Junge Metalheads und Anime-Fans mit Plüschohren huldigen dem Kult aus Japan.

Berlin (dp) - Es ist ein grauer, kühler Frühlingsabend in Berlin, aber es braut sich etwas zusammen, was mit dem Wetter nichts zu tun hat. Vor dem Velodrom versammelt sich ein bunt gemischtes Publikum: Junge Metalheads mit Kutten, Anime-Fans mit Plüschohren, neugierige Konzertbesucher:innen – alle durch eine ungewöhnliche Liebe vereint: Babymetal. Drinnen dröhnt der Bass aus den Boxen, der Bühnennebel hängt schwer in der Luft, und während das Licht dunkler wird, beginnt eine der bizarrsten Shows der Szene.

Die Supports: düster, schrill und progressiv

Bevor Babymetal die Bühne übernehmen, setzen zwei andere Acts Ausrufezeichen. Den Anfang macht Bambie Thug, die Irland 2024 beim Eurovision Song Contest vertrat, mit einer Mischung aus Goth, Scream und Elektro. Den belanglosen Auftritt können auch Make-up und schwule Küsse auf der Bühne nicht retten.

Dann ploppt Poppy auf die Bühne – ein wandelndes Kunstprojekt, irgendwo zwischen Popstar und Kultfigur. Ihr Mix aus Artpop und Metalcore wirkt wie eine stilistische Brücke zu dem, was folgen wird. In Windeseile nimmt die Amerikanerin das Publikum für sich ein. Poppy ist keine Unbekannte im Babymetal-Universum, spätestens seit der gemeinsamen Single "From Me To U", die auf dem kommenden, fünften Album der Japanerinnen zu finden ist, feiern deren Fans Poppy ab – und das zu Recht.

Willkommen im Metal-Paralleluniversum

Als schließlich die Lichter zum letzten Mal an diesem Abend ausgehen und der Opener "BABYMETAL DEATH" anhebt, gibt es kein Halten mehr. Die drei Frontfrauen – Sumetal, Moametal und Momometal – erscheinen wie aus einem Anime heraufbeschworen. Unterstützt von der furiosen Kami Band, entfaltet sich direkt das Zusammenspiel aus Bühnentheatralik und Power. "Megitsune" bringt das Publikum mit einer Fusion aus traditionell japanischer Melodie, Doublebass-Gewitter und choreografierter Präzision zum Toben. Spätestens jetzt tanzt das komplette Velodrom.

"PA PA YA!!" steigert ansatzlos die Vorfreude auf die Open Air-Saison: Der Song, irgendwo zwischen Festivalhit und Soundtrack einer durchgedrehten Manga-Schlacht positioniert, verwandelt die Halle in ein Spektakel aus Flammen und Lasern. Überhaupt gibt es viel Pyro, ein Augenschmaus für das begeisterte Publikum. "BxMxC" schaltet in den Nu Metal-Modus: Sumetal rappt mit einer solchen Selbstverständlichkeit, man könnte fast meinen, sie habe beim Wu-Tang Clan gelernt. Die Beats sind fett, der Flow tight, und die Crowd komplett drin.

"METALI!!": Virtuosität trifft auf Wahnsinn

Dann folgt der instrumentale Showdown: Die Kami Band dreht bei den Soli völlig durch – blitzschnelle Gitarrenläufe, donnernde Drums, Progmetal-Energie auf höchstem Niveau. Beim neuen Song "METALI!!" explodiert das Velodrom erneut. Der Track vereint alles, was Babymetal ausmacht: Härte, Kitsch, Breakdowns, Hooks – und ein Gefühl von 'Was zur Hölle passiert hier gerade?' Auch als das ikonische "Headbangeeeeerrrrr!!!!!" über die Halle hereinbricht, ist der Songtitel zum Programm, und das Velodrom schüttelt in trauter Einigkeit die Köpfe.

"RATATATA": Metalcore meets Kawaii

Einer der weiteren Höhepunkte des Abends heißt natürlich "RATATATA", die Kollabo-Nummer mit der deutschen Trancecore-Truppe Electric Callboy. Auch wenn die Jungs heute nicht persönlich auf die Bühne kommen, funktioniert der Song live perfekt. Doch was wäre ein Babymetal-Konzert ohne "Gimme Chocolate!!!"? Der Song ist eine Art Meme in musikalischer Form und live eine echte Popgranate – süß, chaotisch, unwiderstehlich.

Den Zugabenblock leitet das starke "from me to u" ein. Da sie eh vor Ort ist, kehrt auch Poppy auf die Bühne zurück, um den besagten, gemeinsamen Hit zu performen. Das Finale gehört dann Babymetal ganz alleine: Der Bandklassiker, das stampfend hmynische "KARATE", liefert eine der ikonischsten Choreografien der Band. Noch einmal recken sich tausende Fäuste gen Hallendecke, ein letzter Ruck geht durch die Fangemeinde.

Ein Kult, der polarisiert

Zur Wahrheit gehört dazu, dass es wenige Bands gibt, denen so viel Kritik entgegenschlägt und die gleichzeitig dermaßen gefeiert werden wie Babymetal. Eigentlich ein Skandal, denn die drei Frauen erledigen ihren knallharten Job ohne Frage sehr gut. Dass bei den ausgeklügelten Choreografien mal ein Ton daneben geht, sei verziehen, das gelingt anderen Metalbands ganz ohne Hüpfen und Tanzen.

Es ist außerdem erfrischend, in Zeiten von Autotune und Live-Playback eine solche Band auf der Bühne zu erleben: Babymetal beweisen, warum sie nicht nur ein virales Phänomen, sondern eine ernstzunehmende Liveband sind. Was erst mal absurd klingt, Metalriffs, Teeniepop und japanische Mythologie, ergibt in Summe auf der Bühne einen eigenen Kosmos. Man muss das vielleicht nicht verstehen, aber tausende Fans ließen sich im Velodrom in eine Parallelwelt mitreißen, in der Kawaii und Brutalität kein Widerspruch sind, sondern schlicht eine Party.

Text und Fotos: Désirée Pezzetta.

Fotos

Berlin, Velodrom, 2025 Metalheads und Anime-Fans feiern die Japanerinnen in der Hauptstadt.

Metalheads und Anime-Fans feiern die Japanerinnen in der Hauptstadt., Berlin, Velodrom, 2025 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Metalheads und Anime-Fans feiern die Japanerinnen in der Hauptstadt., Berlin, Velodrom, 2025 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Metalheads und Anime-Fans feiern die Japanerinnen in der Hauptstadt., Berlin, Velodrom, 2025 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta)

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