Er sagt, er braucht kein Navi, kein Mitgefühl, keine Tränen – doch mit seinem neuen Song zerlegt Apache das Männerbild, das so viele innerlich kaputtmacht.

Mann-Heim (lru) - Mit "Mann Muss", der dritten Single aus dem am 28. August erscheinenden Album "21 Gramm", liefert der Mannheimer Rapstar Apache 207 erneut ab. Die Hook lädt zum lauten Mitgrölen ein. Gleichzeitig bringt er eine ordentliche Portion Gesellschaftskritik mit, verpackt in Swagger, Stereotype und Schmerz.

"Ich rannte mal in ein brennendes Haus wie ein Feuerwehrmann / Doch alle Beweise dafür, die sind leider verbrannt" so beginnt der Song, und damit ist eigentlich schon alles gesagt. Der Musiker spielt den Alpha, den harten Typen, der nie weint, außer vielleicht beim Zwiebelschneiden. Aber: Das ist alles Pose. Das ist alles Performance. Und genau darum geht es.

Er listet auf, was Männer vermeintlich "müssen", zerpflückt Männlichkeitsmythen von innen, mit einem Grinsen, aber auch mit Wut im Bauch. Denn während die Gitarren irgendwo zwischen Michael Jackson-Feeling und 2019er-Apache-Gänsehaut pendeln, erzählt er vom permanenten Druck, stark zu sein. Für die Familie. Für sich selbst. Für die Gemeinschaft. Für niemanden, der je gefragt hat.

"Niemand hat mich gefragt, aber das ist egal, ich tue alles für uns."

Im Video sehen wir eine Familie: Mutter, Vater, Tochter, Sohn. Alles wirkt klassisch, fast zu klassisch. Die Jungs werden in das "Mann - Heim" geschickt, so eine Art paramilitärisches Bootcamp für toxische Maskulinität. Uniform, Drill, Härte. Keine Tränen, keine Schwäche. "Richtige Männer" halt.

Was den Track so stark macht: Er klärt auf, aber nicht belehrend. Keine sozialpädagogische Ansprache, sondern relatable Lines mit bitterem Nachgeschmack. "Ich erzähle meinen Enkeln später, dass es niemand Stärkeren als mich gab. Denn genauso hat es mir mein Opa damals auch schon von sich gesagt"

Damit sind wir beim Kern: Es ist ein Generationending. Ein Bild von Männlichkeit, das über Jahrzehnte weitervererbt wurde und an dem Männer genauso kaputtgehen wie alle anderen. Am Ende wird es ernst: Die Nummer der Telefonseelsorge wird eingeblendet. Kein Gag. Kein Augenzwinkern. Nur die Realität. Und davor: die Statistik. 85% der Morde, 73% der Suizide in Deutschland – von Männern. Das ist kein Zufall, das ist ein struktureller Missstand.

Was der Künstler hier anspricht, wurde im Rap lange ignoriert: Männer sind nicht nur Täter, sie sind auch Opfer patriarchaler Strukturen. Aber was wichtig ist, sie sind nicht einfach "unschuldig reingeboren". Sie reproduzieren das System oft selbst, geben es weiter auch, weil sie glauben, keine Wahl zu haben.

Doch diese Wahl existiert, der Ausstieg aus diesen Mustern ist möglich. Feminismus ist dabei kein Feindbild, sondern vielleicht sogar der Rettungsring. Gleichberechtigung entlastet auch Männer aber nur, wenn sie bereit sind, sich zu öffnen. Und ja: Zur Therapie zu gehen. "Gehe nicht zur Therapie, weil es nicht an mir liegt. Es ist wie ein Fluch, schon seit tausenden Jahren Dafür stehen wir mit unsern Namen."

Gefühle gelten immer noch als "weiblich", Schwäche als Tabu. Die Folge: Einsamkeit, Sucht, Gewalt, Radikalisierung. Die Datenlage ist eindeutig und erschreckend. Alleinsein macht Männer krank. Und manchmal auch gefährlich. Oft wird auch hier die Verantwortung bei Frauen gesucht, ein reflexartiger Schuldzuweisungsmechanismus, von dem wir uns dringend lösen müssen. Stattdessen braucht es den Mut, das Problem an der Wurzel zu erkennen.

Was Apache hier loslässt, ist Teil einer neuen Bewegung im Rap. Auch Artists wie Apsilon im Lied "Baba", Ramzey auf seinem Album "Jiggos weinen nicht" oder Symba mit "Playboys weinen auch" zeigen Verletzlichkeit. Nicht als Stilmittel, sondern als Notwendigkeit.

Natürlich findet diese Entwicklung nicht nur im Rap statt. Herbert Grönemeyer hat es schon vor über 40 Jahren mit "Männer" vorgemacht.

