laut.de-Kritik
Bitte weniger TBH, dafür mehr WTF!
Review von Mathias LiegmalWer zur aktuellen politischen Lage einen Soundtrack sucht, um seiner Frustration auch akustisch angemessen Ausdruck verleihen zu können, ist mit Deutschrap schon seit längerem nicht sonderlich gut beraten. Sowohl die Kannibalen in Zivil als auch die zwei männlichen Wahlberliner waren zuletzt vor allem mit sich selbst beschäftigt, letztere auch solo. Die altbekannten Ironiker verhedderten sich jüngst lieber in der 27. Meta-Ebene ihrer Lines. Und wieso in Hamburg zuletzt ein ganzer Haufen 2000er-Samples offenbar recht kostengünstig gecleart werden konnte und umgehend in Songs verwurstet werden musste, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Audio88 und Waving The Guns könnten die Schützenhilfe daher wahrlich gut gebrauchen.
Da kommt es natürlich sehr gelegen, dass PTK auf dem Opener seines neuen Albums direkt aus allen Rohren feuert. Wer mit Zeilen wie "So lang kein Frieden herrscht in Gaza / Kriegt auch irgendwann Friedrich Merz sein Karma" einsteigt, hat ganz offensichtlich keine Zeit zu verlieren. Die Feindbilder sind zahlreich und wollen zielsicher ins Visier genommen werden. Das Motto ist daher denkbar simpel: "PTK TBH WTF".
Auch auf der zweiten Anspielstation geht es noch hoch her, wenn der Kreuzberger sich allerlei "Pseudos" vorknöpft. Danach büßt das Album allerdings schon merklich an Tempo ein, sowohl musikalisch als auch thematisch. Auf "Gute Nacht" kämpft PTK stellenweise damit, seinen Flow dem Beat entsprechend zu drosseln. "Himmel Überm Block" wiederum klingt so, als wäre es gerne ein Top-Ten-Hit von makko geworden, den PTK jedoch leider nicht ganz so stilsicher ins Ziel bringt. Nach spätestens fünf Tracks ist die Aufbruchstimmung daher leider auch schon wieder dahin.
Hinzu kommt die inhaltliche Bremse. "Ich hab keine Kraft und keinen Bock mehr", gibt PTK auf "Gute Nacht" zu Protokoll. Das merkt man leider auch. Nicht, dass er sich musikalisch keine Mühe geben würde, ganz im Gegenteil. Doch kreisen viele der Songs letztlich vor allem um seinen kleinen privaten Kosmos, anstatt die großen Themen anzugehen. Das kann okay sein, passt zum Albumtitel, und natürlich ist das Private immer auch politisch, wie jeder gute Linke weiß. Doch liefert dieser Ansatz eben nicht immer ein Konzept für gute Musik.
Das Dauerfeuer aus Problemen mit früheren Freunden, früheren Freundinnen, drogensüchtigen Bekannten und nicht zuletzt mit sich selbst ehrt PTK und mag beim Schreiben sicherlich befreiend gewesen sein. Für den Hörer ergibt sich jedoch nicht in jedem Fall derselbe Mehrwert. "Es heißt Freiheitskampf und nicht Freiheitsgeschenk", stellte er noch eingangs treffend fest, doch aktuell scheint er vor allem mit sich selbst zu kämpfen. "Mir gehts grad nicht so gut, wegen wie ich bin", analysiert er dann auch passend auf "Red Flags". Ja, schade.
Umso erfreulicher ist es dann, dass der Kreuzberger zum Ende hin noch einmal zur Höchstform aufläuft, wenn er auf "Wahnsinn" ganze 161 Bars lang frei von der Seele rappt, dabei gekonnt den Bogen zwischen Weltpolitik und persönlicher Krise spannt und damit die Essenz des Albums in einem einzigen Song bündelt. Zwei, drei Nummern mehr in dieser Machart hätten dem Album wahrlich gut getan. Oder, um es mit dem Opener zu sagen: Beim nächsten Mal bitte etwas weniger TBH, dafür wieder mehr PTK und WTF.
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