12. Juli 2022
"Coolness ist mir egal"
Interview geführt von Jasmin LützJochen Distelmeyer im Interview über gestörte Beziehungen, Platten-Partys und die anstehende Tournee.
Jochen Distelmeyers neues Soloalbum "Gefühlte Wahrheiten" erscheint zu einem Zeitpunkt, der passender nicht sein kann. In Zeiten von Pandemie, Krieg und Naturkatastrophen sind Jochens Liebes- und Lebenshymnen genau die richtigen Wegbegleiter in der Krise.
Wir treffen uns einen Tag vor Release bei Sony Music im Dark Room. Keine Angst, so hieß nur der Besprechungsraum, aber verleitet natürlich zu einigen Wortspielen. Damit kennt sich Jochen sowieso gut aus.
Darf man dir jetzt eigentlich schon zum neuen Album gratulieren? Oder bringt das Unglück?
Jochen: Das weiß ich gar nicht.
Beim Geburtstag sollte man das nicht tun.
J: Nee, das macht man auch nicht. Dann warte lieber noch ab.
Aber man kann dir schon zu den drei bisher erschienenen Videos ("Ich Sing Für Dich", "Zurück Zu Mir" und "Im Fieber") gratulieren.
J: Das darf man auf jeden Fall.
Wie ist es zu der Umsetzung der Musikvideos gekommen? Hast du da schon Bilder im Kopf, wenn du den Song komponierst, oder kommen die Ideen erst später?
J: Wenn ich das Stück komponiere, nicht. Meistens auch nicht, wenn ich die Lieder aufnehme, obwohl ich bei "Komm (So Nah Wie Du Kannst)", als der Mix fertig war, sofort ein Bild und die Geschichte dazu hatte. Dann ist es mir auch wichtig, dass man das umsetzt. Bei „Ich Sing Für Dich“ gab es eine Überlegung dazu und später kam die Idee. Ich wachte morgens auf und hatte dann diese Idee im Kopf und die wollte ich zusammen mit Sven Sindt (Regie, Kamera, Schnitt) umsetzen. Das hat dann auch funktioniert. Die ersten drei Videos sind in Kiel gedreht worden. Dort war ich dann Straßenmusiker. Ich durfte im wunderbaren Maritim Hotel spielen mit Blick auf die Kieler Förde und dort auch nächtigen. Dann hatten wir noch diesen wundervollen Sonnenaufgang morgens und ich dachte nur: Wahnsinn, was für ein Geschenk (s. "Im Fieber"). Keine zwei Wochen später stand dann schon das nächste Video an.
Das ging ja ratzfatz.
J: Das ging rasend schnell. Und dann bin ich wieder nach Kiel gefahren.
Kiel, weil Sven dort herkommt?
J: Genau. Er hat dort sein Produktionsbüro und kennt da ganz viele Leute, die teilweise auch im ersten Video mitspielen. Felix (Felix Stade) sei hiermit ganz herzlich gegrüßt. Er ist auch später in "Zurück Zu Mir" in der Liebesszene zu sehen. Das war eigentlich wie auf einer Glückswelle. Ich bin die ganze Zeit auf einer Woge aus Geschenken gesurft. Ganz toll.
Und dann gibt es auch in allen Videos immer so einen kleinen Überraschungseffekt.
J: Du meinst die Katzenbabys?
Zum Beispiel. Da muss man auch erst mal draufkommen.
J: Das war eine kecke Idee von Sven im Schnitt. (lacht) "Im Fieber" ist gemeinschaftlich im Telefonat entstanden. Ich hatte Bock auf ein Performance-Video mit Band und wollte dann mit einer Frauenband zusammenspielen. Den Chor aus dem Stück davor ("Zurück Zu Mir") quasi, weitergeleitet. Und dann meinte Sven zu mir: Komm doch noch mal nach Kiel. Also war ich zum dritten Mal in Kiel und warte seitdem auf den goldenen Schlüssel des Maritim Hotels. (lacht)
War da auch der Rummel in Kiel, waren das die Kieler Wochen?
J: Nee, die sind jetzt erst ... Du siehst, ich bin sehr gut informiert, was die Kieler Belange betrifft. Nein, auch das war Fügung. An dem Drehtag war Wochenmarkt und dann rief Sven mich an: Du, die bauen hier den Jahrmarkt auf.
