Berufsprovokateure am Werk: Seitenhiebe gegen Palmer, Kollegah, Lanz, Pocher, Precht ... einer wird sich schon auf den Schlips getreten fühlen.

Berlin (dani) - Erfolg muss eine ziemliche Krux sein, wenn man sich selbst als alternativ, anti und revoluzzerisch empfindet. Die Antilopen Gang hat es also echt nicht leicht. Gegen den Strom schwimmen zu wollen, wenn man doch mittendrin ist, im Mainstream, stell' ich mir jedenfalls ziemlich anstrengend vor. Aus dem Untergrund gegen das Establishment zu haten, mag leicht fallen. Wenn man aber oben in den Charts steht, oder auf der Bühne in der ausverkauften Wuhlheide, zudem Dauergast im Feuilleton, dann muss man sich schon etwas einfallen lassen, damit die Leute auch merken, dass man nicht so ist, wie die Pop-Acts, die sich dort sonst so rumtreiben. Um sich von denen abzugrenzen, muss man mal was ganz anderes machen, was richtig Verrücktes. Punk zum Beispiel, wie in "Oberbürgermeister":

Ich bin ziemlich sicher, dass das Streben nach Distinktionsgewinn beim angekündigten Album "Alles Muss Repariert Werden" zumindest teilweise mit reinspielt. Zur Hälfte Rap, zur anderen Hälfte Punk-Songs soll es bergen, der Antilopen "längst überfälliges Punkrock-Debüt", wie sie selbst schreiben. Ich zweifle keine Sekunde an ihrer ehrlichen Liebe zu Punkrock. Ich habe erhebliche Zweifel, ob sie Punkrock einen Gefallen tun, mit Songs wie dem da oben.

Kreuzbrave Reißbrett-Mucke

Vielleicht habe ich romantisch verklärte Vorstellungen, aber von Punk erwarte ich genau eine Sache: Dringlichkeit. Die Leute müssen ihre Instrumente nicht virtuos beherrschen, sie müssen nicht singen können, sie brauchen noch nicht einmal groß eine Message, so lange sie das Gefühl vermitteln: Irgendwas, irgendein Bedürfnis steckt drin, und es muss raus.

Danger Dan, Koljah und Panik Panzer gestikulieren und grimassieren auch, als hätten sie eine Menge mitzuteilen ... aber die Mucke dazu?! Alter, ehrlich, das klingt für mich wie Jan-Delay-macht-ein-Rock-Album: am Reißbrett konstruiert und von versierten Musikern ohne innere Regung vom Blatt gespielt. Es klingt nach einem Job, steril und kreuzbrav. Wie Kraftklub, die Broilers oder die altersmilden scheintoten Hosen. Das soll Punk sein? Wo ist der Dreck, der Moder, den Punk doch eigentlich schon im Namen trägt? Wo das Feuer? Ich frag' mich wirklich, wer unter den aus dem "Outlaws"-Video recycleten Schweinemasken steckt. Punkrocker wohl kaum.

Berufsprovokateure am Werk

Die Hook geht sogar noch irgendwie. Zumindest ist die Melodie eingängig genug, um im Ohr zu bleiben. Als erfahrene Berufsprovokateure wissen die Antilopen natürlich auch genau, welche Namen sie da droppen müssen: Wenn man Boris Palmer, Kollegah, Markus Lanz, Farid Bang, Oli Pocher und Richard David Precht in eineinhalb Atemzügen nennt, wird schon einer dabei sein, der sich, in diesen einen Topf geworfen, ausreichend beleidigt fühlt, um darauf zu reagieren, und, schwupps, haste auch gleich die kostenlose Promo.

Die Strophen dazwischen, in der sich jede Antilope vorstellt, sind musikalisch so egal, dass man sie vergessen hat, ehe sie verklungen sind. Ist auch nicht weiter schade drum, inhaltlich geben sie fast genauso wenig her: Die drei Antilopengangster selbst-porträtieren sich da einer nach dem anderen, jeweils komplett überzeichnet. Es wirkt, als betrachte man Karikaturen, die ein Fließband-Zeichner an der Strandpromenade eines beliebigen Touristenorts angefertigt hat: jeweils ein, zwei Merkmale betont, die Bomberjacke, die Gelfrisur, die Neigung zum Erklärbärentum, die Tattoos, damit man rafft, wer gemeint ist, ansonsten bleibt alles austauschbar. Um darin, wie von Promoagenturseite versprochen, einen "Abgesang auf Männer, Männlichkeit und Männerbünde" zu erkennen, müsste man sich schon extrem bemühen.

Raus aus der Applausfalle?

Schade, eigentlich. Zumindest für die Punk-Seite des anstehenden Albums lässt der "Oberbürgermeister" wenig erwarten. Doch wer weiß? Vielleicht war das nur ein Ausrutscher. Oder, durchaus auch denkbar: ein ausgefuchster Schachzug, um absichtlich Unmut zu schüren, endlich wieder raus aus der Applausfalle. Ich glaubs zwar nicht, aber ... wir werden sehen. Am 13. September nämlich, dann erscheint "Alles Muss Repariert Werden".

Fotos

Antilopen Gang

Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger) Antilopen Gang,  | © laut.de (Fotograf: Manuel Berger)

Weiterlesen

Preis für Popkultur Danger Dan gewinnt dreimal

Das Gegenstück zum Echo kürte ein weiteres Mal die deutschen Künstler*innen, die mit Qualität statt Quantität gemessen an nackten Verkaufszahlen aufwarten. Die Ärzte, No Angels und auch Danger Dan sind jetzt allerdings nicht mehr die größten Geheimtipps.

laut.de-Porträt Antilopen Gang

Wenn eine Crew als "Die Ärzte des Deutschraps" durchgeht, dann ja wohl die Antilopen Gang: ähnliche politische Botschaften, ähnlicher Spaß dabei, …

laut.de-Porträt Danger Dan

In der Geschichte von Daniel Pongratz aka Danger Dan geht es viel um Aufbruch und Reise, um die Suche nach dem eigenen Platz in dieser Welt, nach Zugehörigkeit …

laut.de-Porträt Koljah

"Hip Hop ist für mich nichts als ein Karnevalsverband, und deutscher Rap ist mehr deutsch als Rap." Hier kommt: Koljah Kolerikah. Als "Zeckenrapper" …

4 Kommentare mit 5 Antworten