Seite 3 von 22

Sand im Kopf

Diskurs Ende? Noch lange nicht. In der Welt geht Spongebozz- und MontanaBlack-"Auto"biograf Dennis Sand ebenfalls auf Renes selbst als solchen bezeichneten "Essay" ein und pflichtet ihm unter Vorbehalt bei. Komm, Dennis, erklär uns doch mal, wieso Deutschrap gerade im Sterben liegt.

Um euch den Klick auf einen Welt-Artikel zu sparen: Sand streitet nicht ab, dass es einen Wandel in der Szene gibt und schon immer gegeben hat, empfindet diesen allerdings heute als Sackgasse. Anders als der Paradigmenwechsel Anfang der 2000er, wo die Rapper um Aggro Berlin den Idealen der 90er den Kampf angesagt hätten, würde heute nicht länger etwas Neues das Alte ersetzen, sondern alle Wege in Richtung der Popmusik verlaufen. So sei Rap nicht länger nur Rap, sondern eben auch Ballermann, Techno oder TikTok.

Das lässt sich im Grunde nicht von der Hand weisen. Nur sehe ich darin, anders als Sand, eben nicht das Sterbebett der Rapmusik. Sand behauptet, Rap sei nicht nur so bunt und vielfältig wie nie zuvor, sondern auch so beliebig. An dieser Stelle widerspreche ich meinem Hass für viele Auswüchse, die populäre Rapmusik hierzulande gebildet hat, zum Trotz vehement. Nicht, weil ich großer Fan von deutschem Mainstream-Rap bin, sondern weil es früher nicht anders gewesen ist. Die Musikszene ist schnelllebiger geworden, hat sich weiter ausdifferenziert, aber nur, weil Hip Hop vor zehn, zwanzig Jahren eine geschlossenere Identität hatte, klang er deshalb über weite Strecken nicht weniger austauschbar.

Die gleichen Sparten, die 2010 existierten, auf die Sand, Rene und so viele andere mit der rosaroten Brille schauen, gibt es immer noch. Sie fanden damals nicht an der Spitze der deutschen Industrie statt oder tönten besonders originell, und sie tun es auch heute nicht. Dass sich daneben noch ein paar Dutzend weitere Stilrichtungen entwickelt haben, schadet diesem Mikrokosmos nicht. Nur weil eine Shirin David oder ein Ski Aggu gerade eben den Zeitgeist dominieren, heißt das nicht, dass ein Haftbefehl oder ein Farid Bang nicht immer noch Hallen füllen könnten oder dass auf irgendwelchen lokalen Battlerap-Turnieren nicht die Hütte brennt. Das Fundament ist nicht weggebrochen, das Genre ist seiner schlichtweg überdrüssig geworden.

Das ganze Untergangs-Gerede daran festzumachen, dass ein paar peinliche Altstars in ihrem Karriere-Herbst ihre Seelen an Medienkonglomerate und Online-Casinos verkaufen, während Hip Hop schon seit jeher eher ein Young Man's Game ist, finde ich ebenso wenig zielführend. Auch das Argument, dass die einst so dominante Anti-Haltung vom Pop ausgehebelt worden sei, zweifle ich damit einhergehend an. Die Feindbilder der neuen Generation sind eben nicht mehr dünne Oberarme, Schwule oder Popmusik, sondern eben jene Rapper, die das bis heute propagieren. Aber dass ein Autor, der Shindys neues Album mit den Worten "Gay-Bitch-Ästhetik" beschreibt, darin keine legitime Gegenbewegung sieht, verwundert nicht.

Seite 3 von 22

Weiterlesen

Doubletime Ach, Hip Hop ist tot?

Zweifelhafte Rückendeckung für MC Rene. PA Sports lässt Yakary fallen. Crowdfunding fürs JBB. Franz Pökler tief im Osten. SZA vs. Nicki Minaj.

3 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 2 Tagen

    Die Oldheads von damals haben Kollegah, Farid Bang und Haftbefehl btw gehasst. "Austauschbare Musik aus der Dose! Die mit ihren Synthesizern! Pfui! Echter Hip-Hop kommt eh nur aus Amerika... aber nur Nas, Gang Starr, Wu-Tang Clan und Helta Skeltah und dieser eine Indie-Rap-Artist mit dem einen zehnminütigen Song und nicht Nelly! Ich wiederhole NICHT NELLY! Kool Savas macht zwar Scheiß-Musik, aber sein Output da Berlin, Royal Bunker, das respektieren wir! Hört wenn überhaupt mehr Blumentopf!"

    Ich kann mich da sehr lebhaft dran erinnern. Jetzt Jahre später zu hören, wie Haftbefehl usw. die Generation der "Realen" darstellt und alles neue kein echter Hip-Hop ist, ist einfach so todeslächerlich und überheblich.

    Ich freu mich schon darauf, wenn die ersten Gen-Alpha-Journalisten uns erzählen, dass Technorap früher nur durch reale Musiker wie Ikkimel, Ski Aggu und Vicky stattfand, als Tiktok noch eine Plattform war, wo alle noch authentisch getanzt haben und nicht ihren Hüftschwung mit KI korrigierten.

  • Vor 2 Tagen

    Mal positiv gedreht: Es ist doch das Geile, dass es so viel guten Rap aus der Zeit, bevor es wack wurde, gibt. Einfach die Platten von früher auflegen und gut ist. Ich will mich auch nicht mehr aufregen.

  • Vor einem Tag

    Ich muss aber auch sagen, dass nur wenige Alben aus meiner Deutschap-Hype-Zeit (2007-2017) in dem Sinne überlebt haben, dass ich sie heute noch gern höre.
    Vielleicht war das Genre schon immer tot :D