Super Kulisse.
J: Ganz wundervoll, ich kann nicht klagen.
Und die Songs kommen auch schon richtig gut an. Liest du YouTube-Kommentare?
J: Nein, aber ich hörte davon. Vielleicht sollte ich das mal tun? Ansonsten teilen mir die Leute in meinem Umfeld das mit. Aber jetzt war gerade das eine Video abgeschlossen und zack, kam das nächste. Vielleicht ist es dann auch gut, mir das nicht alles reinzuziehen.
Was ich bisher mitbekomme ist überwiegend positiv. Generell war die Vorfreude groß auf ein neues Album und natürlich auch die Live-Shows. Das war für dich wahrscheinlich zu Beginn der Pandemie der größte Horror, nicht spielen zu können?
J: Horror nicht. Das war eine Unverschämtheit. Ich hatte dieses Album schon lange vorher fertig geschrieben und im Antizipieren bestimmter gesellschaftlicher Tendenzen, wenn man so will, das Gefühl, dass es genau richtig wäre, dieses Album im Herbst 2020 oder 2021 zu veröffentlichen. Im Studio mussten wir die Aufnahmen dann wegen der Pandemiebestimmungen unterbrechen. Das war schon krass, wie die Stücke in diese Zeit passten. Aus dem Gefühl heraus, wie es bei "Ich Sing Für Dich" heißt, es für die Leute zu machen. Das war keine wirkliche Überlegung, solange nicht klar war, dass man auf Tour gehen kann. Mit der Aussicht, dass man jetzt im Herbst wieder Konzerte spielen kann, ist es eben erst jetzt erschienen. Auch irgendwie durch eine strange Fügung vom Timing her.
Perfektes Timing, würde ich sagen. Und die Themen spielten bei dir schon immer eine Rolle. Klimakatastrophen, Mensch, Natur und Gesellschaft. Ich habe neulich noch mal "Der Sturm" von Blumfelds Jenseits von Jedem gehört. Der Song ist so aktuell und doch schon über 20 Jahre alt.
J: Der Filmemacher Jean-Luc Godard hat mal gesagt: Er macht Erfahrungen mit dem was in der Luft liegt. Ich glaube, das ist auf verschiedene Formen von Kunstproduktionen anzuwenden. Manche Leute arbeiten so, spüren Tendenzen nach. Ich kann mich noch erinnern, als ich "Graue Wolken" schrieb. Das war ein Bedürfnis, so einem Gefühl nachzugehen: Was ist die Verbindung zwischen Klimawandel, Depressionserkrankung und kapitalistischem Arbeitsverhältnis? Und als einziger Song ist mir zu dem Zeitpunkt "Mercy Mercy Me" von Marvin Gaye als eine Art ökologischer Popsong in Erinnerung geblieben. Das Nichtauftauchen unserer umgebenden Natur und des Umgangs mit ihr in der Popmusik fand ich auffällig. Aber wieso? Das habe ich dann eher antizipiert, als vorher schon gewusst und deswegen entsteht so ein Stück. Jahre später taucht das dann wie in "Im Fieber" wieder auf. Dass der Song dann gerade rauskommt, wo wir hier jeden Tag 30 Grad haben, ist auch crazy. Wir haben mit Hitzephasen zu tun, die man auch als Fieberreaktion des Planeten sehen kann. Überhitzung durch die Lebensweisen menschlicher Gesellschaften.
Es gab schon in den 1980ern das Ozonloch, also die Ausdünnung der Ozonschicht durch FCKW, und da gab es einen kurzen Aufschrei und alle haben panisch ihre Haar- oder Deosprays weggeworfen.
J: Deshalb heißt es bei "Tics" auch „Der Himmel ist kaputt“.
Ah genau, das Blumfeld-Stück von 2006 auf Verbotene Früchte.
J: Welcher Himmel da auch immer gemeint ist. Wie gesagt, ohne dass das von mir eine bewusste Entscheidung gewesen wäre, war es für mich immer schon Gegenstand meines Songwritings. Alles was uns bewegt und berührt. Die Zusammenhänge, in denen wir stehen, ob jetzt gesellschaftspolitisch oder in der Schönheit der Natur. Ein Sturm, in den man hineingerät oder was auch immer, ist Teil dessen, wie wir durchs Leben gehen und das ist es wert, besungen zu werden.
