Porträt

laut.de-Biographie

Gucci Mane

Im Jahr 2008 hat sich Rap aus dem Süden Amerikas längst etabliert: Lil Waynes "Tha Carter III" gilt vielen als das Album des Jahres, Young Jeezy stellt mit Autotune und Jay-Z die inoffizielle Präsidentenhymne "My President Is Black" und T.I.s Läuterung vom Gangster zum Gutmenschen ist Gesprächsthema Nummer eins auf MTV und CNN.

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Der Untergrund brodelt im Dirty South aber trotzdem. Sein neuer Superstar dort hört auf den Namen Gucci Mane und entspringt den Straßen Atlantas. Dorthin übersiedelt der am 12. Februar 1980 als Radric Davis geborene Knabe in jungen Jahren zusammen mit seiner Mutter. Aufgewachsen ist er zuvor in Birmigham in Alabama. Gedichte schreibt Radric schon zu seiner Kinderzeit. Auf die Idee, diese rappend vorzutragen, kommt er ungefähr mit 14.

Ehe sich "Icy", die Kollaboration mit dem aufstrebenden Trap-Rapper Young Jeezy, 2005 vom lokalen Hit zum nationalen Erfolgstune auswächst und die beiden sich in der Folge über die Urheberschaft an Idee, Text und Hook in die Haare bekommen, hat Gucci Mane schon die ersten Erfahrungen mit gesiebter Luft gesammelt: Wegen Drogenbesitzes wandert er 2001 das erste (und lange nicht das letzte) Mal hinter Gitter.

Ob nun der unerwartete Erfolg mit "Icy" Neider auf den Plan ruft, ob eine von Guccis Liebschaften den Anlass für Händel liefert oder ob es sich schlicht um einen Einbruch handelt: Die Geschichte erzählt jeder anders. Tatsache: Gucci Mane gerät in einem Überfall und erschießt einen der fünf bewaffneten Täter. Notwehr, so seine Auslegung.

Die Polizei stellt dennoch einen Haftbefehl gegen ihn aus. Auf Promotour in New York erfährt der Rapper davon, überantwortet sich freiwillig der Justiz und landet im Gefängnis. Die Verhaftung kommt für seine Karrierepläne sehr unpassend. Gerade erst hat sich Gucci Mane als Mixtape-Lieferant etabliert.

Mit einer Stimme wie nach einer Mandeloperation nölt er sich in die Playlist der Hip Hop-Heads, ohne er ein außergewöhnlicher Rapper zu sein. Als besonders gewiefter Interviewpartner entpuppt er sich ebenfalls nicht, und mit den Großen der Industrie ist er auch kaum vernetzt: im Grunde denkbar schlechte Voraussetzungen.

Die Frequenz seiner Mixtape-Veröffentlichungen erscheint jedoch schlicht beängstigend und sein Swagger nicht von dieser Welt. Gucci beweist immer wieder sein Talent für unterhaltsame Hooks und nicht gerade tiefgründige, dafür fesselnde Songs. Seine Großkotzigkeit erscheint zudem selbst im in aller Regel ordentlich aufgeblasenen Genre-Kontext phänomenal.

Das hilft dem Rapper natürlich nicht viel, als er sechs Monate in Untersuchungshaft verbringen muss. Zu seinem Glück findet das Gericht jedoch nicht genügend Beweise, die gegen die Notwehr-Erklärung des Angeklagten sprechen. Gucci kommt frei und arbeitet fleißig weiter an der Karriere.

Noch 2005 veröffentlicht Gucci Mane das Album "Trap House", das mit "Back To The Trap House" 2007 die erste Fortsetzung findet und sich über die Jahre zu einer ganzen Serie auswächst. Zum richtigen Kassenschlager reicht es trotzdem nie. Seine Albenverkäufe pendeln sich um die 150.000 abgesetzte Einheiten ein, den Löwenanteil seines Erfolges verdankt er seinem Mixtape-Geschäft.

Diese VÖ-Politik beschert zwar nicht sofort Millionen, wohl aber Respekt. Gucci erarbeitet sich den Ruf als der Gangsterrapper des Volkes. Die Betonung liegt jedoch weiterhin auf Gangster: Immer wieder wird Gucci Mane verhaftet, weggesperrt, entlassen und aufs Neue verhaftet.

Er lässt sich illegalen Drogen- und Waffenbesitz zuschulden kommen, wird wegen, Beamtenbeleidigung und Körperverletzung verknackt und findet überhaupt zahlreiche Wege, um wiederholt gegen seine Bewährungsauflagen zu verstoßen. 2008 wandert er beispielsweise zurück ins Gefängnis, weil er von den ihm auferlegten 600 Sozialstunden gerade einmal 25 ableistet.

2009 nimmt Warner Gucci Mane unter Vertrag, macht aus dem Zustand einen Albumtitel und wirft im gleichen Jahr noch "The State Vs. Radric Davis" unters Volk. Nach seiner Entlassung benennt Gucci sein eigenes, einst So Icey Entertainment getauftes Label in 1017 Brick Squad Records um.

Aus dem Knast ins Studio und zurück: Diesen Rhythmus behält Gucci Mane in den Folgejahren bei. Zwischendurch bleibt er tatsächlich einmal lange genug auf freiem Fuß, um 2012 in "Birds Of A Feather" sein Debüt als Schauspieler zu absolvieren. 2013 legt er in "Spring Breakers" nach.

Etliche Solo-Alben, Kollabo-Werke und unzählige Mixtapes, aber auch zahllose per Twitter in die Kollegenrunde gerotzte Beleidigungen und viele, viele Verhaftungen später haben sie bei Warner offenbar die Nase gestrichen voll von Guccis Eskapaden. Trotz Entschuldigungen und Beteuerungen, aus seinen Tweets habe nicht er, sondern das Codein gesprochen, muss er "The State Vs. Radric Davis II: The Caged Bird Sings" ohne Major im Rücken veröffentlichen.

Von Mitte 2014 bis 2016 sitzt Gucci Mane - Überraschung! - wieder einmal im Gefängnis. Seiner Produktivität kann das offenbar längst nichts mehr anhaben. Kaum wieder auf freiem Fuß, liegt 2016 "Everybody Looking" vor, das mancher schon bei seinem Erscheinen als Klassiker abfeiert.

Immerhin birgt das Album eine Zeile, die Guccis Schaffen auch darüber hinausreichend ganz treffend charakterisiert: "Fuck the feds, fuck the police, fuck the DEA, I can't even sleep I got so much to say." Einsperren lässt er sich offenbar, wieder und wieder, aber mundtot machen? Keine Chance.

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