laut.de-Biographie
M People
Der Name M People hat definitiv nichts mit dem Londoner Musiker M ("Pop Muzik") zu tun. Außer, dass beiderlei Sounds auf Keyboards basieren. Und beide Projekte weibliche Guest Vocals featuren. Beide haben eine Ur-Stimme. Die von M ist die Frau des Keyboarders, und die von M People die Session-Sängerin Heather Small, die man zufällig da behielt, nachdem man sie gut fand. M People formieren sich 1990 in Manchester. Mike Pickering, geboren 1954, dessen Initialen M und P zu M People führen, ist bereits zehn Jahre lang in der elektronischen Musik aktiv und zum Beispiel Produzent der Happy Mondays. Vor allem aber die Chicago Warehouse Sounds beeinflussen, was er in England machen möchte. Erfolgreich ist er mit seinem Ansatz kaum.
Die Reichweite vergrößert sich, als er sich mit dem Synth-Programmierer und ebenfalls (wie Mike) Keyboarder der Band Orange Juice zusammen tut, Paul Heard, geboren 1960. Heard hatte sich in die erblühende Acidjazz-Szene hinein gespielt und Auftritte mit einer Band namens Ace Of Clubs. Die bringt es auf genau drei veröffentlichte Songs. Pickering ist derweil lokaler DJ in Manchester.
Die Nachtschwärmer in der Industriestadt reagieren überwiegend positiv auf den ersten Song, den er selbst von M People auflegt: "How Can I Love You More?" Von dem Track entstehen im Laufe der Jahre zehn Versionen und Mixes - darunter von Sasha, zu jener Zeit selbst ein upcoming artist und von Faithless' Rollo.
Heathers prägnante Stimme sticht verdammt hervor. Auch das Lied selbst klingt ungewöhnlich. Auf den klassischen Klavier-Einstieg folgt ein fröhlicher, tighter House Beat. Die Melodie bringt Soul in die Neunziger. Doch so recht weiß man beim Hören nicht, worauf das Stück hinaus läuft. Es treibt, es zieht einen mit, Heathers Vocals beben, erschüttern, schmelzen in Sehnsucht, bis wieder die tropikalen Beats übernehmen und sphärische Keys das Ganze untermalen und die Tastentöne mal vehement, dann locker-flockig jazzig improvisiert wirken. Doch diese sympathische Stimme kommt in der ersten Version nicht allzu viel vor und weckt Hunger nach mehr.
Paul erzählt rückblickend 1998 in einem Interview mit dem Magazin Soundonsound: "Anfangs kamen immer wieder zwei, drei verschiedene Sängerinnen für 'Northern Soul' ins Studio, und wir beabsichtigten eigentlich nicht, eine feste Sängerin zu haben. Wir waren bereits große Fans von Heathers Band Hot House. Und wir hatten Heather in der Albert Hall als Support-Act für Barry White gehört. Ich erinnere mich, dass sie dieses kleine, ziemlich schüchterne Mädchen auf der Bühne war, die ihre Augen schloss und kaum mit einem Muskel zuckte. Jahre her. Wir liebten ihre Stimme und fragten sie, ob sie für uns auf 'Northern Soul' singen wolle. Während wir mit den Aufnahmen zum Album schon halb durch waren, entschieden wir uns, M People zu einem Trio zu machen, und so kristallisierte sich die Band heraus."
Nach diesem gelungenen Experiment bleiben M People zusammen. Mike Pickering übernimmt die Rolle des Saxophonisten, und das Blasinstrument bleibt ein wichtiger Bestandteil in der Erkennbarkeit des typischen M People-Sounds: Einer Musikrichtung, mit der sie irgendwie alleine bleiben. So als wäre sie Mitglieder eines bestimmten Menschenschlages, der M-Menschen eben. Nachahmer finden sich kaum welche, schon gar keine nachhaltig aktiven Leute. Zudem verwenden die Briten meist die Demo-Versionen der Vocals, um die Songs nicht mit Perfektionismus und sich ewig wiederholenden Aufnahmen kaputt zu machen.
Die Recordings von Heather drücken eine starke Unmittelbarkeit und Spontaneität aus. Eine der großen Stärken des M People-Soundgebräus. Ein anderer Faktor ist der Independent-Status im Arbeitsprozess. Die Band verpflichtet sich niemandem und produziert privat.
