laut.de-Biographie
Matt Karmil
Matt Karmil gehört zweifelsohne zu jenen Produzent*innen elektronischer Musik, die anstatt markiger Worte ihren Output für sich sprechen lassen. Das belegen allein die Titel seiner Alben, die mal aus Minuszeichen, mal aus Pluszeichen oder schlicht der Katalognummer des veröffentlichenden Labels bestehen. Auch sonst tritt der Brite eher introvertiert auf; schlichte Fotos zu Promozwecken, kein unnötiges Brimborium.
Seine Musik hingegen gibt sich vordergründig zwar ebenfalls entspannt und minimalistisch, strotzt aber zu gleichen Teilen vor grobkörnigen wie schillernden Texturen, massenhaft Reverb und punktuellen Melodie-Tupfern. Diese Mischung führt unweigerlich zu einer fluffigen, sedierenden Wohlfühlatmosphäre, lullt auf positive Art und Weise ein. Das Gefühl, dass hier kein klassischer Producer, sondern in gewisser Hinsicht ein Songwriter durch die Blume agiert, kommt dabei nicht von ungefähr.
Ein hartnäckiges postvirales Erschöpfungssyndrom fesselte den jungen Karmil in steter Regelmäßigkeit für sechs oder sieben Monate im Jahr ans Bett, wie er dem Onlinemagazin xlr8r mitteilt. Während dieser peinigenden Grippephasen, die sich vom neunten bis zum 24. Lebensjahr zogen, schnappte sich der Teenager zuerst die E-, dann die klassische Gitarre und stürzte sich kopfüber in die Musik: "Es ist nicht das absolut Schlimmste, was jemals jemandem passiert ist, aber es hatte natürlich große Auswirkungen auf meine Psyche und meinen Lebensstil. (...) Diese Erfahrung ist absolut dafür verantwortlich, dass ich Musik mache."
Mit 19 ging es dann aus der Nähe von Stonehenge nach London, wo er fortan zweigleisig fuhr: Karmil war als DJ und im Studio für namhafte Acts wie Jamelia oder Neneh Cherry tätig, mit letzterer verbindet ihn bis heute eine enge Freundschaft. Seine fortlaufend erweiterten Fähigkeiten als Producer kamen ihm logischerweise auch bei der eigenen Musikkarriere zupass.
Seit 2013 veröffentlichte er etliche EPs und fünf Alben, die auf Labels wie Idle Hands, Beats in Space, Studio Barnhus, Endless Flight, Aus Music oder Smalltown Supersound unterkamen – allesamt auf der lebensbejahenden Seite elektronischer Musik zu verorten. Nach der Zeit in London wurde Karmil für eine Weile zum Wandervogel und sammelte Eindrücke, die sein klangliches Profil weiter schärften. Nach Stationen in Paris oder Stockholm, wo er Studio-Barnhus-Aushängeschild Axel Boman kennenlernte, ließ er sich schließlich in Köln nieder.
Neben einer Wohngemeinschaft mit dem DJ-Kollegen Barnt kam dort seine Debüt-EP "Reverse Peephole" zustande, die auf Adas International Records Recordings erschien – mit durchschlagendem Erfolg. Deutsche House-Größen wie DJ Koze, Robag Wruhme oder Michael Mayer spielten seine Tracks, eine Annäherung ans Kompakt-Umfeld erfolgte.
Seinen souligen, warmen, dennoch renitent simplen Sound, der über die Jahre zwar in verschiedene Richtungen ausscherte, im Kern aber noch immer die unverkennbare Handschrift des Briten trägt, erklärt er sich am ehesten mit Trotz: "Ich glaube, die Simplizität meiner Platten könnte eine Rebellion gegen die Melodie-basierte, kurzformatige Popmusik sein, an der ich so lange gearbeitet habe."
Noch keine Kommentare