Hast du dich da auch durch wissenschaftliche Literatur informiert?
J: Gar nicht so. Wenn mich Sachen genauer interessieren, dann liest man schon darüber, aber viel passiert auch in Gesprächen. Man sitzt beim Abendessen zum Beispiel mit einem Meteorologen zusammen oder du sprichst mit einem Virologen. Dadurch bekommst du ein anderes Verständnis und Blick auf die Dinge.
"Die unkritische Bereitschaft zum Gehorsam finde ich unschön"
Apropos Virologe: Unser Prof. Dr. Christian Drosten ist ja ein sehr großer Blumfeld-Fan. Hast du sicherlich auch schon tausendmal gehört?
J: Ja, das habe ich gehört.
Hast du ihn denn persönlich getroffen?
J: Nein.
Aber seinen Podcast gehört?
J: Ich habe am Anfang ein paar Mal reingehört, aber dann nicht weiterverfolgt. Ich hatte genügend andere wundervolle Begegnungen in dieser Zeit.
Via Podcast?
J. Nein, draußen, im real life. Zufallsbegegnungen oder scheinbare Zufallsbegegnungen, aus denen sich Freundschaften und Bekanntschaften ergeben haben.
Dann bist du viel spazieren gegangen?
J: Oder ich stand mit einem Becher Kaffee an irgendeiner Parkbank. Sah die Leute auf einmal auch dort stehen, die man sonst nur im Café freundlich gegrüßt hat und so kam man ins Gespräch. Ah, der, den ich immer für einen Architekten gehalten habe, ist eigentlich Musiker.
Das ist auch eine schöne Begegnung.
J: Wundervoll. Ganz toll.
Wie war das bei dir zu Beginn der Pandemie? Du strahlst ja eher Ruhe aus, aber hast du vielleicht doch auch etwas panisch reagiert?
J: Nein, gar nicht. Ich habe natürlich am Anfang nicht gewusst, wie ich das für mich einschätzen soll. Auch für die Leute in meiner Familie, die deutlich älter sind oder Vorerkrankungen haben. Da macht man sich natürlich Sorgen und schaut, wie man die schützen kann. Nach drei, vier Monaten bin ich dann zu meiner persönlichen Einschätzung dieser Situation gekommen. November 2019 haben wir die erste Aufnahmesession für das Album gehabt. Alles lief super und ich dachte nur, wie geil. Im März 2020 hätte der nächste Schwung aufgenommen werden sollen und da fiel sozusagen das Fallbeil des Lockdowns. Kann man sich jetzt noch mit sechs bis neun Leuten im Studio treffen? Ich fand es vollkommen richtig, dass Großveranstaltungen abgesagt wurden. Die Deichkinder waren noch die letzten aus dem weiteren Umfeld, die noch unterwegs waren, aber in der folgenden Woche waren dann schon alle betroffen und mussten ihre Sachen absagen.
Die Sterne mussten auch mittendrin alles absagen. Momentan hat man ja das Gefühl, alles läuft wieder. Hast du Bedenken, dass es im Herbst wieder Einschränkungen geben wird? Das würde dann auch deine Tour betreffen.
J: Ich glaube, das hängt davon ab, wie sich die Stimmung insgesamt weiterentwickelt und wie die Politik dann auf diese Stimmungslage reagiert. Heute kommt der Evaluierungsbericht der Fachleute raus. Das Bundesgesundheitsministerium verfolgt offensichtlich eine andere Agenda. Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst unterwegs sind, ich habe Bock darauf. Zwei Jahre konnten wir nicht spielen. Generell kamen Formen der Kunstproduktionen zum Erliegen und das sind eigentlich Orte und Momente, in denen Menschen zusammenkommen. Oder Spaß und Trost empfinden. Spannungen abbauen, sich lebendig fühlen können. Ich glaube, es macht viel mit Gesellschaften, wenn man über einen langen Zeitraum von dieser Art der Nähe und Begegnung, die wir brauchen als Menschen, ausgeschlossen ist.
Man hat das ja gesehen: Da kamen die ersten Sonnentage im Frühling, aber es war noch ganz kalt und die Menschen haben sich wie Affen auf irgendwelchen Hügeln zusammengekauert. Ich hatte dieses Bild, wenn man durch die Straßen ging, und überall saßen so kleine scheue Trüppchen von Menschen, die ihre Gesichter in die Sonne hielten. Wie Affen auf einem Affenfelsen. Das ist das, was wir brauchen. Das ist das, was wir sind.
