laut.de-Kritik

Der seltsame Beigeschmack der Midlife-Crisis.

Review von

Wenn man die Diskographie von Gzuz der Reihe nach durchhört, dann hört man neben den typischen 187-isms eine eigentlich gar nicht so ungewöhnliche Lebensgeschichte: Ein Typ wächst auf, schlägt über die Stränge, die Sachen laufen schlecht, die Sachen laufen besser, es folgt eine Beziehung, es folgen Kinder. Und das Ulkige ist daran, dass sich das immer nur in Einzeilern oder einzelnen Tracks auf Momenten von Alben wie "Wolke 7" oder "Große Freiheit" ablesen lässt - die man zwischen den bretternden Beschreibungen von Reeperbahn-Abrisspartys und Straßenrennen schnell mal übersehen könnte.

Klar, Gzuz führt kein normales Leben, aber abseits dessen, dass er eine der besten Stimmen der Rapgeschichte hat, wirkt er in den Zwischentönen oft wie ein gar nicht so schräger Typ. Und so zeigen die Untertöne auf seinem inzwischen sechsten Soloalbum darauf, dass ein Leben sich fast ein wenig normalisiert. Immer wieder ist die Rede davon, dass er jetzt ja drei Kinder zu Hause und es entsprechend gar nicht mehr nötig habe, den ganzen Tag komplett durchzudrehen. Man sollte meinen, dieses Spannungsfeld würde einem Gzuz ein paar interessante neue Facetten entlocken. Ich persönlich wäre absolut angefixt davon, wie Grown Man Rap à la 187 aussehen könnte - aber genau auf dieser Front ernüchtert "Scherbenhaus": Statt sich mit der Gegenwart und dem Wandel auseinanderzusetzen, schiebt das Album altbackene Straßenbanden-Klischees nur noch vehementer nach vorn. Nur, dass sie zunehmend aufgesetzt klingen.

Dabei will ich gar nicht leugnen, dass Gzuz' Formeln ihren Reiz haben. Hier sind ein paar Tracks, in denen zwischen Hamburger Streetrap, Miami Bass und elektronischen Rapideen die Versatzstücke von ziemlich dicken Partyhymnen versteckt sind. Es sind Tracks wie die Straßenrennen-Fantasia "A6", der Hamburger Viertelcruiser "Straße Brennt" und das nach vorne bretternde "Knacks", an denen zumindest musikalisch der Funken am ehesten überschlägt. Gzuz hat vor ein paar Jahren "Späti" gemacht und in Sachen Pop-Appeal nie wieder zurückgeschaut. Er kann diesen Sound, er hat die Stimme, er hat das Charisma.

Leider benennt er auf "Candyshop" das Problem selbst: "Ich weiß, das abgedroschene Sprache / Aber sag, wie soll ich's anders formulieren?" Keine Ahnung, Bruder, ist es ist nicht dein Job, das zu beantworten? Es fühlt sich fast an, als würde er auf die Frage, ob sich auf dem Album etwas Neues tut, mit einem achselzuckenden 'Ach, du weißt schon, Koks und Autos' antworten.

Dabei gibt es die Tracks, in denen er Einblicke in sein Leben geben möchte. Viele von ihnen mäandern in schon zigmal durcherzählten Rückblicken auf die eigene Vergangenheit ("Bengel", "Übergang"). Wusstet ihr, dass Gzuz früher arm war, aber heute reich ist? Gähn. Da machen Tracks wie "5 Sterne GTA" immerhin mehr her, wenn er aus einem etwas klobigen Sprachbild um Sterne (Mercedes, Himmelskörper, Stars) auf die eigene Vergangenheit reflektiert.

Aber es geht auch in die entgegengesetzte Richtung: Ausgerechnet Kontra K wird auf "Schwiegersohn" rekrutiert, um das unweigerliche Plädoyer dafür zu halten, nicht in die Gesellschaft zu passen. Es ist ein Song gegen Spießer, der sogar darauf verweist, dass das Management ihn gern andere Songs machen hören würde. Ironischerweise wäre das hier wohl genau der Song, den jedes Management ihn machen hören will.

Ein paar Mal blitzt im Laufe von "Scherbenhaus" die Frage auf, ob die gesicherte Lebenssituation und die Kinder ihn jetzt spießig machen werden. Aber statt diesen Gedanken sinnvoll zu erkunden, werden sofort alte Kamellen und ausgelatschte Trackklischees vogeschoben. Das gibt "Scherbenhaus" trotz der Tatsache, dass es eigentlich kaum etwas anderes macht als die Alben zuvor, einen seltsamen Midlifecrisis-Beigeschmack. Klar, das Ding klingt wertig und solide und pumpbar, weil Gzuz ein definitiv starker und idiosynkratischer Performer ist. Aber trotzdem kommt man nicht umhin, dass dieses Album im Augenwinkel einen eigentlich interessanten Prozess anreißt, aber dann nicht die Eier hat, wirklich tiefer einzusteigen.

Trackliste

  1. 1. Gazo
  2. 2. Bengel
  3. 3. Wir Gehen Rein! (feat. Jaill)
  4. 4. Scherbenhaus
  5. 5. Candyshop
  6. 6. A6 (feat. LX)
  7. 7. 5 Sterne GTA
  8. 8. Straße Brennt (feat. Sa4)
  9. 9. Glock 17
  10. 10. Übergang
  11. 11. Knacks
  12. 12. Promille (feat. Maxwell)
  13. 13. Schwiegersohn (feat. Kontra K)
  14. 14. Glitch

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