Der Prince of Darkness öffnet seine Krankenakte: OPs und Reha prägten seine letzten Lebensjahre. Tragikomische Zugabe einer Metal-Institution.

Birmingham (gbi) - Jeder wusste, dass er kein Springinsfeld mehr war. Wie schlimm es um Ozzy Osbourne zuletzt stand, konnten Außenstehende aber nicht einmal erahnen. Mit dem zweiten, posthum erschienenen Teil seiner Memoiren bringt der Prince of Darkness jetzt Licht ins Dunkel – oder genauer: in einige seiner dunkelsten Stunden.

"Last Rites" wurde kurz vor Ozzys Tod fertiggestellt, der im Juli 2025 und nur knapp drei Wochen nach seinem Abschiedskonzert "Back To The Beginning" in Birmingham dann doch recht überraschend kam. Ein liebloser Schnellschuss also? Nun, die Aufmachung könnte diesen Verdacht stützen – kein einziges Foto findet sich auf diesen knapp 370 Seiten, was wirklich ein Jammer ist. Der Ärger verfliegt jedoch bei der Lektüre so rasch wie eine Fledermaus, die ihren Kopf behalten will: Der Metal-Methusalem schildert pointiert, rührend und teils überraschend detailliert, wie es für ihn von einem gesundheitlichen Tiefschlag zum nächsten ging. Immer mit dem patentierten Ozzy-Schalk.

Die Visite eines ungleichen Ärzte-Duos beschreibt er etwa wie folgt: "The neck surgeon looked like a Range Rover salesman with a shiny suit, tasselled loafers, a pocket handkerchief and manicured hands. (...) Meanwhile, the Parkinson's guy looked like he'd just walked off a Margaritaville cruise." Da wähnt man sich doch in besten Händen.

Das Kingsize-Bett verfehlt

Die gesundheitlichen Leiden des Black-Sabbath-Sängers gehen aufs Jahr 2003 zurück, als er bei einer Quad-Bike-Spritztour verunfallte, sich mehrere Rippen brach und den Nacken demolierte. Das war eigentlich längst repariert und vergessen – sollte ihn aber wieder einholen. Es war eines Nachts im Februar 2019, als Ozzy es irgendwie hinbekam, nach einem nächtlichen Gang aufs Klo neben sein Kingsize-Bett zu hüpfen. Das einzige, was er am Boden liegend gurgeln konnte, war: "My fucking neck!"

Offenbar ist es keine sonderlich clevere Idee, mit 70 Jahren und lädiertem Genick schwungvoll auf den Fußboden zu knallen. Der Sturz riss die alten Nackenverletzungen wieder auf. Das sollte der Todesstoß für seine Abschiedstournee sein. Bloß wusste das damals noch niemand. Das Ende kam schleichend, doch unerbittlich.

Es folgt ein schier unüberblickbarer Dominoeffekt aus Operationen, Komplikationen, Reha, Rückschläge, Erkrankungen, Entzündungen, Korrektureingriffen und sonstigen Fuck-ups. Sieben OPs in fünf Jahren zählt Ozzy gegen Schluss des Buches, und man fühlt mit dem Kerl wahrlich mit, dass er zwischenzeitlich jegliche Zuversicht verloren hat. "Each surgery would wipe out all the physical therapy gains from the previous one. Meaning I'd be starting over again each time." Uff. Alt werden ist per se kein Vergnügen, erst recht nicht, wenn man mehr als fünf Dekaden lang ein " hopeless drug addict and world-class alcoholic" war. Sein Parkinson macht es auch nicht besser.

Schlimmer als befürchtet

Auch Fans, die das Leiden des alten Osbourne aufmerksam verfolgt haben, realisieren wohl erst durch "Last Rites", in welch mieser Verfassung der Sänger zuletzt war. Ehefrau/Managerin Sharon hielt da feste den Deckel drauf.

