laut.de-Kritik

Indiepop mit Störfeuer voller Enttäuschung und Wut.

Review von

Zwei Jahre nach seinem Album "Pixel Revolt", das thematisch eng mit dem nationalen Trauma der Ereignisse um den 11. September verhaftet ist, widmet sich der Amerikaner John Vanderslice auf "Emerald City" erneut diesem Ereignis und dessen Folgen. Der Titel verweist dabei auf die unrühmliche Grüne Zone in Bagdad.

Mit seinen harschen Protestsongs meldet sich hier einer zu Wort, für den das Politische eng mit dem Privaten verbunden ist. Das Album entstand nämlich während eines Rechtsstreits um die Aufenthaltsgenehmigung seiner französischen Freundin.

"Held up at Kennedy / Sent back to DeGaulle / Looks like September won once again", singt er darauf bezugnehmend in der zärtlichen Pianonummer "Central Booking". Die Septemberanschläge schweben dunkel über allen Songs. Musikalisch äußert sich das derart, dass Vanderslice seine harmonischen Melodien in irritierende Arrangements kleidet.

Verzerrungen und Übersteuerungen fungieren genauso als Stilmittel wie befremdliche und verstörende elektronische Elemente. Die große Kunst: Der Sound klingt dennoch organisch. Wohl nicht zufällig fühlt man sich hier und da an Arcade Fire erinnert.

"Kookaburra" setzt auf Rhythmusgitarre, ehe Vanderslice mit lieblicher Stimme zu erzählen beginnt, wie die Chrysler Towers einem Terroranschlag erliegen. Ein sanfter Backgroundchor kommt hinzu, Schlagzeug, E-Gitarre und Elektronik fügen sich fast unmerklich in dieses Szenarium. Das bedrohliche "Time To Go" basiert von Anfang an auf einem rohen Beat und einer verzerrten Klangkulisse.

Ein wunderbare Melodie liegt "The Parade" zugrunde, umrahmt vom Schlagzeug, der Akustischen und Klaviertupfern, ehe wieder Elektronikeinlagen und Dissonanzen den Song zurechtstutzen. E-Gitarren begleiten die zweistimmig vorgetragene, eindringliche Melodie im famosen "White Dove". Ähnlich fulminant gestaltet sich "The Tower". Ein verzwirbelter elektronischer Beat, ein dumpfer Bass und tröstendes Pianospiel strukturieren das ruhigere "Tablespoon Of Codeine".

"The Minaret" wird als der ultimative Antikriegssong gehandelt, erzählt aus der Perspektive eines Soldaten. "I can see both sides / And it paralyzed me", singt Vanderslice. Er begeistert mit einem artifiziellem Beat und einer fantastischen Pianolinie, die rastlos davon eilt, um nur langsam wieder zur Ruhe zu kommen.

"Numbered Lithograph" offenbart den Einfluss seines Freundes John Darnielle von den Mountain Goats. Die wunderschöne Melodie wird von abgehacktem Gitarrenspiel und diffusen Elektronikeinlagen konsequent auseinander genommen und endet abrupt. Mit dem mehrstimmigen "The Hospital" und "Mother Of All Dead Time Factories" finden sich auf der europäischen Veröffentlichung des Albums übrigens zwei theatralisch inszenierte Bonustracks.

Mit seiner Vielschichtigkeit hat sich mir die Größe von "Emerald City" erst nach mehrmaligem Hören erschlossen, das aber umso nachhaltiger. Für die verbal artikulierte Enttäuschung, Verwirrung und Wut findet John Vanderslices feinsinniger Indiepop eine musikalische Übersetzung, die nie in der moralisierenden Pose erstarrt, sondern immer ambivalent und damit glaubwürdig bleibt.

Trackliste

  1. 1. Kookaburra
  2. 2. Time To Go
  3. 3. The Parade
  4. 4. White Dove
  5. 5. Tablespoon Of Codeine
  6. 6. The Tower
  7. 7. The Minaret
  8. 8. Numbered Lithograph
  9. 9. Central Booking
  10. 10. The Hospital
  11. 11. Mother Of All Dead Time Factories

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