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Pöbel MC

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Pöbel MC: Kreativ produktiv, aber langweilig. Selbst aktuell (5. Juni), mit tagsüber geöffneten Kneipen und sonstigen 'Lockerungen' ists irgendwie vergleichsweise öde. Berlin fühlt sich an wie ich mir Stuttgart vorstelle, aber ich wollte nie in Stuttgart leben.

Wie wird dich der Lockdown prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für dein Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Irgendwas bleibt wohl immer haften vom jeweiligen Lebensabschnitt, seis in diesem Fall, dass viele Dinge die wir bisher für selbstverständlich verfügbar gehalten haben, dies eben nicht sind. Auch war es recht erstaunlich bis bedrohlich zu sehen, wie sehr der Staat in Freiheitsrechte eingreifen kann, ohne in jedem Fall wirklich zwingende Argumente dafür zu liefern. Das ist aber natürlich auch ein Resultat der allgemeinen, wissenschaftlichen Unklarheiten bezüglich der Ausbreitung von Covid-19 und vielfach sicher in guter Absicht geschehen. Trotzdem sollte man diesbezüglich wachsam sein, ganz unabhängig von Corona. Umgekehrt wars auch schon recht amüsant wieviel konspirativen Schwachsinn die ganze Krise zu Tage gefördert hat - ich liebe Realsatire und finde darin auch künstlerische Inspiration.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Bist du schon kräftig am Konzerte organisieren?

Yes. Die Mission Impöbelble Tour 20/21 steht. Grüße an Big Sjard One von Audiolith Booking!

Auftreten ist für Acts das A und O. Aber rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

Finanziell ist das natürlich abzuwägen, aber ideell lohnen sich Konzerte in jedem Fall. Es ist einfach etwas Schönes wie ein reimender Räuber durchs Land zu ziehen, neue Leute kennenzulernen, bisschen Cash zu machen und sich zu bespaßen. Streamingkonzerte entbehren diesen Gedanken komplett, da sie keine Örtlichkeit besitzen. Deshalb, und weil man nicht ordentlich gemeinsam ausrasten kann, sind sie auch so uninteressant.

Was kann man tun, um sich als Musiker*In finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?

Das hängt ein bisschen davon ab, was man zu musikalischen Tätigkeiten zählt. Wer dieser Tage pur von Musik leben möchte und eventuell noch in einem Genre tätig ist, dass der breiten Masse weniger zugewandt/zugänglich ist, hat es teilweise schwer. In solchen Fällen läuft nun eventuell langsam die Lehrtätigkeit an, oder es wurden digitale Wege des Auftretens und der Monetarisierung gefunden. Wer das Musiker*innendasein eher als diversifizierte Selbstvermarktung mit Musik betrachtet, hat viele Optionen. Merch, YT-Formate, Werbeverträge usw. Das hat nur dann alles eben oft wenig mit Musik zu tun, daher wünsche ich mir sehr, dass wir bald wieder zum wichtigsten und ehrenvollsten Kerngeschäft Auftreten und Livezerstören zurückkehren.

Wie ist die Situation konkret für dich: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Ich denke vielen MusikerInnen/Kulturschaffenden, gerade solchen mit Familie etc., wird viel zu wenig geholfen. Auch weil in der bürgerlich/staatlichen Logik das MusikerInnen-/KünstlerInnendasein eh als etwas angesehen wird, das selbstgewählt am Existenzminimum stattzufinden hat, und Leute daher angeblich damit Leben müssen, in derartigen Zeiten nicht ihrer künstlerischen Tätigkeit vollständig nachgehen zu können. Das ist Unsinn und verkennt sowohl die eigentliche Arbeit, die im Aufbau einer künstlerischen Existenz steckt, als auch die essenzielle gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur. Für mich konkret ists soweit halb so wild, vor allem weil ich wenig Ausgaben habe, ein Hustler bin und ja, eh Toptenrapper, lol.

Pöbel MC verteilt seit 2015 außerhalb des Dunstkreises der Gesinnungsgenossen von Waving The Guns Schellen und bekämpft dabei Sexismus, Rassismus und Homophobie. Sein "Pöbel Sports Tape" erschien 2019.

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