Ich fand es ja für alle Beteiligten schlimm, aber besonders für die jüngere Generation. Die Schüler, die gerade Abi gemacht haben. Studenten, die in eine fremde Stadt ziehen und niemanden persönlich an der Uni treffen, sondern nur online. Letztendlich waren die Partys in der Hasenheide schon voll okay, wo sollten sie es auch sonst rauslassen?!
J: Wo auch immer. Aber das ist das, woran ich grundsätzlich glaube, die wilde Natur der Liebe. Wenn mit einem bestimmten Wetter, denn wir sind wie gesagt Teil dieser Natur, die Hormone einschießen und man raus will, die Nähe braucht und strahlende Gesichter sehen will.
Es wird immer wieder von einer Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Die Coronaleugner laufen jetzt sogar noch durch Mitte. Und in den USA sieht man das ja noch viel deutlicher.
J: Spaltungstendenzen hat es immer gegeben. Und die sind natürlich durch diese neuartige Situation und das Eingreifen und Reagieren der Politik verschärft worden. Das hat auch was mit wirtschaftlichen Zusammenhängen zu tun. Das Auseinanderdriften der Gesellschaft zwischen arm und reich ist ja schon seit vielen Jahren zu beobachten. Durch diese zwei Jahre ist das sicherlich auch noch mal verschärft worden, weil man den Eindruck hat, die Leute können gar nicht mehr miteinander reden.
Für mich ist nicht das Problem, dass jemand eine bestimmte Meinung vertritt, sondern für mich wird es immer dann verdächtig, wenn Leute meinen, sich Figuren anschließen zu müssen, die von mir aus, irgendwelche Organisatoren von Demos sind oder von Leuten, die meinen, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. In beiden Fällen stört mich, unabhängig davon, was inhaltlich erzählt wird, die unkritische Bereitschaft zum Gehorsam. Das finde ich unschön und schwierig. Und das gibt es auf beiden Seiten des Spektrums. Beides Ausdruck einer emotionalen Unmündigkeit der Spätmoderne, die von diesem Wirtschaftssystem begünstigt wird. Die auch befeuert wird durch digitale Kommunikation.
In diesen zwei Jahren sind einige Freundschaften zerbrochen, auch Beziehungen innerhalb von Familien.
J: Ja, schrecklich. In allen sozialen Beziehungen, Freundeskreis oder Familie, wirken die ganze Zeit Kräfte, die nicht von Liebe und Sympathie getragen sind. Das ist normal, keine Ahnung, die Leute regen sich darüber auf, wie das Toilettenpapier eingehängt wird. Weißt du was ich meine? Diese untergründigen Spannungen, die normalerweise in einer lebendigen Begegnung in Bewegung bleiben, verhärten sich und dann kommt das nochmal mehr zum Ausdruck. Psychologisch kann man das als narzisstische Abspaltung bezeichnen. Dann ist man in Krisensituationen nicht in der Lage, Selbstkritik zu üben. Die Leute neigen dazu, sich abzuspalten, also quasi das Negative auf andere zu projizieren. So kommt es zu Sündenböcken.
Passiert letztendlich in jeder Ehe oder Beziehung.
J: Da gibt es eine friedvolle, durch Kompromisse getragene Lösung, manchmal auch durch Anwälte, aber es bleibt hoffentlich in den meisten Fällen auf einer friedlichen Ebene.
Außer in Italien. Da gibt es wohl viele Ehemänner, die ihre Frauen ermorden, habe ich gehört.
J: Harte Themen für ein Musikinterview. Wo sind wir denn jetzt hier gelandet?
Ja, sorry, aber das ist ja auch die Realität.
J: Kein Ding, ey. Deshalb haben ja auch alle so auf die Johnny Depp/Amber Heard-Nummer gestarrt, weil unterschwellig alle wissen, welche Kräfte in Beziehungen wirken. Das ist kein klares Gut und Böse. Beide passen irgendwie zusammen, aus meiner Sicht beide komplett verrückt.
Verrückt auch, dass man das immer in der Öffentlichkeit austragen muss.
