Der Eurovision Song Contest soll zur Völkerverständigung beitragen. Doch der Beitrag des Gastgeberlandes setzt auf nationalistische Töne.

Belgrad (mmö) - Vorgestern Abend gewann die Sängerin Jelena Tomašević den serbischen Vorentscheid zum diesjährigen Eurovision Song Contest. Sie wird mit ihrem Lied "Oro" am 24. Mai in Belgrad antreten, um den Titel zu verteidigen, den ihre Landsfrau Marija Šerifović mit "Molitva" im letzten Jahr in Helsinki gewann.

Doch kaum ist die Qualifikation auf dem Balkan abgeschlossen, melden sich die Kritiker zu Wort. Angeblich trägt ihr Song, der nach einem traditionellen Tanz benannt ist, eine politische Message: Das Kosovo ist und bleibt serbisch. Die Teilrepublik hatte am 17. Februar seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, dieser Schritt hatte - nach der Anerkennung durch die meisten europäischen Regierungen, darunter auch Deutschland - zu Protesten geführt und für Unruhen gesorgt.

Nationalistisch gesinnte Serben sehen das Kosovo historisch als untrennbaren Teil Serbiens. Diese Ansicht ist begründet im Mythos um die sogenannte Schlacht auf dem Amselfeld, die im Jahr 1389 in der Nähe der kosovarischen Hauptstat Priština statt fand. Damals standen sich Serben und Osmanen gegenüber, die Serben wurden vernichtend geschlagen.

Die Nichtakzeptanz des Kosovo als unabhängigem Staat zieht sich in Serbien seit dem Februar quer durch das demokratische Lager. Und so droht "Oro" laut Beobachtern des Vorentscheids in Belgrad, Öl ins nationalistische Feuer zu gießen. Dabei klingt der Text in einer englischen Übersetzung recht harmlos, auch wenn Tomašević sich auf den Vidovdan, den Nationalfeiertag, der an die Schlacht auf dem Amselfeld erinnert, bezieht. Sie singt: "Weck mich am Vidovdan, dass ich ihn wieder sehe". Wer mit "ihn" gemeint ist, bleibt unklar. Handelt es sich um einen serbischen Kämpfer? Um das Kosovo?

Und so mutmaßt Jan Feddersen, taz-Redakteur und Autor des Song Contest-Buches "Ein Lied Kann Eine Brücke Sein": "Serbien verarbeitet den Verlust des Kosovos musikalisch". Symbolik spielt hier wohl eine große Rolle, denn Feddersen liest selbst das üppige rote Kleid als Referenz an das Blutvergießen auf dem Amselfeld. Aber: Ob nationalistischer Schlagerpathos oder nicht, letzten Endes ist doch nur interessant, ob der ESC in Belgrad problemlos über die Bühne gehen wird.

Die Organisatoren geben sich gelassen, betonen aber auch, wie eine versteckte Drohung gegen die Gastgeber, dass man sehr wohl einen Plan B in der Schublade habe. Man könne genauso gut nach Stockholm ausweichen. Die lokalen Veranstalter hingegen versichern, dass für die Sicherheit aller Gäste gesorgt sei. Allzu frisch sind scheinbar noch die Bilder des wütenden Mob, der im Februar mehrere Botschaften in Belgrad angriff.

Völlig in den Hintergrund tritt dabei die Tatsache, dass mit Frankreich mit Sébastien Tellier einen durchaus Ernst zu nehmenden Musiker nach Serbien entsendet. Seine lässige Dancepopnummer "Divine" unterscheidet sich doch arg von den schmalzigen Chanson-Nummern, die das Nachbarland traditionell an den Start schickt. Dennoch ist wohl leider nicht zu erwarten, dass es aus Deutschland heißt: France, douze points!

Fotos

Sebastien Tellier

Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner) Sebastien Tellier,  | © laut.de (Fotograf: Christoph Dorner)

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29 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    @Anonymous (« "den Verlust des Kosovo auf nationalistische Weise zu thematisieren"

    da lach ich doch.
    Wenn an dem 'Gesamtvorgang' was nationalistisch war, dann die gewaltsame Zersdchlagung der BR Jugoslawien zu Gunsten kaum bis gar nicht existenzfähiger Nationalstaaten. »):

    ah...ja...nicht nur drive-by-poster, sondern nebenbei auch noch komiker!
    sehr erfrischend.

    ich zumindest habe den starken eindruck, daß beispielsweise slowenien von bemerkenswerter demokratischer reife ist, ökonomisch f d geringe größe und bevölkerung schier unglaubliches in kürzester zeit aufgebaut hat und eine zivilgesellschaft verkörpert, die weltoffen ist und sich nicht ständig zwischen trunkenem selbstmitleidspathos oder aggro-belgrad-aktionen pendelnd geriert.

    folge: eu-mitgliedschaft

    noch fragen?

    lg dba

  • Vor 16 Jahren

    Geile Choreographie. :D

    Wirkt auf mich aber nicht sehr martialisch/militant. Und sie singt in ihrer Sprache. Verstehe ich zwar kein einziges Wort, finde ich trotzdem gut.

