laut.de-Biographie
Herbert Grönemeyer
Vor seinen ersten Plattenerfolgen arbeitet er als musikalischer Leiter des Schauspielhauses Bochum und als Filmschauspieler - unter anderem im Welterfolg "Das Boot". In dieser Rolle kennen Herbert Grönemeyer die meisten Deutschen und spätestens seit dem Hit "Männer" aus dem 1984er Album "Bochum" auch als Sänger. Hier beginnt sein Aufstieg als begabter Deutschrocker mit Reibeisenstimme.
Doch es gibt ein musikalisches Leben vor "Bochum". 1979 erscheint sein Debütalbum "Grönemeyer", das der Musiker heute auf Streaming-Plattformen ignoriert. Sein Katalog beginnt dort offiziell mit "Zwo", dem Nachfolger von 1980. Die Anfänge klingen noch sehr unbeholfen, mit einer schlageresk beschwingten Mixtur aus Songwriter-Rock, Disco und Funk. "Zwo" eentsteht im Studio des Krautrock-Experten Conny Plank. Auf dem folgenden "Total Egal" ist es zum ersten Mal primär Grönemeyer selbst, der für die Songs verantwortlich ist. Das kulinarische Heldenepos "Currywurst", entstanden in Kooperation mit Diether Krebs, interessiert zum damaligen Zeitpunkt aber noch niemanden.
Das vierte Album "Gemischte Gefühle" von 1983 enthält den späteren Hit "Musik, Nur Wenn Sie Laut Ist", der aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch verhalten aufgenommen wird. Das Album schafft es mit Mühe auf Platz 43 der deutschen Charts, in der Markthalle Hamburg verlaufen sich auf der anschließenden Tournee aber nur 180 Fans. Grönemeyers Label sieht sich gezwungen, nach diesen vier eher enttäuschenden Alben des singenden Schauspielers die Reißleine zu ziehen. Eine, wie sich herausstellen sollte, folgenschwere Fehlentscheidung.
Der Nachfolger "Bochum" erscheint bei EMI, wo man das eigene Glück wohl kaum fassen konnte: Das fünfte Album des Songwriters geht durch die Decke und erhält in Deutschland, Österreich und der Schweiz mehr als 25 Platin-Auszeichnungen. Grönemeyer wendet sich darauf vom künstlichen Schmonzetten-Storytelling ab und legt den Fokus auf die Geschichten, die ihm vor der Nase liegen: Deshalb und nur deshalb gelten heute nicht einfach nur das Album als solches, sondern auch die Hälfte der Tracks für sich stehend als deutsches Kulturgut ("Männer", "Alkohol", "Bochum", "Flugzeuge im Bauch").
Das vergleichsweise rockige "Ö" legt 1988 mit "Vollmond" und "Was soll das" nach. Das Album klebt 14 Wochen lang auf Platz 1 der deutschen Albumcharts. 1990 erscheint "Luxus", 700.000 Vorbestellungen in Westdeutschland belegen den neu erlangten Superstar-Status des Bochumers. Grönemeyer ist jetzt ein Stadion-Künstler wie Westernhagen. Dorthin lädt er noch vor der Veröffentlichung von "Chaos" die aufstrebende Berliner Band Element Of Crime ins Vorprogramm ein.
In Deutschland ist Grönemeyer seitdem der kommerziell erfolgreichste Musiker. Dementsprechend besuchten seine Konzerte weit über drei Millionen Fans. Außerdem bestreitet er die zwei größten Konzerte, die je ein deutscher Rockmusiker gespielt hat: Wiener Praterstadion mit 50.000 und Berlin-Ahrensfelde (1991) mit 100.000 Zuschauern. Größeres Aufsehen erregt er ebenfalls, als er 1994 als erster nicht englisch singender Musiker eingeladen wird, bei "MTV Unplugged" aufzutreten. Die Aufzeichnung findet in den Potsdamer Babelsberg Studios statt.
Im April 1998 erscheint Grönemeyers neuntes Studio-Album "Bleibt Alles Anders". Die im Anschluss an die Veröffentlichung geplante Tour fällt jedoch privaten Schicksalsschlägen zum Opfer. Wenige Tage nach dem Tod des Bruders Wilhelm im November 1998 verliert Herbert Grönemeyer seine Frau Anna. Die beiden kannten sich seit 20 Jahren, waren seit 1993 verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder. Anna Grönemeyer litt an Brustkrebs und war mehrere Jahre in Behandlung.
Im Frühjahr 1999 holt Grönemeyer die "Bleibt alles anders"-Tour nach und stellt damit fast 600.000 Fans zufrieden. Abgesehen von seinem Engagement für die Neuveröffentlichung der Neu!-Platten hält er sich danach zurück. Privat lebt er überwiegend in England, was ihm hilft, seine Heimat von außen zu betrachten.
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt er damals: "Eine Individualisierung der deutschen Gesellschaft ist unglaublich kompliziert, weil wir alle diese germanische Unterwürfigkeits- und Gehorsamkeitsattitüde in uns haben. Ich auch. Deswegen muss man eigentlich daran arbeiten, dass dieses Land zerrissen bleibt. Deutschland ist ein Land der Mitte. Uns darf nicht allein interessieren, was die Amerikaner wollen. Amerika ist für uns kein Vorbild. Muss es auch gar nicht sein. Es kann ein wunderbarer Freund sein, der in Übersee lebt. Wie der spaßige, entspannte, freiheitsliebende Onkel aus Amerika. Uns muss interessieren, was Europa will. Gesamteuropa kann nur bestehen und ein faszinierendes Gebilde bleiben, wenn es kapiert, dass auch der Osten eine Menge zu erzählen hat."