"Ein Teil der Schönheit von Produktionen zuhause ist, dass wenn Heather nicht in der Stimmung ist an dem Tag zu singen, dann machst du dich nicht verrückt wegen der Studiokosten. Wobei man sogar sagen kann, dass sie normalerweise in der Stimmung ist, weil sie schon unten in der Küche sich selbst was vorsingt, bevor die Session anfängt, und dann kannst du sie einfach in dem Moment abrufen", erläutert Paul Heard den ungewöhnlich hemdsärmeligen Aufnahmestil. "Das Ding mit den Studios in den USA ist hingegen, dass dort ein sehr geringes Level an Komfort herrscht. Die gehen dort zum Arbeiten hin", plaudert Paul im Gespräch mit Soundonsound.
Mit "Northern Soul" legen die M People ihr Debüt am 4. November 1991 vor. Die verantwortliche Plattenfirma hat Pickering selbst mit gegründet, man ist erst mal auch hierfür independent. Die Songs "Colour My Life" und "Excited" charten aber, und in England werden sie heiß rotierte Club-Hits unter den DJs. Heather recycelt beide Stücke 30 Jahre später für ein Solo-Album namens "Colour My Life". Für die zweite CD holt man sich für den US-Markt Marketing-Hilfe bei Epic/Sony. Verkaufstechnisch zahlt sich das nicht aus, M People bleiben ein europäisches Phänomen, und auch eines in Australien und Neuseeland und sogar in Brasilien. Die meisten Stücke erzielen auch in Deutschland einen hohen Bekanntheitsgrad, so "Moving On Up" und das Soul-Cover "Don't Look Any Further". Die Band releast auch bis tief in die Nineties auf Kassette und Vinyl und achtet dabei auf unvergessliche Cover-Artworks. "Elegant Slumming" zeigt vorne drei Menschen, die auf grellbunten '90er-Jahre-Sofas sitzen. Grasgrün trifft Violett.
Für den nachfolgenden Tonträger "Bizarre Fruit" mastert die Combo nur Tracks mit über fünf Minuten Spielzeit. Die jeweiligen Mixe sind aber so funky-house'ig und tanzbar gehalten, dass sie in den Längen kurzweilig wirken und die Band deutlicher im elektronischen Milieu platzieren. Aufgrund des enormen kommerziellen Erfolges mit knapperen Radio-Edits und aufgrund der Eingängigkeit nimmt man M People dennoch vor allem als Pop-Act war. So kommen auch viele Buchungsanfragen für Live-Auftritte. Pickering gibt zu diesem Zweck die Funktion als Saxophonspieler an Star-Instrumentalist Snake Davis ab. Zu Hochform läuft Davis auf dem Tune "Search For The Hero" auf.
Ein Dickicht an Background-Vocals sorgt für eine besonders warme Atmosphäre der Platte; auf manchen Tracks sind bis zu zwölf zusätzliche Stimmen verpflichtet. Darunter Lovers Rock-Pionierin Carroll Thompson. M People sind jetzt vier ständige Mitglieder, denn Percussion-Spieler Andrew Lovell a.k.a. Shovell tritt bei. M People haben bei der Fußball-EM 1996 einen Stadionauftritt, und ein Song des Albums landet in einem Auto-Werbespot eines französischen Herstellers.
Das vierte und letzte Album "Fresco" zieht noch ein Orchester auf manchen Tracks hinzu. Eine Idee, die auch Heather später wieder aufgreift. Die M People betonen, dass sie Insel-Feeling vertonen ("Fantasy Island") und warten mit einer Drum'n'Bass-Fassung von Roxy Musics "Avalon" auf. Dieses Mal verwendet man auch Programmings für die Drums. Das knallige, poppige Album hinterlässt abermals einen rundum positiven Eindruck. Doch die Band trennt sich. Mike Pickering wird bei Sony-BMG Manager, nachdem die Gruppe halb-indie, halb unter dem Dach der BMG veröffentlicht hatte. Mike baut als A&R-Mitarbeiter zum Beispiel den Künstler Calvin Harris mit auf. Shovell bleibt als Trommler der elektronischen Musik im UK erhalten. Paul Heard ist noch eine Zeitlang als Soundtrack-Komponist fürs britische Fernsehen aktiv. Dann verwischen sich seine Spuren. Heather Small beginnt im Jahr 2000 eine erfolgreiche Karriere als Solistin.
M People zählen zur musikalischen DNA eines Jahrzehnts: Sie vertonten die Quirligkeit des Anything Goes in den Stilmixturen mit Bravour und strahlten Optimismus aus. Erst im Jahr 2013 kommt es zu einer kleinen Reunion-Tour. Privat haben nur Heather und Shovell noch sporadischen Kontakt. Was bleibt, sind die vielen super-sweeten Melodien.
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