laut.de-Kritik

Von wegen Folkpop - Let's make some noise!

Review von

Wer noch "Berkeley Girl" in Erinnerung hat, das Harper Simons gleichnamiges Debüt abschloss und stark an eine frühe Komposition seines Vaters Paul erinnert, wird nach den ersten Takten mit den Ohren schlackern. Von wegen süßlicher Folkpop – der Opener "Veteran's Parade" weist in eine ganz andere Richtung.

"Ich wollte eine Rock'n'Roll-Platte machen, die ich auch selbst gerne höre. Das scheint einfach, war aber unglaublich schwierig", schreibt Simon auf seiner Homepage. Schon immer habe er einen breiten Musikgeschmack gehabt. Bei den Sessions ließ er sich offenbar eher von Velvet Underground als von den Rolling Stones inspirieren.

Die Basistracks spielte er selbst (Stimme und Gitarre) mit Pete Thomas, dem Drummer von Elvis Costello and the Attractions, ein. Los geht es mit einem wuchtigen Schlagzeug und einer verzerrten E-Gitarre. Die Instrumente sind wie Simons Stimme mit viel Hall versehen. Eine düstere Grundstimmung, die ein bisschen an das Shoegazertum zu Beginn der 90er Jahre erinnert.

Thema des Albums, wie der Titel aussagt, sind jene Momente im Leben, die sich im Nachhinein als entscheidend entpuppen – rechts oder links, Licht oder Finsternis. "Eternal Questions" handelt von einem Mann, der nach der Entlassung aus der Reha-Klinik in die Stadt zurückkehrt und beschließt, sich abzuschießen. "In jenem Augenblick entfaltet sich eine eigene, verrückte Energie. Ich habe mir überlegt, welchen Dealer er anrufen, bei welcher Frau er schließlich landen würde. Er wusste, dass er gerade versagte, konnte aber nicht mehr zurück", erklärt Simon.

Der aus seiner eigenen Vergangenheit weiß, wovon er spricht. Die Aufnahmen dauerten 18 Monate, auch weil der Prozess zu Depressionen führten, die schließlich mit Medikamenten behandelt werden mussten. In jenen drei Monaten schrieb Simon die meisten Texte.

Die Pause erklärt womöglich, warum das Album mehrere Gesichter hat. Nach den ersten vier dröhnenden Stücken erklingt in "Eternal Questions" eine Jahrmarktorgel. In "Chinese Jade" und "99" kommen Akustikgitarren zum Einsatz und es geht deutlich entspannter, wenn auch nicht unbedingt fröhlicher, zu. "Just Like St. Theresa" könnte sogar vom Debütalbum stammen. Der hypnotische Abschluss "Leaves of Golden Brown" knüpft vom Klang dagegen wieder an den Opener an.

Ein facettenreiches Werk also, an dem zahlreiche Gäste beteiligt waren, unter ihnen Bassist Nikolai Fraiture (The Strokes), Multiinstrumentalist Nate Walcott (Bright Eyes) sowie die Keyboarder Mikael Jorgensen (Wilco) und Benmont Tench (Tom Petty & The Heartbreakers). Die Produzentenrolle übernahm, wie auch schon beim Debüt, Tom Rothrock.

Mit "Division Street" beweist Harper Simon, dass er auf eigenen Füßen stehen kann. Was einem 40-Jährigen auch zu wünschen ist. Zwar ist er noch auf der Suche nach einer musikalischen Identität, dafür können wir jetzt schon gespannt darauf sein, wie sein nächste Album klingt.

Trackliste

  1. 1. Veteran's Parade
  2. 2. Bonnie Brae
  3. 3. Division Street
  4. 4. Nothing Gets Through
  5. 5. Eternal Questions
  6. 6. Chinese Jade
  7. 7. Just Like St. Teresa
  8. 8. '99
  9. 9. Breathe Out Love
  10. 10. Leaves Of Golden Brown

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