Beispiel erste Nackenoperation: Da freut sich Ozzy – ganz der alte Junkie – noch darauf, mal wieder mit dem Betäubungsmittel Propofol ausgeknockt zu werden: ZONK! Als er aufwacht, spürt er aber seinen rechten Arm nicht mehr, seine Beine auch kaum, und sein Hals ist in einem 'Dracula-Kragen' fixiert. Ozzy erfährt, dass er tagelang bewusstlos auf der Intensivstation lag, während derer sich lebensbedrohliche Blutgerinnsel bildeten und sich seine Lunge mit Flüssigkeit füllte. Die Ärzte kämpften um sein Leben. "At one point, I was on sixty-four different medications every day. I'd never taken so many drugs in my life, which was fucking saying something", scherzt er.

Selbst Tage vor seinem finalen Gig in der alten Heimat Birmingham diesen Sommer liegt Ozzy wieder mal im Spital. Als er mitbekommt, dass sich ein Besucher angemeldet hat, um John Osbourne zu sehen (wie Ozzy mit bürgerlichem Namen heißt), wittern er und Sharon die britische Boulevardpresse. Sie schicken ihre Security-Schränke los, um den Kerl einzuschüchtern. Die Pointe: "It turns out his name's Bob Osbourne or something. He really had come to see his brother. Who really was called John." Oha. Da ist eine Entschuldigung fällig. Die Passage gibt einen guten Eindruck davon, was die Leser*in erwartet: Wo Ozzy auftaucht, ist Chaos programmiert.

Schuldgefühle nach Randy Rhoads' Tod

Ozzy nutzt das Buch auch dazu, über die Vergänglichkeit zu sinnieren (mit Lemmy sprach er oft darüber, wie ein gutes Ende aussehen könnte), er erklärt Sharon seine Liebe und lässt in aller Kürze die Karrieren mit Black Sabbath und als Solokünstler Revue passieren. Der Unfalltod seines Gitarristen Randy Rhoads und der Stylistin Rachel Youngblood auf einer Tour 1982 nimmt hierbei besonders viel Platz ein, denn diese Tragödie lässt Ozzy mit schweren Schuldgefühlen zurück: Warum nur mussten die beiden sterben, wohingegen ein Drogenwrack wie er verschont blieb? Im Alter kommt er zum Schluss, dass es Schicksal gewesen sein muss.

Was im Vergleich zu seiner ersten Autobiografie "I Am Ozzy" von 2010 positiv überrascht: In "Last Rites" erfährt man viel mehr über Ozzy, den Musiknerd. Wie ihn die gehypte Beatles-Doku von Peter Jackson (fast) zu Tode langweilte. Wie Sohnemann Jack ihn im Krankenhaus nach einer weiteren Hiobsbotschaft aufmuntert, indem er volle Pulle "Electric Avenue" blastet, einen seiner Gute-Laune-Songs. Dann ist da noch eine schräge Obsession mit einem Wah-Wah-Pedal, das Eric Clapton für seinen Gastauftritt auf "Patient Number 9" unbedingt benutzen sollte (wirklich: unbedingt). Amüsant auch die Episode, wie Ozzy das 1986er-Album "So" von Peter Gabriel rund um die Uhr hören musste – und seinen Bodyguard damit an den Rand eines Nervenzusammenbruchs brachte.

Dass quasi nebenbei alle möglichen Abstürze und Exzesse, die ein Mensch in seinem Leben unterbringen kann, abgehandelt werden, liegt auf der Hand. Wer checkt schon aus der Betty-Ford-Klinik aus und betrinkt sich im Flieger gleich bis zur Bewusstlosigkeit? Ozzy bleibt nun einmal Ozzy, Sucht und Legendenbildung gehen genauso Hand in Hand wie Tragik und Komik. Und er würde alles wieder genauso machen. "Last Rites" schildert die letzten Jahre eines Unikats mit all ihren Ups and Downs, hier und da etwas Tiefgang, und sehr, sehr viel Humor. Eine herzerwärmende Art für Fans, sich vom Prince of Darkness zu verabschieden.

Fotos

Black Sabbath

Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Black Sabbath,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

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