Porträt

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Heilung

Als "amplified history" bezeichnen Heilung ihre Musik. Das darf man ruhig wörtlich nehmen. Auf der Bühne des deutsch-dänischen Kollektivs findet man zu Instrumenten umfunktionierte menschliche Knochen, altertümliche Trommeln, Bronze-Ringe und teils ganze Armeen, bewaffnet mit dem Material der Eisen- und Wikingerzeit nachempfundenen Schilden und Schwertern.

Heilung - Drif
Heilung Drif
Auf dem schmalen Grat zwischen Erhabenheit und Langeweile.
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Was Ende der 2010er-Jahre zum internationalen Phänomen avanciert, beginnt 2014 in sehr kleinem Rahmen. Der in Dänemark lebende deutsche Tätowierer Kai Uwe Faust verspricht dem Musiker Christopher Juul (Euzen) ein Tattoo, wenn dieser mit ihm eine Gedichtsammlung aufbereitet. So entsteht der später auch auf dem Debütalbum enthaltene Spoken-Word-Track "Schlammschlacht", die Neuerzählung der berühmten Varusschlacht im Teutoburger Wald.

Faust und Juul interessieren sich beide für alte Geschichte und engagieren sich im Reenactment-Milieu. Ersterer arbeitet zudem als Schamane. Ihr Ziel mit Heilung: "Den Hörer nach einer magischen, manchmal turbulenten musikalischen Reise in einen Entspannungszustand zu versetzen."

Bald konzentrieren sich Heilung vornehmlich auf die Eisenzeit und Wikingerkultur, verarbeiten zum Beispiel Inschriften alter Runensteine und Amulette aus dieser Zeit zu Texten. Statt einfach nur historisch nachzuerzählen, laden sie ihre Werke auch spirituell auf. 2015 veröffentlichen sie in Eigenregie das Album "Ofnir".

Im Instrumentarium halten sich die Musiker, inzwischen verstärkt von Sängerin Maria Franz, größtenteils an Materialien, die auch in der besungenen Zeit schon vorhanden waren. Glocken scheppern, Steine schaben über Grund, Wasser läuft durch Knochen. Melodien sucht man nahezu vergeblich, im Vordergrund steht eine auf Naturgeräusche bedachte Atmosphäre, Percussion sowie die Vocalperformance der drei Musiker. Sie krächzen, flüstern, jaulen, verfallen in tiefen Obertongesang oder ätherische Höhen.

Tourtipp anzeigen laut.de präsentiert
Bis 10. August 2025 Heilung Königstein, Mannheim u.a.
Ein besonderer Spätsommer steht bevor: mystisch und geheimnisvoll.

Nach umjubelten ersten Liveauftritten beim niederländischen Castlefest und dem norwegischen Midgardsblot legen Heilung 2017 ihr Untergrunddasein schlagartig ad acta. Phyische Produkte ihres Debüts und das beim Castlefest aufgenommene Livealbum "Lifa" sind bald vergriffen. Das Trio unterschreibt noch im selben Jahr einen Vertrag beim Metal-Label Season Of Mist, das beide Scheiben 2018 neu auflegt.

Es folgen Konzerte bei weiteren renommierten Festivals wie Roadburn und Wacken Open Air. Manch einer nennt sie schon in einem Atemzug mit der damaligen Neofolk-Speerspitze Wardruna. Zu diesen pflegen Heilung ohnehin seit Langem eine freundschaftliche Beziehung. Wardruna-Boss Einar Selvik vertraute bereits auf Fausts Können als Tätowierer.

Ihre außergewöhnlichen, kunstvollen Live-Performances öffnen Heilung die Tore zu Konzertsälen, in denen man Bands aus ihrer Szene sonst eher selten antrifft. Im Rahmen ihrer Headliner-Tour 2019 bespielen sie unter anderem das Kieler Schloss und den Berliner Admiralspalast. Neue Stücke sind dabei bereits im Programm. Im Sommer des Jahres veröffentlichen Heilung ihr zweites Studioalbum "Futha".

Den Titel übernahm das Trio von einer Münzgravur aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Die Bedeutung ist nicht eindeutig geklärt, Archäologen und Historiker vermuten einerseits magischen Hintergrund und andererseits einen Bezug auf das weibliche Geschlecht. Beides dient Heilung als thematische Grundlage für das Album, das sie als Gegenentwurf zum "männlichen" Erstling konzipieren. Während lyrische Inspiration für "Ofnir" hauptsächlich von Gravuren auf Waffen und Rüstung stammte, konzentrieren sich Heilung nun auf isländische Poesie und Zaubersprüche heiliger Frauen. So rücken auch Maria Franz und ihre Stimme weiter in den Mittelpunkt.

Wie ernst es den Musikern mit der spirituellen und magischen Dimension ihres Werkes ist, unterstreichen sie mit der sogar in ihre Zeitpläne gelegten Symbolkraft. Nach drei Jahren Arbeit beenden sie die Aufnahmen zu "Futha" am 21. Dezember 2018 um 21 Uhr. Wintersonnenwende, der finsterste Tag des Jahres.

Auf "Drif" fokussiert sich das Trio 2022 mehr auf spezielle Stimmungen und Spannungsmomente. Auch Melodien spielen zunehmend eine größere Rolle in der Musik, ohne dass atmosphärisch dunkle Momente zu kurz kommen. Im Dunkeln, ohne ablenkende Reize, kommt man dem von der Band angedachten kathartischen Hörerlebnis wohl in der Tat am nächsten.

