laut.de-Kritik
Herbert schlägt den Schellenkranz mindestens so salopp wie Liam Gallagher – und beherrscht dazu noch ein Instrument.
Review von Erich RenzFernab von Blue-Ray und High-End-Quality erscheint Herbert Grönemeyers hervorragend-grobes Megapixel-Szenario "Ö-Tour '88" nach dem Tod der Videokassette nun auf DVD. Die Filmaufnahmen seien ohne zusätzliche Ausleuchtung, die Tonaufnahmen ohne Nachkorrekturen im Studio entstanden, liest man im silbernen Booklet. Was bleibt, ist ein Mitschnitt aus dem Konzert in der Kölner Sporthalle am 29. Juni 1988 und eine "schöne Erinnerung an die Ö-Tour".
So lange wie dieser Auftritt her ist, so lange erinnert man sich nicht mehr an die Bandspurqualität eines abgespulten Videos. Eins aber ist geblieben: Bis heute hat sich das Bild des Musikers Grönemeyer kaum geändert. Es ist immer noch wie in dem Musikvideo zu "Bochum" auf dem DVD-Bonusrestpaket: Alles dreht sich um den Elementarplaneten Grönemeyer.
Wenn "Terra Herbie" schwächelt oder seine irdische Stellvertretung Herbert nur kurz den Refrain außer Acht lässt, greift das Publikum nach ihm. Auch wenn er sich in den Ansagen väterlich bemüht, seine brüchige Stimme zu entschuldigen, gibt es da einfach nichts, was nach Heiserkeit schreien würde. In keinem der zwölf Lieder steigt er in schiefe Lagen oder bringt sich in die leiernde Bredouille.
Das Stereotyp des Konsonantenveräußerers ("Bchm ch kmm s dr") oder des verkörpernden Wackersdorfer Steinewerfers hinter der Bühne (obwohl er dort war und gesungen hat), es ist ein leidiges. Grönemeyer schlägt den Schellenkranz mindestens so salopp wie Liam Gallagher – und beherrscht dazu noch vollwertig ein Instrument.
Die Kamera ist nah am Mann und fängt sein 80er Jahre-Format unbehelligt ein. Jakob Hansonis' Gitarre ist bis ins Detail in seinen Chorus-Effekt verliebt und Norbert Hamms Bass erscheint pünktlich genau zum Bassdrum-Einsatz von Armin Rühl. Dazu ein kunstsinniges Signal Gaggy Mrozecks in Form einer Rose, die sich durch die beiden Hälse seiner Doubleneck-Gitarre windet und er ist eingefangen – der musikästhetische Zeitgeist.
Dieser Auftritt ist ein einstimmiges Veto der Grönemeyer-Band (!) gegen die Mitgliedschaft im deutschen Liedermacher-Rat. Frank Kirchners Saxophon leitete zu jenem Zeitpunkt zwar nicht die ersehnte Wende ein, aber der Trend zur Einheit, den hatte diese frappante Combo schon damals in "Tanzen" begriffen – und ist bis heute noch fast derselbe elektrisch-perkussive Spielmannszug geblieben.
So ist die "Ö-Tour" ein 80er-Triptychon aus "4630 Bochum", "Sprünge" und "Ö", aber keine ausschließliche Liebhaber-Kostware oder Götzenverehrung. Dieser Auftritt ist eine Selbstempfehlung und ein Hinweis, dass die Qualität von damals später zwar in Stadien verlegt wurde, dabei aber niemals abgenommen hat.
1 Kommentar
Ö, seine beste Platte!!! Mos Def!!!