele Klassiker. Damals mochte ich Led Zeppelin und Pink Floyd nicht einmal. Aber wenn ich heute darauf zurückblicke denke ich mir: Mein Gott, was für ein Masterpiece. Was Musiker damals zusammen im Studio vollbracht haben, war wirklich bemerkenswert. Eine Kunst, die zwischen den Musikern entstand.

Heute sind wir im Zeitalter der programmierten Musik, die zum größten Teil am Computer entsteht. Sounds, die gesamplet, kopiert und eingefügt werden. Es hat nicht diese Tiefe, ist mehr wie Audio-Fast-Food. Ich verstehe, warum. Es passierte einfach. Sieh dir an, wie frühe Hip Hop-Alben gemacht wurden. Ich habe kürzlich eine Dokumentation über die Anfänge des Hip Hops gesehen. Da ging es um Rick Rubin und Russell Simmons von Def Jam. Ich weiß nicht mehr, was sie aufgenommen haben, aber sie hatten sich einen Schlagzeuger, einen Gitarristen und einen Bassisten ins Studio geholt. Sie waren bereit, ihr Ding zu machen und spielten kurz los. Dann sagte Rick: "Das war's. Das ist alles, was wir brauchen." Es war nur ein kurzer Part und ein Drumfill. Das hat den Kurs der Musikgeschichte für immer verändert.

Du musst ein Visionär sein, um so etwas zu erkennen und eine solche Entscheidung zu treffen. Aber ich mag musikalische Dynamik. Ich möchte die Konversation zwischen Gitarristen, Schlagzeuger und Bassisten hören. Oder einem Cellisten und Violinenspieler. Jetzt höre ich mich an wie ein progressiver Rock Musiker der 1970er. Ich habe das Gefühl, mehr mit diesen gemeinsam zu haben, als mit den Musik-Produzenten von heute.

Es gab eine Periode von Duran Duran, in der wir unsere Alben so tight und fortschrittlich wie moderne Alben haben wollten. Aber um dies zu erlangen, musst du musst die Dynamik des Klangs loslassen. Es gibt keinen Raum mehr in diesem Sound. Keine interessante Bass-Performance, keine interessante Gitarren-Performance. Alles ist ausschneiden und kopieren. Ich verstehe, dass dies für einige Leute heute das perfekte Album ausmacht. Aber für mich ist das nicht emotional genug. Es ist nicht mehr interessant. Ich glaube, dass wir mit "Future Past" nun zu einer Performance mit mehr Raum für die Musiker zurückgekehrt sind.

Wenn du davon sprichst, kommt mir sofort "Big Thing" in Erinnerung. Das war 1988 das erste Album, auf dem ihr deutlich mehr mit elektronischen Hilfsmitteln gearbeitet habt. Oder auch eure Zusammenarbeit mit Timbaland auf "Red Carpet Massacre".

"Big Thing" war das erste Mal, dass wir mit Drummachines und Bass-Sequencer gearbeitet haben. Du musst dir erlauben, der Mode zu folgen. Man muss es einfach ausprobieren, um zu sehen, ob es passt.

Zurück zu "Future Past": In "Beautiful Lies" und "Tonight United" arbeitet ihr mit Giorgio Moroder zusammen. Sie haben auch seinen typischen Sound. "Invisible" hingegen hat ein wenig was von "Notorious". Insgesamt verbindet ihr auf dem Album viele verschiedene Stile. Wie kommt das alles für dich zusammen?

Die Arbeit mit Moroder war für Nick die ultimative Erfahrung. Es gab eine ganz andere, einfachere Herangehensweise an die beiden Songs, bei denen Coxon nicht mitgespielt hat. Normalerweise versuchen wir, wenn wir einen Song schreiben, zur gleichen Zeit den Sound der Band neu zu erfinden. Das ist etwas, was wir einfach machen. Wenn wir ein Lied schreiben, hat dies viel mit Sound-Architektur zu tun. Wir verwenden viel Zeit darauf, wie dieser sein soll. Das ist für uns ebenso wichtig wie die Noten oder die Texte.