  • Vor 16 Jahren

    @Anonymous (« "den Verlust des Kosovo auf nationalistische Weise zu thematisieren"

    da lach ich doch.
    Wenn an dem 'Gesamtvorgang' was nationalistisch war, dann die gewaltsame Zersdchlagung der BR Jugoslawien zu Gunsten kaum bis gar nicht existenzfähiger Nationalstaaten. »):

    desweiteren:

    fakt ist:

    seit dem unfreiwilligen zusammenschluss des kosovo mit serbien 1912 durch annexion (wohingegen das ethnisch zugehörige albanien unabhängig wurde), sind die kosovaren nie richtig im verbund heimisch geworden.

    milosevic hat 1989 das fass zum überlaufen gebracht; mit der aufhebung der damaligen teilautonomie.

    wenn sich die gewalt immer wieder derart gegenseitig entläd, dass sich zeigt, es kann hier kein sinnvolles zusammenleben geben, ist es nur vernünftig, sich zu trennen.

    besser eine neutrale nachbarschaft als eine destruktive wg!!!!

    auch wenn es grundsätzlich keinen sinn ergibt - weder politisch noch ökonomisch - jedem gebiet v d grösse eines besseren rübenackers die staatl unabhängigkeit zu gewähren, so ist das hier doch alternativlos.

    lg dba

  • Vor 16 Jahren

    @laut.de (« <h3>Grand Prix: Das Musikfest wird politisch</h3>Eigentlich soll der Eurovision Song Contest zur Völkerverständigung beitragen. Doch der Beitrag des Gastgeberlandes steht im Verdacht, den Verlust des Kosovo auf nationalistische Weise zu thematisieren.

    <a href="http://www.laut.de/vorlaut/news/2008/03/12… Artikel</a> »):

    Ich verstehe nicht, was so schlimm ist den Schmerz von Verlust in einem Lied zu verarbeiten. Ich habe es satt, dass Serbien ständig kritisiert wird.

    Ja, die Menschen in Serbien leiden unter dem Verlust von Kosovo. Ich leide auch darunter, weil Kosovo meine schönsten Kindheitserinnerung sind und weil ich jetzt nicht dort hinreisen darf weil mein Leben in Gefahr wäre wenn ich es tun werde. Ich leide darunter, dass der Friedhof auf dem mein das Grab meines Vaters war angezündet und verwüstet wurde von Albanischen nationalisten. Darf man wirklich nicht mehr traurig sein, weil man ein Stück Heimat verloren hat.

    Seine Trauer in einem Lied auszudrücken, finde ich nicht schlimm. Tun wir das nicht alle.

    Nur, damit mir was nicht unterstellt wird weil ich ja Serbin bin. Nein, ich bin keine Kriegstreiberin und ich bin gegen Krieg. Auch wenn ich traurig und wütend bin über den Verlust meiner Wurzeln heißt das nicht dass ich mir irgendeinen Krieg wünsche oder dass irgendjemand verletzt werden sollte aufgrund dieser Tatsache. Das mußt ich jetzt schreiben, aufgrund des Vorurteils Serben=Kriegstreiber.

  • Vor 16 Jahren

    Ich habe mich mal bei meinen Verwandten informiert. Die wenigsten Menschen in Serbien wissen dass die Schlach auf dem Amselfeld am Vidovdan sattfand. Die meisten kennen den Vidovdan als einen "Hellseherischen Tag". Es wird gesagt (Aberglaube) das junge Mädchen in der Nacht zum Vidovdan ihren zukünftigen Bräutigam träumen. Diese gesamte Kritik kommt mir immer mehr vor wie schon wieder ein Versuch die Serben zu diskreditieren. Zudem wird der Vidovdan und der dazugehörige Aberglaube auf den vorchristlichen Paganismus zurückgeführt. Stammt also aus einer Zeit vor der Schlacht auf dem Amselfeld. Ja wenn man den Serben böses unterstellen will, kann man ja in allem irgenetwas Kriegstreiberischer hineininterpretieren.

  • Vor 15 Jahren

    Ich stimme meinen Vorredern vollkommen zu das, der Eurovision Song Contest (ESC)als eine Art Völkerverständigung verstanden und durchgeführt werden sollten in dem sich musikalisch alle Menschen sich begegnen und ihre negative Einstellung über Board werfen.

    Ich freue mich rießig wenn ein Sänger/in von einem Land gewinnt die überhaupt nicht damit rechnet. Man sieht und spürt die unendliche Freude und die Hingabe.

    Politische, ehtische oder religöse Hintergründe müssen immer weiter in den Hintergrund gelangen bis sie letztendlich verschwinden.

    Wir haben so großartige Menschen auf dieser Welt und sollten nicht unsere Zeit mit Kriegen verschwenden.