Porträt

laut.de-Biographie

Insane Clown Posse

Sie gelten als eine der meistgehassten Bands der Welt. "Pubertär, primitiv, gewaltverherrlichend!", krakeelen ihre Gegner - und haben nicht genau hingesehen. In der Insane Clown Posse bekommt man es mit einem weit komplexeren Phänomen zu tun, als der erste Blick ahnen lässt.

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Eine ergebenere Fangemeinde muss man lange suchen. Die Anhänger der Insane Clown Posse bezeichnen sich als Juggalos. In einigen amerikanischen Bundesstaaten, darunter Utah und Arizona, genießen sie den Status einer Gang. Sie sind manchem Ordnungshüter - religiösen Eiferern sowieso - ein Dorn im Auge. Auch diese haben nicht genau hingesehen.

Um eine Idee davon zu bekommen, wie und warum ein Horrorcore-Rap-Duo aus Detroit Gemüter weltweit erhitzt und spaltet, ohne jede Unterstützung seitens Radio- oder Fernsehsendern Charts-Rekorde bricht, über mehr als ein Jahrzehnt hinweg ihre Hörerschaft mit der Fortsetzungsgeschichte ihrer "Joker's Cards" bei der Stange hält und nebenbei noch eine eigene Wrestling-Liga aufzieht, lohnt ein Blick hinter die schwarz-weiße Gesichtsbemalung.

Joseph 'Joe' Bruce und Joseph 'Joey' Ustler unternehmen die ersten Schritte im Rap-Zirkus Mitte der 80er Jahre zusammen mit Joeys Bruder John. Man nennt sich Inner City Posse, wirft sich in Hustler-Pose und bringt - nach Konfrontationen mit alteingesessenen echten Gangs - in bester Straßendealer-Manier Hip Hop-Tapes unters Volk.

Alex Abbiss, Plattenhändler vor Ort, nimmt sich der Truppe an. Er fungiert als Manager und gründet zusammen mit den beiden Josephs das Label Psychopathic Records. John steigt bald wieder aus. Weder besonders begnadet noch besonders originell stehen die Erfolgsaussichten für die Inner City Posse schlecht.

Noch ehe man abgehoben hat, scheint der Karrieretiefpunkt bereits erreicht - als eine Legende ihren Anfang nimmt. Joe, so besagt die Mär, ereilt im Traum eine Vision: Ihm erscheint der Geist des "Dark Carnival" und weist ihm den Weg.

Joe und Joey ändern den Namen ihrer Crew in Insane Clown Posse, nennen sich selbst fortan Violent J und Shaggy 2 Dope, legen Schminke auf und starten ihre Mission: "There will be six faces of the Dark Carnival. After all six have risen, the end of time will consume us all." So steht es geschrieben, so soll es geschehen.

Sechs Konzeptalben kündigen die Clowns so an. Deren erstes, "Carnival Of Carnage", erscheint 1992 und eröffnet einen Reigen von Bildern, Mythen und Rätseln, der über die Jahre stetig ausgebaut werden soll.

Die Joker's Cards führen in eine Zwischenwelt zwischen Leben und Tod, in der über das Schicksal der Seele entschieden wird. Gut versteckt zwischen derber Sprache und oft stark Rock-lastigen Haudrauf-Beats erteilt die Insane Clown Posse Ratschläge, lässt Warnungen ab und bereitet so auf ihre Version des drohenden Jüngsten Gerichts vor.

Ganze 17 Exemplare von "Carnival Of Carnage" verkaufen sich am Veröffentlichungstag. Trotzdem gelingt es irgendwie, für "The Ringmaster" einen Deal mit Jive Records an Land zu ziehen. Die spinnerten Brutalo-Rapper sind plötzlich Labelgenossen von Britney Spears, der Backstreet Boys, N Sync oder R. Kelly.

