laut.de-Biographie
Luciano
Conscious-Reggae fristete in Zeiten, in denen Dancehall zu Ehren kam, ein verstecktes Nischendasein. Mit seiner tiefen Spiritualität, seinem Gespür für Dub und unüberhörbaren R'n'B-Einflüssen führt Luciano das Genre zu neuer Blüte. Da er zudem noch mit einer wahrhaft beeindruckenden Stimme gesegnet ist, wird er bald als neuer Reggae-Prophet, als Nachfolger Bob Marleys, gehandelt.
Der Werdegang der Legende beginnt am 20. Oktober 1964: Jephter Washington McClymont erblickt im jamaikanischen Manchester das Licht der Welt. Er wächst als siebtes Kind gemeinsam mit fünf Schwestern und drei Brüdern in der Gemeinde Davey Town auf. Als Jephter elf Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Die Mutter rackert sich ab, um ihren Nachwuchs alleine durchzubringen.
In den Hinterlassenschaften des Vaters findet Jephter dessen selbstgebaute Gitarre. "Damals habe ich mich in diese Gitarre verliebt", erinnert er sich. "Ich habe gelernt, sie zu spielen. Dabei wurde mir klar, dass das meine Art war, meinem Vater Liebe und Respekt zu erweisen." Jephter, der das Talent seiner beiden hochgradig musikalischen Elternteile mitbekommen hat, singt bald nicht nur im Kirchenchor der Adventist Church, sondern absolviert erste Auftritte in Jugendclubs und bei Dances in der Nachbarschaft.
Nach Abschluss der Highschool zieht es Jephter in die Hauptstadt. In Kingston hofft er, den Grundstein für eine Karriere als Sänger zu legen. Die harte Realität bringt den Wunschtraum zum Platzen: Mehr als ein Job als Orangenverkäufer auf den Markt scheint für Jephter nicht drin zu sein.
Enttäuscht kehrt er in die Heimat zurück - geknickt zwar, aber noch lange nicht gebrochen. Im April 1992 wagt er einen zweiten Anlauf. Tagsüber verdingt er sich als Polsterer und Tapezierer, abends und nachts geht er, diesmal mit mehr Biss, seiner eigentlichen Leidenschaft nach. Er nimmt zusammen mit verschiedenen Produzenten erste Singles auf.
Einer seiner Mentoren bemäkelt (nicht ganz zu Unrecht) die Sperrigkeit seines Namens: Jephter McClymont - wie hört sich denn das bitte an? Der aufstrebende junge Sänger nimmt sich die Kritik zu Herzen. Fortan publiziert er unter seinem bedeutungsschwangeren Künstlernamen: Luciano, der Träger des Lichts.
Mittelmäßig erfolgreich schlägt sich Luciano durch, bis er auf Freddie McGregor trifft. Mit ihm an den Reglern laufen die Dinge plötzlich wie von selbst. Die Coverversion von Cheryl Lyns "Shake It Up Tonight" beherrscht 1993 nicht nur die jamaikanischen Hitparaden. Luciano landet damit auch in Großbritannien seinen ersten Nummer-1-Hit.
Die Zusammenarbeit soll allerdings nicht von Dauer sein. "Ich habe mich selbst nicht wohlgefühlt in diesem Muster, Lovesongs singen, einen schicken Filzhut tragen, gut aussehen. Mir kam das irgendwie schmierig vor", blickt Luciano auf künstlerische Differenzen zurück. Zudem hat Freddie McGregor, der am laufenden Band auf Tour ist, ohnehin zu wenig Zeit für seinen Schützling. Dieser Umstand erweist sich als Glücksfall: Luciano trifft auf Phillip 'Fatis' Burrell.
Lucianos Singer/Songwriter-Fähigkeiten beginnen, sich zu entfalten. Seine Einflüsse, darunter Frankie Paul, Dennis Brown und Stevie Wonder, treten klarer hervor. Seinem 1993 bei RAS Records erschienenen Debüt "Moving Up" folgen mehrere Alben unter der Regie Burrells auf dessen Label Xterminator und bei Islands Records.
Ganz klar zeichnet sich nun eine Hinwendung zu Roots- und Culture-Traditionen ab. "Jahs Worte sind positive Worte", betont Luciano in einem Interview mit Reggaemovement.com. "Jahs Worte sprechen für sich selbst. Spirituelle, inspirierende Worte, die in Bezug auf soziale Themen und Spiritualität eine echte Aussage haben. Diese Songs passen auf fast jede Situation in fast jedem Leben. Jahs Worte sind sehr notwendig, denn wir leben in gefährlichen Zeiten. Jahs Worte bilden das Gegengift." Die Botschaft braucht einen Überbringer: Luciano installiert sich selbst als 'The Messenger'.
