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Jennifer Weist - "Nackt - Mein Leben zwischen den Zeilen"

Worum gehts?

Unmöglich zu sagen, was dieses Buch sein will. Eine Rockstar-Biografie, eine Erfolgsstory voller Sex, Drugs und Rock'n'Roll oder ein Ratgeber für gesunde Ernährung und ein maßvolles Leben? Soll es selbstbeweihräuchernd den triumphalen Weg von der Provinz auf die großen Bühnen des Landes nachzuzeichnen, oder will da jemand valide Kritik an den Strukturen des Musikgeschäfts üben? Plaudert hier eine abgewichste Rampensau aus dem Nähkästchen, schreibt ein mäßig origineller Lifecoach für die Apotheken-Umschau, oder sitzen wir längst im Wartezimmer und tauschen uns über diverse Zipperlein aus? Lässt ein Teenie in seinem Tagebuch sämtliche Verflossenen Revue passieren oder plädiert eine selbstbestimmte, erwachsene Frau für Feminismus, freie Liebe und Polyamorie?

Ich schätze, alles, das "Nackt" unter seinem dem Resultat angemessen plumpen Titel ineinanderquirlt, dient schlicht der Traumabewältigung. Anlass dafür gibt es: Zu den vielen Banalitäten und Plattitüden und der recht schamlosen Albumpromo rührt die Autorin in ihren ermüdenden Buzzword-Salat nämlich auch noch eine wahrhaftig tieftraurige Geschichte von Kindesmissbrauch. Das wiederum erschwert ungemein, so hart auf dieses Buch einzudreschen, wie man ob der strunzlangweiligen Prosa und des immer wieder durchdringenden, eklig belehrenden Dozentinnentonfalls gerne würde. Hier spricht eine zutiefst verletzte Seele, da tritt man nicht auch noch drauf. Das Buch bleibt trotzdem scheiße und der der begründete Verdacht bestehen, dass eine Therapie vielleicht nachhaltiger helfen würde als Versuche, schlimme Erlebnisse irgendwie in Eigenregie zu verarbeiten.

Wer hats geschrieben?

Jennifer Weist kam als Frontfrau der nach ihr benannten Band Jennifer Rostock zu Bekanntheit, deren Aktivitäten allerdings seit 2017 pausieren. Als Solo-Musikerin firmiert sie unter dem Namen Yaenniver. Sie tingelte bereits durch diverse TV-Formate von Talkshows bis "Das perfekte Dinner". 2023 gewann sie im Gewand der Eisprinzessin die neunte Staffel "The Masked Singer". Abseits der Musik versuchte sich Weist als Moderatorin und Modedesignerin. Sie engagiert sich für Feminismus, Belange der LGBTQ+-Community und gegen rechts.

Wer solls lesen?

Bitte nur, wen die dutzendweise vorangestellten Triggerwarnungen nicht abschrecken. Zwischen sehr viel Mumpitz und Großmäuligkeit lauert, wie gesagt, durchaus Stoff mit erheblichem Re-Traumatisierungspotenzial. Womit keineswegs nur der über weite Strecken furchtbare Schreibstil gemeint ist.

Das beste Zitat:

"Bis heute begreife ich nicht, wie man stolz auf ein Land sein kann, in das man ohne eigenes Zutun hineingeboren wurde. Ich bin nicht stolz darauf, aus Mecklenburg-Vorpommern zu stammen, aber genauso wenig darauf, in Berlin zu leben oder Deutsche zu sein. Ich wertschätze weder unsere Traditionen noch unsere Bräuche oder Feste, vor allem nicht, wenn sie mit dem christlichen Glauben zu tun haben. Weihnachten oder Ostern feiere ich seit Jahren nicht mehr, Vatertag oder das Oktoberfest sind für mich reine Besäufnisse und kein Kulturgut."

Wertung: 2/5

Text von Dani Fromm

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