Auszahlen soll sich das nicht: Bei Jive engagiert man sich so gut wie gar nicht für die ICP, die die Fäden selbst in die Hand nimmt. Um die dritte Joker's Card, "The Riddle Box", zu promoten, werfen sie einen Dartpfeil auf eine Landkarte - und machen sich auf den Weg nach Dallas.

"Du kannst es auf zwei Arten schaffen", so Violent J. "Es gibt Eminems oder Kid Rocks Weg, bei dem du eine Hitsingle machst, auf die die Radios anspringen. So macht es fast jeder. Oder du machst es wie wir, gehst den ganzen verdammten Weg zu Fuß und reißt dir den Arsch auf."

"Du willst eine Million Fans? Das ist leicht: Du musst zu einer Million Kids hingehen, ihnen einen Flyer geben, einen Sampler und ihnen sagen: 'Kauf das Album, das ist heißer Scheiß.' Du kannst auch darauf warten, dass irgendein Radiosender oder MTV das für dich erledigt. Aber der sichere Weg ist, die lange, beschissene Straße zu nehmen und dich verdammt noch mal auf niemanden zu verlassen als auf dich selbst."

Die mühselige Arbeit zahlt sich aus, die Saat geht auf: Entlang des Weges der Insane Clown Posse sprießen - nicht zuletzt dank der farbenfrohen, zirkusreifen, energiegeladenen Live-Shows - Juggalo-Gemeinden aus dem Boden. "Down with the clown!" avanciert zum Schlachtruf und zum Glaubensbekenntnis.

Bei Jive sieht man das mit Vergnügen: Die Clowns machen die Arbeit, das Label streicht den Gewinn ein. Es bedarf mühsamer Verhandlungen, um Violent J und Shaggy 2 Dope aus dem Vertrag zu befreien. Für die nächste der Joker's Cards kommen sie bei Hollywood Records unter - die gehören zum Disney-Konzern.

"The Great Milenko" erweist sich als noch Rock-lastiger als die Vorgänger. Unter den Gästen finden sich Alice Cooper, Steve Jones von den Sex Pistols und Slash. Davon bekommt nur niemand etwas mit: Die Platte landet zunächst gar nicht in den Regalen, da man sich mit Disney weder auf Songauswahl noch das verwendete Vokabular einigen konnte. Obwohl die Platte fertig, eine Tour gebucht ist, droht das Label mit Nicht-Veröffentlichung.

Praktischerweise zetteln religiös motivierte Aktivisten einen Boykott gegen Disney an, da deren Ableger ABC sich erdreistet hat, mit "Ellen" einer homosexuellen Komikerin eine Plattform zu bieten: Skandal! In diesem Zusammenhang kommt auch die Verquickung mit der Insane Clown Posse ans Licht. Mickey Maus im Bett mit Macheten schwingenden Killer-Clowns: doppelter Skandal!!

Für ICP wirkungsvollere Promo, als man sie sich hätte erträumen können. Plötzlich ist man in aller Munde und in den Schlagzeilen - zwar verkannt als "neue Band genannt 'Insane Clown Posse', bestehend aus zwei weißen Rappern, die aussehen wie Kiss mit Clowns-Gesichtern und gefeuert wurden, weil sie versuchten, über Disney ein obszönes Album heraus zu bringen" - aber wer will da schon wählerisch sein?

Plötzlich reißen sich die Labels um ICP, Island erhält den Zuschlag. "The Great Milenko" hält sich - ohne jedes Airplay im Radio oder bei MTV - ewig in den Billboard-Hitlisten, erreicht mühelos Platin-Status und markiert den bis dato größten Erfolg der Band.

Mit "The Amazing Jeckel Brothers", unter anderem mit Beteiligung von Snoop Dogg und Ol' Dirty Bastard, setzen ICP noch einen drauf und landen gleich neben den Backstreet Boys auf Platz 4 der US-Alben-Charts. Auch dies ohne jede Medienunterstützung - ein musikindustrielles Wunder.

Doch auch mit Island gibt es Probleme. Den Abschluss der "Dark Carnival"-Saga möchten ICP hier nicht herausbringen. Diverse EPs, Compilations sowie das Doppelalbum "Bizarr/Bizaar" helfen, den Vertrag zu erfüllen.