J: Das ist wie eine Jahrmarktsituation bzw. Projektion. Die Zuschauer sehen sich das an und sehen ihren eigenen Shit, über den sie selbst nicht reden. Vielleicht ist das nicht immer so extrem wie da. Ein Glück, dass wir nicht so viel koksen. Dann lehnt man sich zurück und schaut sich das einfach an. Diese Stellvertreterfunktion, die diese Klatsch- und Tratsch-Nummern gesellschaftlich erfüllen. Das ist offensichtlich. Wie kann ich das für mich nutzen, um eigentlich zu denken, ich mache alles richtig.
"Vom vielen Üben wird man nur gut im Üben"
Letztendlich geht es immer darum, besser auszusehen und die sozialen Medien fördern das. Irgendwie alles schlimm. Die grauen Wolken werden immer dichter?
J: Bei mir nicht.
Bist du eher ein positiver Mensch, also ich bin jetzt auch kein negativer ...
J: Du machst auch nicht den Eindruck. Wie gesagt, ich glaube, die Dinge, die ich erlebt habe, an die ich glaube, da gehe ich davon aus, das ist stärker. Ich hoffe auch, dass meine Platte einen Beitrag leisten kann, dass die Leute zu sich kommen. Kein Problem damit haben, bei sich zu sein mit allem, was schmerzhaft ist oder schön. Mit allem, was zum Leben gehört. Das ist meine Hoffnung, die ich mit dem Album verbinde, denn so haben sich die Songs für mich angefühlt beim Schreiben. Sie aufzunehmen mit wundervollen Musikern und Produzenten. Alle Leute, die daran beteiligt waren, das Album entstehen zu lassen und auf den Weg zu bringen. Wir sind nicht hier, weil wir wettbewerbsstarke Wesen sind, sondern fähig sind zur Kooperation.
Genauso sollte es sein. Sich miteinander verbinden, harmonieren und inspirieren. Wie wird das bei deinen Live-Gigs sein? Nimmst du die Musiker mit auf Tour?
J: Nicht alle Leute, mit denen ich das Album aufgenommen habe. Ich spiele mit Hanno Stick am Schlagzeug, Lars Coelln am Bass, mein Freund und langjähriger Wegbegleiter Daniel Florey an Keyboards und Gitarre. Ab und an werden wir dann noch bereichert durch Marcus Schneider, der auf dem Album auch Gitarre spielt. Das gucken wir dann mal von Show zu Show. Es gibt aber eine feste Bandbesetzung.
Und mit der probt ihr jetzt auch fleißig?
J: Joa.
Ihr müsst gar nicht mehr proben?
J: Wir werden sicherlich noch ein paar Mal proben, aber ich folge gerne der Punkrock affinen Methode: "Vom vielen Üben wird man nur gut im Üben."
Ah, das erinnert mich an Mick Collins von The Dirtbombs. Kennst du die?
J: Nee.
Der hatte uns auch schon mal im Interview gesagt: Proben ist uncool.
J: Na, cool kann es sein. Coolness ist mir egal.
Naja, bei Mick war das auch eher darauf bezogen, dass die Musik, die sie machen, schon auch nach Garagenmusik klingen muss.
J: Ja, bei der Musik ist das naheliegend.
Gute Band, musst du auch mal hören.
J: Ja, check ich aus.
Du bist jemand der viel Musik hört und entdeckt und gerne darüber spricht, wenn du die Songs nicht sogar coverst. Du warst auch mal bei Thomas Meineckes "Plattenspieler" im Hau in Berlin. Das war noch im schönen 2019. Bei diesem Event darf man seine Lieblingsplatten mitbringen und dann wird darüber geredet. Tolles Konzept.
J: Eine super Idee. Hat voll Bock gemacht.
Ich kenne das auch noch von laut.de. Als ich damals Praktikum gemacht habe. Da hat man sich bei jemanden getroffen und alle haben ihre neusten Stücke oder Lieblingsplatten mitgebracht und die hat man gemeinsam angehört und darüber gesprochen.
J: Ah, toll.
Ich finde, das hat heutzutage etwas nachgelassen.
J: Du meinst mit Freundinnen und Freunden zusammenzusitzen und Platten hören? Das mache ich regelmäßig. Also, man spielt sich gegenseitig Sachen vor. Das muss auch nicht immer das Neuste sein. Man hat zusammen gegessen und dann einer so: Ey, kennst du das schon? Boah, geil. Normal. Das ist eigentlich genauso wie Thomas es da in seiner Show gemacht hat. Das habe ich zum Glück regelmäßig. Ich bin da schon auch drauf angewiesen, weil ich jetzt nicht so Streaming mäßig unterwegs bin. Wie war das eben, Dirtbombs?
