laut.de-Biographie
KT Gorique
Sie schreibt ihre eigenen Texte, komponiert und arrangiert ihre Musik und setzt sie visuell in Szene, ist als Rapperin, Tänzerin und Schauspielerin aktiv: Kein Wunder, dass man KT Gorique ihrer vielen Begabungen wegen das Schweizer Armeemesser des Hip Hop nennt.
Zudem bricht sie Rekorde gleich im Dreierpack: Als sie 2012 das Finale des Freestyle-Turniers End of the Weak für sich entscheidet, ist sie nicht nur die erste Frau und die erste Schweizerin, der dies gelingt, sondern auch der jüngste Champion, den dieser Wettbewerb jemals sah. Dabei handelt es sich bei Hip Hop noch nicht einmal um ihre erste musikalische Liebe: Zunächst fühlt sie sich vom Reggae repräsentiert und verstanden.
Die vielfältigen Einflüsse bekommt sie jedoch bereits in die Wiege gelegt: Caterina Akissi Amenan Mafrici kommt als Tochter einer ivorischen Mutter und eines italienischen Vaters in Abidjan, der ehemaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste zur Welt. Afrikanische Musik und Gospel untermalen ihre Kindheit und animieren sie schon mit vier Jahren zum Tanzen. "Videos von Michael Jackson zu imitieren, erwies sich offenbar als gutes Training."
Die Macht des Wortes offenbart sich ihr ebenfalls früh: Erste Texte schreibt Caterina mit acht. Allerdings ziehen mehrere Jahre ins Land, ehe sie diese erstmals mit Beats unterlegt - und in der Zwischenzeit ist einiges passiert:
Als sie elf Jahre alt ist, übersiedelt ihre Familie in die Schweiz. Sie landen zunächst im Waadtland, später findet Caterina in Martigny im Wallis eine neue Heimat. Anschluss sucht sie im lokalen Kulturzentrum, wo sie über den Tanz zum Hip Hop findet. Obwohl der Kanton nicht gerade als Hochburg des Genres gilt und zudem ihre Mutter dem neuen Hobby zunächst äußerst skeptisch gegenübersteht, keimt hier eine vielgestaltige Karriere.
Caterina, die sich den Bühnennamen KT Gorique zulegen soll, lässt sich von Freunden überreden, ihre Rhymes, die sie inzwischen auch über Beats kickt, bei einer Freestylebattle in den Ring zu werfen. Gute Idee, die Teilnahme gerät zum Triumphzug: KT Gorique rappt sich bis inn die schweizerische Endrunde. Mit dem Sieg in der Tasche, reist sie 2012 zum internationalen Finale nach New York, aus dem sie am Ende - siehe oben - ebenfalls als Gewinnerin hervorgeht.
Von nun an führt eins zum anderen: Es folgen Liveauftritte, Festivalgigs und Videos. Eins davon sieht der französische Regisseur Pascal Tessaud. Er sucht für einen Film um eine aufstrebende Rapperin eine Hauptdarstellerin: Ohne je zuvor geschauspielert zu haben, brilliert KT Gorique in "Brooklyn" und sammelt eine ganze Reihe Filmpreise ein.
Ihr erstes Album "Tentative De Survie" veröffentlicht sie 2016 noch in Eigenregie, genau wie das ein Jahr später nachgelegte Mixtape "Ora". Für die 2018 und 2020 folgenden "Kunta Kinta" und "Akwaba" hat sie dann bereits Labelsupport hinter sich. Als Titel nutzt KT Gorique einen dem ivorischen Dialekt Baoulé, den sie mit ihrer Mutter spricht, entstammenden Begriff. "Akwaba" bedeutet übersetzt so viel wie "Willkommen".
Das passt gut zur Aufgeschlossenheit, mit der die Musik verschiedenste Stile und Einflüsse umarmt: Reggae, Dancehall und Afrobeat klingen durch, auch Coupé Décalé, der Style, den Musiker*innen aus der Elfenbeinküste in der französischen Diaspora entwickelten. Die Produzenten stammen aus aller Herren Länder, darunter Frankreich, Belgien, Südafrika und natürlich der Elfenbeinküste.
KT Gorique nennt die eigene Mixtur, die sie aus all dem köchelt, "future roots" und befindet selbst etwas ratlos: "Es ist überhaupt nicht logisch, aber es funktioniert." Neben ihrer Muttersprache Baoulé spricht sie, vom Vater mitgegeben, Italienisch. Die Sprache allerdings, in der sie denkt und fühlt, ist das Französische, dem sie jedoch unentwegt ivorische, italienische und englische Vokabeln untermengt.
Der Versuch, das Gesamtkunstwerk KT Gorique zu fassen zu bekommen, scheint zum Scheitern verurteilt. Bei Womex behelfen sie sich mit dem Ziehen von Parallelen: "Attitüde und Präsenz wie Keny Arkana, Flow wie Missy Elliott oder Queen Latifah", heißt es da. Um jedoch wirklich zu kapieren, was ihre Magie ausmacht, muss man die Frau, die meist mit markanter Gesichtsbemalung auftritt, schon in Aktion erleben, dann erklärt sich auch sofort, warum sie einen mehr als angemessenen Warm-Up-Act für Nicki Minaj abgibt.
Mit der Frage, wie das denn so sei, als Frau im Hip Hop, kann man KT Gorique übrigens jagen. Statt sich in theoretische Ausführungen über die Ungleichbehandlung der Geschlechter zu versteigen, packt sie lieber an. Im Lockdown 2020 zum Beispiel arbeitet sie mit dem Projekt "Biggest Female All Star Cypher" gegen die Isolation an: In zwei Sessions versammelt sie da knapp 40 rappende Kolleginnen.
Einfach machen, nach diesem Prinzip fährt KT Gorique ohnehin ganz gut: "Ich bin neugierig und möchte immer neue Dinge ausprobieren", erklärt sie im Interview. "Erst so entdecke ich neue Facetten an mir, und manchmal sogar ein verstecktes Talent."
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