In Johann Scheerers neuem Roman "Play" begleiten wir den Berliner Musikmanager David auf seiner wilden Reise mit dem sehr anstrengenden britischen Weltstar Ian White.
Hamburg (jas) - Johann Scheerer ist Gründer und Betreiber von Clouds Hill in Hamburg. Hier vereinen sich Tonstudio, Label und Musikverlag seit 2005. Johann landet schon früh im Musikbusiness und bekommt bereits mit 17 Jahren einen Plattenvertrag bei Sony Music. Mit der Band Score! geht es 2000 für ihn und seine drei Mitmusiker auf Deutschlandtour. Es folgt ein Soloprojekt und 2003 startet er mit der Gründung des eigenen Tonstudios Rekordbox.
Mit dem Musikproduzenten und Komponisten Thies Mynther (Stella, Die Sterne, Superpunk) baut er später das analoge Tonstudio Clouds Hill Recordings auf. Hier entstehen Songs mit nationalen und internationalen Stars wie Wolf Biermann, At The Drive-In und Pete Doherty. Als Vater und Musikproduzent balanciert Johann zwischen Kindererziehung und der Arbeit mit verschiedenen Musiker:innen, deren Umgang auch nicht immer so einfach ist.
Mit diesem Balanceakt hat auch sein Protagonist David zu tun. In Johann Scheerers neuem Roman "Play" begleiten wir den Berliner Musikmanager auf seiner wilden Reise mit dem sehr anstrengenden britischen Weltstar, Ian White und seinen eigenen vier Kindern. Wie schafft man es, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu bekommen?
Das fragen sich sicherlich viele Eltern. "Play" erzählt den ganz normalen (Alltags)wahnsinn zwischen Kreativität und Kinderbetreuung. David freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem Superstar Ian White. Das ist eine große Chance und er mag die Musik von ihm. Er merkt aber auch schnell, wie viel Zeit der Musiker in Anspruch nimmt, und David hat ja auch noch seine vier Kinder zu betreuen. Mit der Mutter der Kinder ist er nicht mehr zusammen, was häufig zu langandauernden Auseinandersetzungen führt. David versucht, es allen recht zu machen. Das ist nicht immer einfach. Ian hat ein Drogenproblem, einen eigenwilligen Charakter, ist verlässlich oft telefonisch nicht zu erreichen, und seine Ex sieht in allem sowieso immer ein Problem. Ian verweigert sich den neuen Medien. Keine Zoom-Meetings und deshalb muss man ihn manchmal auch spontan in Malibu persönlich treffen. Während Davids Ex-Freundin ständig am Telefon etwas an ihm zu kritisieren hat, muss er morgens all seine Kräfte und Nerven zusammennehmen, wenn die Jüngste im Kindergarten nicht ihre Hausschuhe anziehen will.
Derartige Konflikte und Stresssituationen beschreibt der Autor Johann Scheerer sehr ausführlich und oft mit einer guten Portion Humor. Anders wären die ständigen Eskalationen und Streitereien auch nicht zu bewältigen. Johann bringt hier sicherlich auch eigene Erfahrungen und Erlebnisse mit ein. Die Parallelen zwischen Ian White und Pete Doherty kann man sich selbst zusammenreimen. Als Leser hätte man den Musiker schon längst vor die Tür gesetzt. Das Verhalten oft vergleichbar mit dem eines störrischen Kindes. Als Leser ist man immer wieder verblüfft, wie ruhig David bei diesem ganzen Chaos bleibt. Ziemlich lässiger Typ, denkt man. Da verwundert es auch nicht, dass er seine vier Kinder mit auf Tour nimmt. Ian Whites Band gehen auf Konzertreise, und der Musikmanager muss natürlich dabei sein. Während die Ex-Frau mit ihrem neuen Partner auf Selbstfindungs-Trip geht, bleibt David nichts anderes übrig, als seine Kinder mitzunehmen. Im Tourbus mit kiffenden Rockstars. Die etwas andere Selbsterfahrungsreise.
"Play" ist der dritte Roman von Johann Scheerer. Nach "Wir sind dann wohl die Angehörigen" (2018) und "Unheimlich Nah" (2021) offenbart Scheerer ungeniert den Blick in das Musikbusiness. Wie werden Kinder in diesem Business aufgenommen und haben sie dort überhaupt einen Platz? Wie tüftelt man konzentriert an Songs und muss aber gleichzeitig an das Abendessen für die Kids denken? Das Telefon klingelt natürlich immer im schlechtesten Moment. Das kann man aber auch mit jeder anderen Branche vergleichen. Die Strapazen der Kindererziehung neben dem Job, die für manche Leute einfach mal so nebenher passiert, bleiben die gleichen. Die Erfüllung des Berufes, die Selbständigkeit und damit verbundene Erreichbarkeit (wenn es nach Ian White geht, gerne rund um die Uhr) das Miteinander zwischen Familie, Auftraggeber und dem privaten Umfeld. Eine atemlose Achterfahrt, die zu komischen Situationen, aber auch bis hin zu absoluten Erschöpfungszuständen führt. Ein lesenswerter Roman über einen Musikproduzenten, der seine Arbeit liebt, aber selbst keinerlei Rockstar-Allüren aufweist. Er will ganz einfach nur seine Kinder erziehen und dabei authentisch und kreativ bleiben.
Noch keine Kommentare