Im August 2002 erscheint mit "Mensch" sein Comeback. Es entwickelt sich zu einem sensationellen Verkaufserfolg: Fünffach-Platin, Platz eins in den deutschen Charts für Single und Album. Grönemeyer sagt zu der Entstehung der Platte, die er in seinem Studio in London aufnimmt, dass er sehr zögerlich, langsam und traurig begonnen habe, wieder Songs zu schreiben. Er beschreibt das Liederschreiben nach dem Tod seiner Frau als den Versuch, nach einem Unfall wieder laufen zu lernen. Auf die Frage, ob die Platte auch fröhliche Songs beinhaltet, antwortet er in einem Interview: "Unbeschwert in dem Sinne werde ich so wohl nicht mehr werden, aber es ist eine optimistische Platte."
Kurz nach der Fertigstellung von "Mensch" holt der in Berlin inszenierende, amerikanische Theaterregisseur Robert Wilson Herbert Grönemeyer zurück ans Theater. Dort vertont er die Geschichte der Königskinder Lena (Prinzessin von Pipi) und Leonce (Prinz von Popo). Die sarkastische Georg Büchner-Komödie feiert im Mai 2003 Premiere am Berliner Ensemble und jagt, auch aufgrund der Grönemeyerschen Vertonung, von Erfolg zu Erfolg.
Zwei Jahre nach der Theaterpremiere erscheint "Leonce & Lena" als Hörerlebnis für zuhause. Gemeinsam mit der Theaterband Büchners Erben eingespielt, versucht Grönemeyer "einen Film fürs Ohr zu machen". Anschließend widmet sich der Sänger wieder seinem Label Grönland Records, bevor er im Frühjahr 2006 den Song "Celebrate The Day"/"Zeit, dass sich was dreht" den offiziellen Song zur Fußball-Weltmeisterschaft komponiert. Mit "12" (2007) und "Schiffsverkehr" (2011) erscheinen weitere Studioalben, in deren Anschluss Herbert Grönemeyer auf ausgedehnte Tourneen aufbricht. Nach wie vor spielt der Echo-gekrönte Mann aus dem Pott zuschauertechnisch in seiner eigenen Superstar-Liga.
Dieser heimatliche Ikonenstatus hat dem Wahllondoner aber keine künstlerischen Herausforderung zu bieten. Besonders die ewige Konzentration auf seine Texte verstellen den Blick auf den Komponisten und Sänger. Also her mit internationalen Herausforderungen. Nach der gelungenen Zusammenarbeit mit Anton Corbijn ("The American") spricht alles für eine englisch orientierte Platte. Die im Herbst 2012 erscheinende LP "I Walk" bringt Hits und Nuggets im angelsächsischen Gewand, mit Bono und Antony. Kein lahmer Aufguss, sondern gelungene Alternativen zu den Originalen. Dazu der Spritzer internationalen Flairs in der Stimme. Vom 'Bundesherbie' zum 'Beefeater' - so hört für Grönemeyer die Reise zu neuen musikalischen Ufern längst nicht auf, da bleibt alles "Dauernd Jetzt" (2014).
Der Klassiker "Bochum" wird 2014 im Rahmen eines Radiowettbewerbs um eine Strophe erweitert. "Du hast den Ruß abgewaschen / und deine Öfen sind kalt / doch deine Zechen sind voll Leben / hier wird getanzt, gelacht / das Morgen ausgedacht / gefördert wird, was lebt!" In dieser aktualisierten Form bekommt die Lokalhymne der ehemaligen Bergbau-Stadt einen Ehrenplatz auf dem "Live In Bochum"-Album (2016).
Der Mann mit der Reibeisen-Stimme zeigt weiterhin eine klare politische Haltung. Grönemeyer tritt unter anderem 2015 vor der Dresdener Frauenkirche und 2018 beim Jamel rockt den Förster-Festival auf - beide Male, um ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzten. Eine Botschaft, die auch das 2018er-Album "Tumult" enthält.
Im April 2021 feiert Herbert Grönemeyer seinen 65. Geburtstag. Zu diesem Anlass sammelt GfK Entertainment, die für die Ermittlung der deutschen Charts zuständig sind, noch einmal sämtliche Rekordzahlen des Musikers ein. Demnach ist Grönemeyer mit 74 Nummer-eins-Wochen der am häufigsten an der Spitze der Album-Charts platzierte Künstler. Sein 1988er-Album "Ö" führte die Charts 14 Mal hintereinander an, und damit sogar länger als das Rekordalbum "Mensch" (zwölf Wochen). Insgesamt 13 Grönemeyer-Platten landeten auf Platz eins, auch sein bis dato letztes Werk "Tumult".
Die geplante Jubiläumstournee zum 20. Geburtstag von "Mensch" fällt 2022 leider wegen einer Corona-Erkrankung des Musikers kurzfristig ins Wasser. Dafür dürfen sich Grönemeyers Anhänger auf ein neues Album freuen. "Das ist los" erscheint am 24. März 2023, der Vorabsong "Deine Hand" bereits im November 2022.
3 Kommentare
Bei dem Genöle möchte man sich umgehend erbrechen.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Ihr habt das Album "Sprünge" vergessen.
Kinder an die Macht....