Am Ende bleibt die wichtigste Line: "Mann tut, was Mann muss" aber vielleicht ist das, was ein Mann wirklich tun sollte, einfach mal zu fühlen. Sich zu öffnen. Nicht nur für sich. Sondern auch für den Sohn, den Bruder, den Kumpel. Oder für den Vater, der nie sagen konnte, was ihn belastet hat.

Denn klar: Eine Lied zu machen, reicht nicht. Aber irgendwo muss man anfangen. Und wenn Apache diesen Anfang liefert, im Mainstream, mit Gitarren und Pathos, dann ist das verdammt nochmal mehr als viele andere tun. Männer, hört zu. Und wenn ihr es nicht versteht, hört es euch nochmal an.

Diskutiert respektvoll. Und wenn ihr mit Dingen kämpft, über die ihr sprechen wollt, holt euch Unterstützung. Kostenlose Hilfe bekommt ihr hier: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222

Fotos

Apache 207 und Herbert Grönemeyer

Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Presse) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Presse) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Alex Klug) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Lisa Wassmann) Apache 207 und Herbert Grönemeyer,  | © laut.de (Fotograf: Lisa Wassmann)

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laut.de-Porträt Apache 207

Man muss sich gar kein großes Image konstruieren, wenn man mit einem Frame schon alles nötige kommuniziert: Da sieht man einen großgewachsenen Typen …

4 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 20 Stunden

    Auf jeden Fall ein leidenschaftlicher Appell auch flächendeckend an alle Nerds und Normalos da draußen, die für solche Themen nochmal viel Unempfänglicher sind und es nicht begreifen wollen, dass es nicht um Leistung oder Oberflächlichkeiten geht, sondern darum, sein Herz auszuschütten und auch dafür entsprechend charakterlich gewürdigt zu werden. Ein Versuch wäre es endlich mal wert. Denke, das wäre genau das, was ein Therapeut auch sagen würde.

  • Vor 18 Stunden

    Vielleicht mal aufhören, Instinkte pauschal als Konstrukt zu betiteln und Gegeninstinkte zu kapitalisieren, um etwas, das eigentlich als Symbiose da ist und sich gegenseitig beeinflusst, auf die vermeintlich moralisch richtige Seite zu reduzieren und alle gewaltsam (moralisch wie haptisch) dort hin prügeln zu wollen?

    • Vor 15 Stunden

      E.
      Kel.
      Haft.

    • Vor 2 Stunden

      Steinsüppchen und Yukonschatz, wenn ihr euch bereits durch einen solch harmlosen Track zu irgendwas „geprügelt“ fühlt (Gefühle? Ekelhaft, fragt Duri!), dann seid ihr unnatürlich verweichlichte, instinktlose, schwule Mädchen.

    • Vor einer Stunde

      Was für Instinkte und "Gegeninstinkte" eig?

    • Vor einer Stunde

      Ich glaube, er meint das Liebesspiel zwischen den Geschlechtern und das, was das einzelne Geschlecht so triggert. Also, dass es zum Beispiel möglich sein könnte, dass Frauen sich von Männern hingezogen fühlen und diese auch selektieren mit ihren dazugehörigen Eigenschaften und umgekehrt natürlich. Leider hat er keine Belege dafür geliefert.

    • Vor einer Stunde

      Ich habe den Track bislang nicht gehört, hab auch nichts gegen Apache. Stimme Steinsuppenkochs in meinen Augen genereller Aussage/Feststellung zu. Wer jetzt Apache nach diesem Track, bzw. den Zeichen, die er hier setzten will, ganz toll findet und auf der richtigen Seite sieht, sollte für sich die Frage klären, wie er/sie damit umgeht und es bewertet, wenn Apache weiter "Roller" performt. Hier ein kleiner Auszug:
      Wenn man der Sache auf den Grund geht, merkt man, das ist in der Tat nicht so
      Ruf doch, wen du willst, von mir aus kannst du auch dein'n Papi hol'n
      Schwänze lutschen ist bei euch kleinen Pissern doch Tradition, mach nicht so
      Party-Hoes seh'n mich im Unterhemd, schiel'n zu mir rüber, sie checken mein'n Body aus
      Bitch, 105 Kilogramm Definition ohne Kardio

    • Vor 44 Minuten

      Der Track (und der Bericht darüber) besagen, dass es gesünder ist, wenn Mann nicht immer nur „den Harten“ markiert, sondern sich auch mal mit Gefühlen, die darüber hinausgehen, auseinandersetzen darf. Und Steinsuppe erwidert dazu irgendwas von „Instinkten“ und du, Yukon, stimmst ihm zu. Ich checke es nicht. Soll es ein „Instinkt“ (Steinsuppe meint wahrscheinlich so was wir die „Natur des Mannes“, als ob alle Männer annähernd gleich wären) sein, sich nicht mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen? Und selbst wenn das so wäre: wäre das angesichts der wohl unbestritten negativen Folgen davon, die eigenen Gefühle wegzudrücken/immer für sich zu behalten, wünschenswert?