Bei den Moroder-Songs ging es weniger darum. Jeder wusste, was er wollte. Wir wollten Duran Duran meets Giorgio Moroder. Das war der Sound, den wir wollten. Dann kam er ins Studio und sagte: "Ich möchte etwas Neues mit euch ausprobieren. Etwas, was ich noch nie versucht habe." Wir mussten ihm dann aber sagen, dass wir wussten, was wir wollten und dass wir eben genau das wollten. Das war eine Befreiung. Zu dem Zeitpunkt befanden wir uns im Krieg. Wir warfen verficktes Essen durch den Raum. Weil wir versuchten, uns neu zu erfinden und etwas Neues zu probieren.

Außerdem war Giorgio nicht an den Texten beteiligt. Er sagte, dass er das nicht macht. Erol war da dabei. Die Texte der Giorgio-Lieder sind sowieso einfacher gehalten als die der anderen. Viele der Lieder sind klar beziehungsorientiert. Aber wie etwa "Invisible", "Wing" oder "Hammerhead" verfügen sie über eine eine Tiefe, nicht nur Hooks.

"Wenn du nicht fragst, wirst du es nicht bekommen"

Wie schon auf "Paper Gods" gibt es viele Features. Mein klarer Favorit ist dabei "Falling" mit Mike Garson.

Yeah!

Er ist ja am bekanntesten für seine Arbeit mit David Bowie. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Duran Duran und Garson gemeinsam hören würde. Es funktioniert ausgezeichnet. Ein wundervoller Song.

Mike hat eine sehr prägnante Spielweise. Er ist wie ein Hybrid aus einem Klassik- und Jazz-Pianisten. Er und Woodmansey sind die letzten Überlebenden der klassischen Bowie-Ära. Das geht zurück auf die frühen Siebziger, zu "Aladdin Sane".

Ich war dabei zu einer Party zu gehen, auf der er auch war. Nick sagte dann zu mir, falls ich ihn treffe, solle ich ihn fragen, ob er nicht auf unserem Album mitspielen mag. Ich sagte: "Ah! Great! Okay!" Unser Keyboarder gibt mir die Erlaubnis, einen anderen Keyboarder zu fragen, ob er nicht an unserem Album mitwirken mag. Mike war sofort begeistert. "Absolut! Ich würde es lieben!" Wir haben ihm dann alles sehr schnell eingerichtet.

Für mich ist "Falling" ein Tribut an David Bowie. Wir hatten das nicht geplant, aber es hat sich so entwickelt. Es hat eine wirklich bewegende Qualität. Simon wurde nie von solchen Tönen begleitet.

Du sagst, du hast ihn einfach auf einer Party angesprochen. Das erinnert an die alte Geschichte, wie ihr an den Bond-Titelsong "A View To A Kill" gekommen seid. Du sollst damals leicht angetrunken den Bond-Produzenten Albert R. Broccoli eben auch auf einer Party gefragt haben, wann mal wieder jemand Vernünftiges das Titellied aufnimmt. Stimmt das?

Ja! (lacht) Wenn du nicht fragst, wirst du es nicht bekommen. Das hat mir meine Mutter immer gesagt. Die Leute können nur nein sagen, oder? Manchmal machen sie das, aber manchmal auch nicht. Das Bond-Ding ist interessant. Die Titellieder in den Sechzigern waren für mich keine alltäglichen Songs. Sie standen außerhalb des Pop-Genres. Aber ich war mir immer über Songs wie "Goldfinger", "Diamonds Are Forever" oder "You Only Live Twice" bewusst. Sie haben in ihrer eigenen Nische existiert. Wann immer ich sie höre, liebe ich sie. Selbst wenn sie kein Pop, aber auch keine Klassik sind. Sie haben ihre eigenen Gesetze. Aber nach "Live And Let Die" wurden die nächsten Stücke sehr mittelmäßig. Ich wollte da auf jeden Fall mal reinschnuppern. Mit Duran Duran hatten wir dann weltweit eine Nummer Eins mit dem Ding. Danach wurde der James Bond-Titelsong eine Art Internationaler Song Contest, der alle drei oder vier Jahre stattfindet.

Wenn ich mir die Songs der letzten sechs, sieben Filme anhöre, sind sie immer interessant. Du bekommst die besten Produzenten, Songwriter, Performer. Diese versuchen einen Song zu erschaffen, der in ein bestimmtes Schema passt. Er muss edgy, er muss dramatisch, modern und kürzer als drei Minuten lang sein. Er muss sexy sein. Ich liebe Billie Eilishs "No Time To Die". Es ist fabelhaft.

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