Ja.
J: Höre ich jetzt. Merk ich mir.
Dann kannst du auch noch The Gories hören. Das war die Band davor.
J: Ok, vielleicht schreibst du mir das gleich mal auf.
Hast du eigentlich auch mal aufgelegt?
J: Wie aufgelegt? Platten?
Ja, genau.
J: Ich habe eine lange Zeit im Pudel aufgelegt, als ich noch in Hamburg lebte.
Klar, natürlich.
J. Ich weiß nicht, ob ich das DJ nennen kann, aber ich hatte einen Abend. Besonders lang habe ich das nicht gemacht, aber es hat Spaß gemacht. Eine Zeitlang konnte man mich auch buchen, aber da habe ich dann eher so House aufgelegt. Im Pudel war das eher so ein Mix. Das wäre vielleicht so, als würden wir uns jetzt gegenseitig Sachen vorspielen.
Gehst du denn noch Tanzen?
J: Ja, auf Partys sowieso.
Gibt es noch viele Partys bei dir? Also, jetzt nicht in den letzten zwei Jahren, aber generell, auch hier mein Eindruck, das lässt mit dem Alter nach.
J: Bei mir nicht. Also, ich gehe jetzt auch nicht jede Woche aus.
Aber du wirst oft eingeladen?
J: Ja.
Dann gibt es noch viele private Partys?
J: Ja. Ich bin froh, dass ich eingeladen werde und freue mich, wenn die Musik gut ist. In Clubs eher seltener und jetzt auch schon lange nicht mehr, aber das ging ja auch nicht.
Damals bei Thomas hattest du auch ein Stück von Hans-A-Plast ("Lederhosentyp") dabei. Du bist ein großer Fan von Annette Benjamin. Ich habe sie bisher leider noch nicht live erlebt, aber nur gutes gehört. Sie hat jetzt auch ein neues Musikprojekt.
J: Davon hörte ich. Mit Drangsal zusammen.
Und Julian von Die Nerven.
J: Da bin ich sehr gespannt. Toi toi toi. Annette ist großartig.
Du hast sie sicherlich schon mal getroffen.
J: Nein.
Noch nie?
J: Nein. Ich war Fan, als ich zehn oder 12 Jahre alt war. Sie ist ein Star und steht für mich in der Tradition von Marlene Dietrich. Ich habe das neulich noch auf YouTube gesehen. Da steht sie vor Jahren in irgendeiner westfälischen Scheune und singt ihre Punksongs und sagte dann zu den saufenden Punks, die in der Scheune Pogo tanzen: Ich habe euch nicht vergessen. Das fand ich wundervoll. Nachdem sie 30 Jahre lang nicht aufgetreten ist.
Damit offenbart sie ein großes Herz. Und sie scheint auch darauf Bock zu haben. Kommen wir zu den Schlussfragen. Wird es "Songs Of The Bottom, Volume 2" geben?
J: Ganz bestimmt.
Ich muss natürlich auch fragen, wie es um ein neues Blumfeld-Album bestellt ist.
J: Die Tourneen waren super. Es hat voll Spaß gemacht. Es war rührend, lustig. Alle hatten Bock und das ist die beste Voraussetzung.
3 Kommentare mit 4 Antworten
das neue Album ist, gelinde gesagt, gelinde
Der könnte Bob Dylan Texte per excellence schreiben, aber ich kann mir niemanden anhören der Distelmeyer heißt und eine solch arrogante Hackfresse hat.
Das ist selbstverständlich dumm und (meinerseits) arrogant aber manchmal muss man sich so etwas einfach mal rausnehmen.
Beugt Magengeschwüre vor!
Dem Akkusativ wollen wir aber weiterhin ehren.
"aber ich kann mir niemanden anhören der Distelmeyer heißt".
Wen denn dann? Jemanden der Reinsc heißt?
Ist Homer S. Exuell zufällig anwesend?
"Coolness ist mir egal" - Ja, das glaube ich ihm.
Die Alpha Bomberjacke unterstreicht diese völlige Gleichgültigkeit ganz besonders.