    • Vor 14 Minuten

      Richtig, Gefühle grundsätzlich wegzudrücken/immer für sich zu behalten ist nicht wünschenswert. Finde ich auch gut, dass und wenn Männer das ändern und das Zulassen und Zeigen von Gefühlen mehr und mehr hinkriegen (wollen). Und natürlich spielen Sozialisation und kulturelle Aspekte etc. eine bedeutende, bzw. die bedeutende Rolle. Weder Männer noch Frauen sind rein von der Biologie/von Hormonen etc. gesteuert. Gleichzeitig sollte man sie nicht komplett ausklammern, weil sie eben nicht irrelevant und Teil mehrerer Einflussfaktoren sind.
      Ich denke, dass das unbestritten ist, und dann sollte man dem halt Rechnung traten.
      Wenn ich dann sehe, wie doll sich Rezensent/in freut und hier so ne extatische Rezi raushaut, obwohl der Künstler, wenn man sich andere Texte von ihm ansieht, echt nicht stringent die hier gelobhudelte richtige Haltung transportiert, dann muss ich mich drüber lustig machen, was sonst?
      Ich hab nichts gegen Apache, würde selbst so manche Zeilen nicht bringen, aber kann damit leben, fertig.
      Wenn er jetzt so einen Song und so eine Message raushaut - alles cool. Wer ihn jetzt deshalb aber hochstilisiert und das so doll will, dass er oder sie andere Zeilen von ihm, die er oder sie eigentlich hasst und den Künstler entsprechend abwerten müsste, nicht bewertet...dann ist das halt lächerlich.

    • Vor 3 Sekunden

      Okay, den Gedanken, Yukon, verstehe ich - wenn ich ihn auch nicht teile. Es geht aus meinet Sicht um den einen konkreten Track. Ich bin skeptisch, schnell zu sagen, es müsse alles im Gesamtkontext (der anderen Lieder) gesehen werden. (Was ein tendenziell linkes Argumentationsmuster ist, welches ich oft problematisch finde.) Ich freue mich, dass gerade er, der ja sonst durchaus mit maskulinen Klischees daherkommt (spielt?), so einen (wirklich harmlosen) Track raushaut. Ist doch klar, dass er dadurch nicht zum Superhelden mutiert. Warum auch?
      (Über Gefühle hat er schon immer getextet, leider betont eindimensional, siehe die letzten Rezessionen zu seinen Albungs).

  • Vor 16 Stunden

    Niemand, der sich in einer toxischen Maskulinitätsbubble bewegt wird sich für Apache oder dieses Lied interessieren.

  • Vor 14 Stunden

    Richtig starker Track, WOW! Apache ist bislang tatsächlich weitestgehend an mir vorbei gegangen. Umso mehr flasht es mich gerade, was er hier abliefert.

    • Vor 59 Minuten

      ...jetzt auch noch geflasht?
      "...Ruf doch, wen du willst, von mir aus kannst du auch dein'n Papi hol'n
      Schwänze lutschen ist bei euch kleinen Pissern doch Tradition, mach nicht so..."

    • Vor 10 Minuten

      Und auch hier, Yukon, die wiederkehrende Frage: was folgt daraus? Was folgt daraus, dass Apache in der Vergangenheit - vielleicht auch aktuell und in Zukunft - Texte über Bitches, Side-Bitches, also Frauen zum Objekt machende Texte performt? Dass er vom Schwanzlutschen gesungen hat? Deine zitierte Textstelle vom Schwanzlutschen steht nach meinem Verständnis in der (schlechten) Tradition von „faggot“, „schwul“ etc als Beschimpfung. Darf Duri dann nicht den aktuellen Track gut finden? Also ich möchte nicht nach meinen 10 übelsten Aussagen meines Lebens insgesamt und für immer bewertet werden. Vermutlich würde dann niemand mehr mit mir sprechen, wenn daraus ein Sprechverbot/eine immerwährende Bewertung folgen würde. Wenn mir immer entgegengehalten würde, was ich an anderer Stelle gesagt hätte. Wie sieht es bei dir aus?

    • Vor einer Minute

      Sehe ich genauso wie Du, bezweifle aber, dass jemand wie Duri das auch tut. Deshalb provoziere ich ein bisschen. Vielleicht liege ich falsch, glaube ich aber nicht.