Weil einige fehlgeleitete Musik über altvordere Zeiten und die Verwendung nordischer Symbolik als Einladung für missionarisches, nationalistisches und rechtsextremes Gedankengut sehen, betonen Heilung, ihre Kunst stehe unabhängig von modernen Politik- und Religionssystemen. Jeder Versuch, eine Verbindung dazu herzustellen, sei "gegenstandslos", da Heilung "versuche, den Hörer mit der Zeit zu verknüpfen, bevor Christentum und seine politischen Sprösslinge sich in die nordeuropäische Mentalität vergewaltigt und gebrannt haben."

Die Tour ab Frühjahr 2025 soll dann für längere Zeit die letzte sein: Man stünde kurz vor einem Burnout und müsse sich erholen, teilen die Schaman:innen bereits im November 2024 über ihre Social Media-Kanäle mit.

Alben

Heilung - Drif: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2022 Drif

Kritik von Toni Hennig

Auf dem schmalen Grat zwischen Erhabenheit und Langeweile. (0 Kommentare)

Heilung - Futha: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 5 Punkte

2019 Futha

Kritik von Alexander Cordas

Die Wachablösung für Dead Can Dance. (0 Kommentare)

Fotogalerien

Nürnberg, Kia Metropol Arena 2024 Mehr Ritual geht nicht: das dänisch-deutsch-norwegische Kollektiv live.

Mehr Ritual geht nicht: das dänisch-deutsch-norwegische Kollektiv live., Nürnberg, Kia Metropol Arena 2024 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Mehr Ritual geht nicht: das dänisch-deutsch-norwegische Kollektiv live., Nürnberg, Kia Metropol Arena 2024 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Mehr Ritual geht nicht: das dänisch-deutsch-norwegische Kollektiv live., Nürnberg, Kia Metropol Arena 2024 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Mehr Ritual geht nicht: das dänisch-deutsch-norwegische Kollektiv live., Nürnberg, Kia Metropol Arena 2024 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta)

Termine

Mi 19.03.2025 Oberhausen (Turbinenhalle)
Fr 21.03.2025 Zürich (Hallenstadion)
So 08.06.2025 Mannheim (Maimarktgelände)
Sa 14.06.2025 Lingen (EmslandArena)
Di 01.07.2025 München (Tollwood-Musikarena)
Alle Termine ohne Gewähr

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3 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Wirkt unheimlich beruhigend wenn man sich die Lieder anhört.
    Auf jeden Fall hat die Musik genau diesen Effekt auf mich. AUch die Konzerte haben mit ihrer rituellen Darbietung etwas beruhigendes. Die Räucherung am Anfang gehört dazu . Früher haben viele Menschen zum Beispiel ihre Häuser geräuchert. Sie haben eine reinigende Räucherung gemacht. Aber auch Menschen können so "gereinigt" werden. Bevor jetzt wieder irgendjemand mit Irr oder Aberglauben ankommt. Es werden Heilkräuter und Rinden und Wurzeln geräuchert die zur Reinigung der Luft beitragen . So können auch Keime und VIren in der Luft beseitigt werden. Diese Art der Räucherungen gab es auch schon bei den Germanen, den Wikingern und andere Völkern rund um die Welt.
    Interessant sind auch die aus Runen tafeln gewonnen Texte.

  • Vor 2 Jahren

    Der letzte Absatz ist aber einfach nur yikes und keine wirkliche Antwort auf die Frage, ob sie ihre Musik als Einladung für Rechte (Esoterik) sehen. Dass die Band nun mal heute und nicht zur Zeit ihres Gegenstandes existiert, sollte man sich schon mit diesen Einflüssen und Verbindungen auseinandersetzen. Es hat keinen luftleeren Raum zwischen der Zeit der Vikinger und 2014 (Gründungjahr von Heilung) gegeben in dem sich die Band, ihre Künstler*innen und ihre Musik ausgebildet haben.

    Die Frage dann auch noch damit abzuweisen, dass sich "Christentum und *seine* politischen Sprösslinge in die nordeuropäische Mentalität *vergewaltigt* und gebrannt" hätten, wirft einige Fragen und stellt weitere problematische Bezüge auf. Bestenfalls fehlt den Künstler*innen die dringend notwendige politische Bildung, dass sie solchen Dünnpfiff von sich geben. Schlimmstenfalls tragen sie die häufig von "Asatru"-Anhängern [ich weiß nicht, ob die Band sich dem verbunden fühlt] getragene Idee der invasiven Religionen Leumund, die einen dezidiert rechten Charakter hat und nur eine fadenscheinige Decke über den darunterliegenden Fremdenhass legt.

    Ich möchte niemandem den Genuss der Musik vermiesen, würde mir aber eine kritischere Auseinandersetzung des Musikjournalismus und ein entschiedeneres Nachfragen bei oder Positionieren der Band wünschen.

    • Vor 2 Jahren

      Rifraf, macht Dir diese Musik Angst? Das glaube ich, die Musik berührt deine fremde Anteile, das macht Dir Angst, weil das Fremde in Dir aufkommt... lasse es keimen, wache auf.

    • Vor 2 Jahren

      "Ich darf Sache X nicht gut finden, weil Rechte sie mögen könnten/weil Rechte sie sich aneignen"
      Und ihnen dann das Feld überlassen, sobald sie sich positiv über etwas aussprechen? Einfacher kann man es ihnen nicht machen. Schafft ihnen einen gewissen Safespace

  • Vor 10 Monaten

    An die Band Heilung ich Brauche Hilfe bei der Bedeutung des Asenstern, da Maria Franz an der Uni Oslo Studiet hat, könnte ich mir vorstellen das sie sich damit auskennt und mir Helfen könnte.