Die Kombination aus Melodien, gehaltvollen Lyrics, Lucianos Stimme und Fatis' One Drop-Riddims befördert Luciano an die Spitze der Reggae-Charts. Er landet Treffer wie "Poor And Simple", "Chant Out" oder "One Way Ticket". Etliche davon werden auch in Europa, insbesondere in Großbritannien, zu Hits. Die Mitarbeit namhafter Musiker vom Schlage eines Sly Dunbar an den Drums oder Dean Frazier am Saxophon fügt der gemeinsamen Sache ebenfalls keinen Schaden zu.
Spätestens mit seinem Album "Where There Is Life" von 1995 etabliert sich Luciano in der Reggae-Szene und avanciert zum Hoffnungsträger derjenigen, die die Roots bereits im digitalen Dancehall haben untergehen sehen. Luciano spendet Trost und spricht Warnungen aus. Er predigt positives Denken und Rasta-Prinzipien: "Wir sind alle Kinder des Höchsten Gottes, und als Rastaman bin ich überzeugt davon, ein Kind von Kaiser Hailie Selassie zu sein. Alle seine Lehren finden sich in meinen Songs."
Auf seiner Homepage heißt es weiter: "In mir steckt so viel Musik, so viele Botschaften, ich kann sie nicht für mich behalten. Mein Management würde viel lieber sehen, dass ich einen Gang zurückschalte, aber sag mir: Wenn ein Vogel nicht singt, ist der Vogel dann glücklich? Heutzutage gibt es so viel Rivalität, so viel Böses in der Welt. Meine Pflicht als ein Botschafter ist es, darüber Musik auszugießen wie der Jordan."
So veröffentlicht Luciano Single um Single, Album um Album. 1999 kommt es infolge von Unstimmigkeiten im Xterminator-Lager zur Trennung von Fatis Burrell. Luciano, der schon vorher Singles für andere Labels aufgenommen hat, startet in eine unabhängige Karriere. An seinem Respekt für Burrell, der das Fundament für seine Karriere legte, hält Luciano jedoch trotz allem fest.
"Ich möchte eine Vorbildfunktion ausfüllen. Ich versuche, Gottes Wort rechtschaffen zu verkünden." Wie bei vielen jamaikanischen Künstlern gehört auch für Luciano hierzu ein nicht gerade vor Modernität übersprudelndes Frauenbild sowie eine ablehnende Haltung gegenüber Homosexuellen. Anders als viele seiner Kollegen trägt Luciano diese Weltanschauungen aber wenigstens nicht plakativ in seinen Texten zur Schau.
Neben fließbandmäßiger Albenproduktion befindet sich Luciano nahezu ununterbrochen auf Tour. Seine zwingende Bühnenpräsenz verhilft ihm zu einer stabilen Fangemeinde weltweit. Immer wieder versucht er sich an Coverversionen aus verschiedensten Musikrichtungen.
"Ich entstamme der Roots- und Culture-Tradition, aber ich habe bewiesen, dass ich als Reggaesänger in jedes musikalische Genre passe. Ich singe Reggae, Gospel, Roots, ich kann auch Rock singen. Meine Botschaft bleibt dabei aber immer rein, spirituell und in meiner Kultur verhaftet. In der Musik gibt es keine Grenzen. Obwohl ich ein Reggaesänger bin, ist meine Botschaft international. Die darf ich nicht allein Reggae-Hörern überlassen. Ich muss sie auf alle Stilrichtungen ausweiten."
Luciano wird mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Für seine Verdienste um den Reggae verleiht ihm die jamaikanische Regierung im Oktober 2007 den Order of Distinction. Luciano darf sich fortan Officer des Order of Distinction nennen und den Zusatz OD im Namen führen. "Ich würde nicht sagen, dass ich gewonnen habe", kommentiert Luciano die vielen Ehrungen. "Ich habe schließlich mit niemandem gewetteifert. Ich kümmere mich gar nicht um so etwas, das bringt nur Neid und böses Blut unter die Menschen."
Die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, die Luciano regelmäßig fordert, zelebriert er einmal mehr auf seinem Anfang 2008 erscheinenden Album "Jah Is My Navigator". Neben der schlicht mit Pianoklängen unterlegten Ballade "Hard Herbs", einer Hymne an "Sweet Jamaica" und den inzwischen wohl vertrauten Lobpreisungen des Allmächtigen findet sich da eine Kollaboration mit Andrew Tosh: Vater Peter hätte an der gemeinsamen Interpretation seines Hits "I'm The Tuffest" seine helle Freude gehabt, weilte er noch unter uns.
Luciano bleibt auch angesichts dicken Lobes aus dem Munde Sly Dunbars weiterhin bodenständig und trotz seines internationalen Erfolgs seinen Wurzeln treu: "Auch aus seiner kleinen Ecke heraus kann ein Mann Einfluss nehmen." Luciano hat's gezeigt.
1 Kommentar
hat sich ganz schön verändert von 2008 bis 2018.