Die sechste und letzte der Joker's Cards erscheint in zwei Fassungen: 2002 löst "The Wraith: Shangri-La", die Version für die rechtgläubigen Juggalos, alle Rätsel, Andeutungen und Mysterien auf - auch, was es mit der stetig wiederholten Widmung "Dedicated to the butterfly" auf sich hat.

"When we speak of 'Shangri-La', what you think we mean? Truth is we follow GOD, and have always been behind him. The Carnival is GOD and may all Juggalos find him!" Ach, was!? "We ain't sorry if we tricked you", schallt es aus dem Chorus.

"Hell's Pit" beschließt die Geschichte 2004, zwölf Jahre, nachdem sie ihren Anfang nahm, endgültig und illustriert die Schrecken der Hölle, die all jene erwartet, die nicht den rechten Pfad Richtung Shangri-La eingeschlagen haben.

Die Botschaft einer Band, versteckt in dreckiger, unreifer, gewalttätiger Sprache, lautet: Vertrau' auf Gott, sei ein guter Mensch, das erstrebenswerte Ziel ist die Rück-Erlangung der kindlichen Unschuld.

Ironie, hallo? Autor Phoebus Apollo, der sich mit der Geschichte der ICP auseinandergesetzt hat, resümiert mit den Worten der Clowns: "Sie haben uns alle reingelegt - und es tut ihnen nicht leid."

"From Carnival of Carnage to Hell's Pit, may all six Joker's Cards rest comfortably in time. Thank you all for listening.", spricht das Booklet von "Hell's Pit".

Alle Joker sind ausgespielt - das Ende der Insane Clown Posse? Weit gefehlt: "Violent J und Shaggy motherfuckin' 2 Dope werden immer für die Juggalo Nation weltweit Musik machen, und wir werden niemals damit aufhören."

Die "Dark Carnival"-Zeiten sind vorüber, die Diskografie wird vermeintlich (!!) ganz normal fortgesetzt. Aber merke: nie ist alles so, wie es scheint. Also Obacht! Neben der Insane Clown Posse sind ihre Akteure in verschiedenen anderen Projekten involviert, versuchen sich als Schauspieler und als Wrestler, gründen sogar ihre eigene Liga, Juggalo Championship Wrestling.

In ihrer Single "Miracles" feiern die beiden 2010 die Magie des Alltags - was ihnen unter Hatern reichlich Hohn und Spott beschert. Denen sei gesagt: Wer zu staunen verlernt hat, kann tausendmal naturwissenschaftlich versiert erklären, wie "motherfucking magnets work", wie Lichtbrechung funktioniert oder die Mendelschen Vererbungsgesetze greifen. Er bleibt trotzdem eine arme Wurst.

2012 bekommt die Rap-Posse Zuwachs in Form eines neuen Albums. "The Mighty Death Pop!" kredenzt wieder das sympathisch Verrückte und das macht verdammt viel Spaß!

Vier Jahre später erhalten die Clowns endlich ihre Würdigung durch ein Buch. Steve Millers "Juggalo: Insane Clown Posse And The World They Made" zeichnet vorurteilsfrei ein Bild einer verkannten Szene, die er als eine der letzten echten amerikanischen Subkulturen ausgemacht hat.

Dass weite Teile einer Jahrzehnte währenden, wegweisenden Karriere im Underground-Horrorcore(!)-Rap einem Schmetterling gewidmet sind, den ein Siebenjähriger vor langer Zeit versehentlich getötet hat, wird jemand, der verlernt hat, seine Umwelt mit Kinderaugen zu betrachten, ohnehin nicht verstehen.

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Surftipps

  • Offizielle Homepage

    Bei Clowns zu Hause.

    http://www.insaneclownposse.com/
  • Facebook

    Motherfucking social network, bitch.

    https://www.facebook.com/INSANECLOWNPOSSE/?fref=ts

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