laut.de-Kritik
Bildungsbürger-Rap mit klaren Feindbildern.
Review von Christian Schmitz-LinnartzDiese 3er-Kollabo verspricht Einiges, denn sowohl die Kombi Fatoni und Edgar Wasser hat seit jeher gezündet - unter anderem auf dem Kollaboalbum "Nocebo". Und auch der Track "Ich habe keine Vorurteile" von Fatoni und Juse Ju mit seinen zwei Reprisen hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Rap-Szene eingebrannt.
Vor allem Edgar Wasser passiert viel zu selten öffentlich. Bei ihm sitzt alles, jeder Satz eine Punchline, und er ist mit einem kompromisslosen Flow ausgestattet. Juse presst oft gern, vermutlich absichtlich, etwas sonorere Töne würden ihm zuweilen gut tun. Früher hatte ich einige Zeit Probleme mit Fatonis Flow, dessen Sperrigkeit eines Off-beat-Storytellings, des Skandierens auch oft Stilmittel des Schauspielers war, seiner anderen beruflichen Existenz.
Doch dies war mit spätestens "Andorra" vorbei, sei es, weil sich mein Geschmack ihm angenähert hat oder er diesen Stil deutlich weniger benutzte, im Zweifelsfall beides. "Ewigkeit" bemüht einen daran erinnernden chansonesken Sprechgesang, meistens ist "BAWRS" jedoch äußerst geradlinig, fast schon zu sehr, Boom-Bap-Raps und auf jedem Takt ein Akzent. Ganze Tracks sind Ansammlungen Punchline auf Punchline, Perle auf Perle, "Beste Kombi", "Nein! Doch! Ohh!" und "BAWRS". Die Beats sind grundsätzlich fein, aufs Wesentliche reduziert, bestes schnörkelloses Handwerk ohne Schischi mit diesen kleinen feinen Einfällen an Verzierungen, die einen Beat besonders machen.
Lyricwise waren die drei schon vor Jahren wenn nicht Pioniere, dann doch erste Vertreter eines Humors respektive Stils, den ich mal als postironisch bezeichnen möchte, da die Statements von Satz zu Satz changieren zwischen Ernst und Satire und das, was die messerscharfen Punchlines bei den Hörer*innen auslösen, stetig wechselt zwischen Schmunzeln und Lachen auf der einen Seite, übergeht in das leicht betroffene Hoho, welches Harald Schmidt einst als Gefühlszustand beschrieb, in einen Zustand, bei dem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Es wird ausgeteilt gegen Christian Lindner und Olaf Scholz, es gibt die wohlverdienten Ohrfeigen gegen rechts oder gegen toxische Männlichkeit. Diesem Narrativ folgend bleibt gewisse Sozialkritik zumeist leider nur rein deskriptiv, die kaputten Typen in der U8, ist halt so, vermutlich selber schuld, das sexuell belästigte Mädchen und keiner sagt was, pfui pfui.
Das erzeugt ein Bild. Es lässt sich vielerorts der Eindruck nicht von der Hand weisen, dass das Problem nur der alte weiße Hetero-Mann sei, der selber schuld sei am eigenen Niedergang, weil white privilege undso. Es werden klare Feindbilder definiert, speziell Fatoni erwähnt situativ und namentlich Rapper mit vermutlich toxischer Männlichkeit. So will man nicht sein. Edgar rappt den Satz "So wie ich es seh, kommt die Diktatur durch die cancel culture und jeder, der es anders sieht, müsste direkt ins Gefängnis wandern", mit dem er mutmaßlich konfrontiert wurde und den er im Kontext des Tracks "Geisterbahn" satirisch wiedergibt, als wie selbstverständlich grotesk, aber so humorbefreit, wie ich viele Menschen in der Transaktivist*innenszene wahrnehme, dürften Sätze wie "Bin zwar cis aber ein Elo-Trans Mann" von Fatoni dort Mechanismen auslösen, die in diese Richtung gehen könnten.
Es gibt also ein Dilemma zwischen Rap und den empfindsamen Menschen, denen man sich gesellschaftlich verpflichtet fühlt, und Juse bringt es auf den Punkt: "Aber 'du Huso' is ne Beleidigung, die ich eigentlich vermeiden will (Echt) / Nur der Huso, den ich damit erreichen will, findet Du Blödi nicht ganz so beleidigend (Hurensohn)." Und so sehr ich die drei als Rapper schätze, möchte ich zurückgreifen auf den nicht gerade als Radaubruder bekannten Blumentopf- MC, Skater und Physikdozent Holunder, der einst meinte: "Denn jeder hat nen kleinen Pimp in sich. Wenn Du den nicht mehr findest stimmt was nicht. Den muss man ab und zu mal füttern, weil er sowas braucht ..."
Der 24-jährige Sohn einer Freundin mit Hip Hop-Affinität, aber working class und ohne Universitätshintergrund meinte zur Platte, sie sei "für U30, auf Krampf cool" oder so ähnlich. Wer seinen oder meinen Zwiespalt nicht teilt, weil er, sie oder dem genau diese politische respektive gesellschaftliche Positionierung in dem Ausmaß wertschätzt, wer zusätzlich den universitären oder zumindest belesenen Hintergrund hat und Anspielungen wie beispielsweise die auf Tobias Ginsburg versteht, wird mit "BAWRS" eine tolle Platte vorfinden sowie ich im Übrigen auch in großen Teilen, nur sind sie eines definitiv in unserer Kulturlandschaft nicht: Untergrund.
"Wir sind Untergrund Kings (Kings) / Nicht, weil wir Untergrund sind, sondern Untergrund kling'n." Eine in Stunden ausverkaufte Tournee - so sehr sie den drei hervorragenden Live-MCs auch zu gönnen ist - klingt nicht wirklich nach Untergrund.
6 Kommentare mit 3 Antworten
Eine 1-Sterne-Wertung gab es schon
Ich tendiere auch zu 3/5. Macht schon Laune und ist sehr gut produziert. Also nicht nur im Sinne des Handwerks, sondern auch passend zum Stil der Drei. Ich mag ja diese Beatwechsel wie bei "Crémant aus dem Senfglas" - für mich auch der stärkste Song bisher (top hook). Erinnern mich an ältere Asap Rocky Songs. Es sind einige gute Wortspiele dabei, sodass man das Ganze in Rotation wieder hören kann, aber dann manchmal doch zu sehr klar in der Selbstbestätigung für die eigenen Hörer. Ist aber auch fein, weil das Album auch einfach "Bawrs" heißt.
"Bildungsbürger-Rap mit klaren Feindbildern."
Nämlich Un- und Einbildungsbürgern, oder? ODER..?
Versteh ich net. Warum sollte jemand Gebildetes Rap hören wollen?
Selbst für Dich ein zu billiger Front.
Wollte den Text niemand querlesen? Was für eine Huckelpiste.
Bestes KIZ - Album seit sehr langem 4/5
Denk dir hier mal dieses DeNiro-gif hin, wo er so verschmitzt grinst und dir mit dem Zeigefinger zuwedelt, Du Schlawiner!
teils genial, teils saudämlich
Gefällt mir ganz gut, bis auf ein zwei Ausnahmen. Auf Fatoni hätt man auch verzichten können, bzw. seine Lines sind total egal.