laut.de-Kritik
Akustischer Safe Space für die Afterhour.
Review von Maximilian FritzMatt Karmil schwimmt – trotz seinem hiermit bereits fünften Longplayer – kontinuierlich unter dem Radar. Das mag daran liegen, dass der DJ, Producer und begabte Gitarrist sich auch als Produzent im Studio pudelwohl fühlt. Arbeiten für Jamelia oder Neneh Cherry zeugen davon. Oder daran, dass er schlicht nicht viel Aufhebens um seine Person macht. Eher verhalten wirkt seine Außendarstellung, seine Alben tragen schlichte Namen, beispielsweise einfach die Katalognummer des Labels.
"STS371" auf Smalltown Supersound bildet da keine Ausnahme. Auf neun Tracks breitet der Brite seinen gewohnt sedierenden Klangteppich aus, der abermals aus moderat dahin dümpelnden Loops besteht. House firmiert hier als größter wie kleinster gemeinsamer Nenner. Nicht in der treibenden Chicago-Spielart, sondern unprätentiös und größtenteils zahm. Dieses Album hätte schon einen regulären Frühling adäquat vertont, für Zeiten des Homeoffice und der Quarantäne scheint es aber wie gemacht.
Alleine Tracks wie "Hard" und "Snail Shower" hintereinander zu hören, ist eine wahre Freude. Ähnlich minimal in ihrem Aufbau, mit luftigen, gefilterten Kicks und konstant ab- und auftauchenden Melodiebögen. Ersterer fährt auch die Karmil-typischen Hi-Hats auf, die jedes Mal aufs Neue in imposanter Manier breite Schneisen in die zarten Klanglandschaften schlagen.
"PB" an vierter Stelle arbeitet mit Schnauf-Sample und mehr Varianz im Beatgerüst, bleibt mit seinen wohltexturierten Sounds aber dennoch gänzlich im akustischen Safe Space, den "STS371" beinahe die komplette Spielzeit über generiert. Das liegt nicht zuletzt an den sorgfältig austarierten Bassfrequenzen, die sich auf ein konstantes Grollen beschränken und nicht mit einzelnen Salven überfordern.
"Still Not French" legt schließlich den Hebel um und prescht mit hibbeligen Klaviermelodien und schnellem Drumming nach vorne, setzt zudem genau die French-House-Gitarren-Nuancen ein, die es mit seinem Titel verleugnet. Oben drauf gibt's noch etwas Acid – zusammen mit dem donnernden "SR/WB" die Rave-tauglichste Nummer des Albums.
Der gewinnbringende Zehnminüter "Breezy" – noch einmal sei an dieser Stelle auf die traumhaften Hi-Hats verwiesen – sowie "210" beschließen diesen pittoresken Ritt für frühlingshafte Afterhours, die es in diesem Jahr nicht geben wird. "STS371" entstand laut eigener Aussage größtenteils auf Reisen; Karmil ist also offensichtlich einer dieser Producer, denen Ableton-Spielereien im Flugzeug nicht zu anstrengend sind. Bei derartigen Ergebnissen kann man ihm dafür nur dankbar sein.
1 Kommentar mit einer Antwort
Das, lieber Maximilian Fritz, ist Musik, die andere auch schon gemacht haben. Was nicht schlimm wäre - hätten sie es nicht viel, viel besser gemacht. Diese Platte ist was zum Wegdämmern...
Das, lieber Derwatt, sehe ich fundamental anders. Dass hier keine Neuerfindung des Rads stattfindet, ok. Wer hat es denn deiner Meinung nach viel besser gemacht und wieso?