Filmreview: Westernhagen Live - Das Konzert 1989 – laut.de

Den Konzertmitschnitt von 1989 gibt es nun in Kinoqualität. Der Film zeigt Westernhagen auf dem Höhepunkt seiner Rockstarkarriere.

Berlin (jmb) - "Ich bin kein Nostalgiker", sagt Marius Müller-Westernhagen am Mittwochabend in der Berliner Astor Lounge. Zur Neuauflage seines Konzertfilms "Westernhagen 'Live' - Das Konzert 1989" richtet der Schauspieler und Sänger einige persönliche Grußworte an seine Fans, die ihn mit einer Standing Ovation empfangen. Doch so plötzlich, wie er kam, geht er auch wieder. Westernhagen hat eben nach wie vor "keine Zeit für die Vergangenheit".

Anders geht es den Kinogästen, die sich an diesem Abend mit hörbarem Enthusiasmus in ein ganz anderes Kapitel transportieren lassen. Die Zeitreise zu jenem Konzert im Dezember 1989 dauert 74 Minuten, doch die straff zusammengeschittene Setlist lässt keine Langeweile aufkommen. Zwischen den von Energie übersprudelnden Songs gibt es nur ganz kleine Pausen mit kurzen Backstage-Sequenzen, in denen die Band hinter der Bühne rumblödelt. Die Aufnahmen entstanden unter der Regie von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher. Der Konzertmitschnitt erschien bereits 2006 auf DVD. Nun wurden die Videoaufnahmen restauriert sowie die Tracks neu abgemischt und für den Blu-ray-Release zu Dolby-Atmos-Qualität aufpoliert.

Wir befinden uns im Dezember 1989. Die Berliner Mauer gibt es seit ein paar Wochen nicht mehr. In der zum Bersten gefüllten Hamburger Sporthalle herrscht eine elektrisierte Stimmung. Westernhagen hat gerade sein Album "Halleluja" veröffentlicht. Die Tour ist restlos ausverkauft. Als Westernhagen die Bühne betritt, bricht frenetischer Jubel los, der während des gesamten Auftritts nicht wesentlich abebbt.

Das Feiern nicht versäumen

Westernhagen steht auf dem Höhepunkt seiner Rockstarkarriere. Mit einer großartigen Besetzung, darunter ein Blechbläser-Trio, zwei E-Gitarren, Keyboard und Drums, gibt er dem Publikum, was es will. Fan-Favoriten wie "Sexy", "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz" und das (ironisch gemeinte, aber oft missverstandene) "Dicke" erzielen die gewünschte Wirkung: Die Stimmung eskaliert. Mehrere Saxofon-Soli bringen den Sänger und die Halle zum Tanzen. Marius schwingt die Hüften, macht Jazz hands, spielt Mundharmonika und ab und zu ein bisschen Gitarre, aber nicht so richtig, denn die meiste Zeit wedelt er ausdrucksvoll mit den Armen. "Denn wenn ich das Licht seh', gibt es keine Fragen mehr", singt er und zeigt auf die Scheinwerfer. Schon ein bisschen melodramatisch, aber er ist schließlich auch Schauspieler. Eine Prise Drama darf da nicht fehlen.

Beim Country-inspirierten Song "Johnny W." singen alle lauthals mit. "Freiheit" hat mit seinem Hymnencharakter einen fast religiösen Anklang und angesichts der weltpolitischen Ereignisse eine ganz neue Bedeutung: Alle, die von Freiheit träumen, sollen's Feiern nicht versäumen (...) Freiheit, Freiheit ist das Einzige, was zählt."

Wunderkerzen statt Smartphones

Aus heutiger Sicht fällt vor allem eines auf: die Abwesenheit der Smartphones. Wir sehen Feiernde, die den Moment ganz bewusst erleben und dabei komplett loslassen. Bei den wenigen ruhigeren Balladen funkeln dem Sänger tausende Wunderkerzen entgegen. Zum Schluss fallen bunte Ballons von der Decke und Westernhagen sieht für einen Moment so aus, als wolle er gleich ins Publikum springen (macht er aber dann doch nicht).

Das Bonusmaterial enthält unter anderem ein Interview mit Westernhagen und die Geschichte des Making-of, erzählt von den Regisseuren. Der Film eignet sich für langjährige Westernhagen-Fans, die noch einmal das Feuer der glorreichen Tage spüren wollen. Zu spät Geborenen geben die Aufnahmen einen lebendigen Eindruck in die Tragweite des Phänomens Westernhagen: Die Konzertstimmung offenbart, wie stark seine Songs damals zündeten.

Tracklist