Manic Street Preachers - " Critical Thinking"

Untätigkeit kann man den Alt-Rock Göttern Bradfield, Wire und Moore ganz sicher nicht vorwerfen, eben so wenig fehlende Ambition. Bereits zum fünfzehnten Mal und mit sicherer Regelmäßigkeit laufen die Waliser mit einem reichlich beladenen Longplayer auf und versuchen, ihre Rolle als eine der wichtigsten Rockbands der großen Nordseeinsel zu verteidigen. Der richtig große Wurf mag ihnen in den letzten Jahren nicht gelungen sein, richtige Gurken blieben allerdings auch aus.

Der vielgeliebte Grundsound zwischen smartem Punk und ausladendem Glamrock ist auch weiterhin Bestandsteil auf "Critical Thinking" und schillert streckenweise in bewährter Qualität durch den dichten Wust aus allerhand zusätzlich eingeflochtenen Soundflicken. Vor allem die 80er scheinen es dem Trio angetan zu haben, da auffallend oft Reminiszenzen an große Post-Punk Großtaten sowie an den typischen Pop-Appeal der Dekade deutlich werden.

Gleich zu Anfang ist es Bassist und Haupttexter Nicky Wire, der dem aufrüttelnden Titeltrack seine erhabene, leicht unterkühlte Stimme verleiht. Der vorgegriffene Chorus klingt unüberhörbar nach The Clash, Synthesizer schwurbeln und kreieren eine düstere Atmosphäre. Ein punkiges Riff, skandierender Gesang und ein anklagendes "It's Ok to be not Ok" tun ihren Teil, um Spannung aufzubauen.

Allerdings wird die Stimmung bereits beim als Single ausgekoppelten "Decline & Fall" recht jäh unterbrochen und weicht einem beinahe schon schmalzigen, fröhlichen Mood. Sehr süß und ausladend tönen hier die Melodien, und auch wenn es mich schmerzt, werden hier schon leichte Erinnerungen an Schlagermusik wach. Aber, natürlich trügt der Schein, und das soll er offenbar auch. Inhaltlich geht es er finster zu, alles ist im Eimer, aber immerhin haben wir geleuchtet (>„I know our time has come and gone, at least we blazed a trail and shone"). Widersprüchlich und mächtig.

Einer der möglicherweise größten, klassischen Manics-Momente findet sich im hymnenhaften "Brushstrokes Of Reunion". Obwohl auch sehr poppig und leicht ätherisch punkten am Ende der schlicht wunderbare Chorus und das damit einhergehende wärmende Gefühl. James Dean Bradfields Stimme bleibt einfach unverkennbar. Eigentlich genau das, was der Band schon immer große Stunden schlagen ließ. Das gleiche Prinzip geht auch beim an die mittelspäten The Cure erinnernden "Being Baptised" voll auf, wobei hier auch Anteile von 60s-Insel-Beat weitere Akzente setzen. Unfassbar schön, melancholisch und gar elfenhaft leuchtend markiert "Hiding In Plain Sight" einen der unstrittigen Höhepunkte des Werks. Wieder ist es Nicky Wires Stimme die über allem steht und shoegazige Stückchen voll Helligkeit erstrahlen lässt. So tönt es einfach nur aus dem Vereinigten Königreich und so schön zudem schon lange nicht mehr.

So schön diese Momente in der ersten Albumhälfte auch ausfallen, so schnell nutzen sich die meisten der folgenden Songs ab. Spätestens mit textlich zwar schönen, aber doch deutlich zu wenig aufregenden "People Ruin Buildings" scheint sich alles zu wiederholen, und die mit allerhand Klängen vollgeladene Klanglandschaft lässt den Raum enger werden. "My Brave Friend" etwa driftet sehr arg in den kitschigen Schlagermood ab und lahmt schwulsig und zuckrig vor sich hin. Ähnlich das folgende "Out Of Time Revival", das ein völlig deplatziertes, rockiges Solo als Schlussstrich unter ein Gefühl der Unentschlossenheit setzt.

Beim rhythmisch humpelnden "Deleted Scenes" wird glasklar, dass man leider endgültig den Faden verloren hat, alles bis zum Ende des Albums wirkt unausgegoren, unfertig und ein wenig, als habe man "Critical Thinking" noch schnell fertig stellen müssen, bevor das Studio abbrennt.

Vielleicht ist das irgendwo Kritik auf hohem Niveau, die Platte ist gut produziert, am Wollen und den Fertigkeiten des Trios liegt es auch nicht, aber ein Album wie aus einem Guss zu schaffen, gelang hier leider nicht.