Aufatmen in Hamburg: Das traditionsreiche Molotow muss erst einmal nicht dichtmachen. Vor dem finanziellen Aus gerettet hat nicht die Stadt, sondern engagierte Fans und Gäste.

St. Pauli (loc) - Das Molotow, eine der besten Adressen für kleine bis mittelgroße Konzerte auf dem Kiez, muss doch nicht schließen. Eine anonyme Unterstützergruppe hat den Großteil der Summe für den Betrieb des angeschlagenen Clubs über den Jahreswechsel hinaus sichergestellt.

Im Juli hatten wir über die geplante Schließung des Molotows berichtet, nachdem Betreiber Andi Schmidt aufgrund der steigenden Kosten für den Konzertbetrieb und sinkender Einnahmen aus den Getränkeverkäufen den Mietvertrag gekündigt hatte.

Nach einem Spendenaufruf haben sich nun die Freunde und Stammgäste des Clubs zusammengetan und geschafft, was die Kulturbehörde in Hamburg versäumte: Das Molotow wird über ein weiteres Jahr gebracht und die Finanzierung gemeinsam gestemmt. Zur Errettung der Indierock-Institution veranstaltete man ein Benefizkonzert mit Muff Potter, richtete ein Spendenkonto ein und drehte einen Aktionsfilm. Parallel dazu organisierten sich die Gäste auf Plattformen wie StudiVZ oder Facebook und koordinierten Plakatierungen und Flyer-Aktionen.

Enttäuscht von der Stadt

Trotz der Erleichterung über die gesicherte Zukunft ist Molotow-Booker Mario Stresow allerdings enttäuscht vom ausgebliebenen Support der Stadt Hamburg: "Von dort ist null Unterstützung gekommen." Das Viertel St. Pauli sei im In- und Ausland als blühendes Szeneviertel bekannter als Hamburg selbst.

"Die [Stadt Hamburg] scheint dies jedoch nicht zu erkennen und sieht zu, wie Läden, die das einzigartige Flair dieses Viertels ausmachen, schließen und durch Supermärkte, Ketten und Systemgastronomie ersetzt werden", so Betreiber und Inhaber Andi Schmidt, der jetzt beruhigt die Volljährigkeit seines Hauses feiern kann.

Auch Mitarbeiter Micha hat längst bemerkt, dass das kränkelnde Molotow keine Ausnahme ist, sondern sich die Symptome des Aussterbens in der Hamburger Clubszene verbreiten: "Es geht uns auch gar nicht allein darum, unseren Laden zu retten", sagt er. "Wir würden hier ganz generell gerne eine Umgebung schaffen, in der Clubs wie das Molotow existieren können."

Weiterlesen

9 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    geil. und jetzt möchte ich bitte mein "indie-traditionsclub-retter"-shirt!

  • Vor 16 Jahren

    @Der Typ mit dem Plan (« Also mich wundert das nicht. Auch wenn das hier vielen wayne sein wird, ist doch festzustellen dass immer mehr Clubs, Kultur- und Konzerteinrichtungen bundesweit schließen... bzw. es vielen nicht mehr so gut geht wie früher, gerade die etablierten! »):

    Schon, aber es kann doch nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, jedes Unternehmen zu retten, das wirtschaftlich am Ende ist.

    Gruß
    Skywise

  • Vor 16 Jahren

    @Skywise (« @Der Typ mit dem Plan (« Also mich wundert das nicht. Auch wenn das hier vielen wayne sein wird, ist doch festzustellen dass immer mehr Clubs, Kultur- und Konzerteinrichtungen bundesweit schließen... bzw. es vielen nicht mehr so gut geht wie früher, gerade die etablierten! »):

    Schon, aber es kann doch nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, jedes Unternehmen zu retten, das wirtschaftlich am Ende ist.

    Gruß
    Skywise »):

    Nicht jedes Unternehmen. Aber ein Land, in dem Milliarden von Euros auf kommunaler, Landes- und Bundesebene in Kulturförderung geblasen werden, darf man doch mal fragen, inwieweit Theater und Musical jetzt mehr Kultur sind als Livekonzerte mit zeitgenössischer Musik.

    Manche Dinge haben einen Wert, der sich nicht auf buchhalterische Weise ausdrücken lässt. Manche dieser Dinge werden niemals wirtschaftlich funktionieren können, und das ist auch richtig so.

    Der Kunst tut es nämlich nicht unbedingt nur gut, wenn sie sich völlig wirtschaftlichen Zwängen unterwerfen muss.

  • Vor 16 Jahren

    @Skywise (« @BzR (« Aber ein Land, in dem Milliarden von Euros auf kommunaler, Landes- und Bundesebene in Kulturförderung geblasen werden, darf man doch mal fragen, inwieweit Theater und Musical jetzt mehr Kultur sind als Livekonzerte mit zeitgenössischer Musik. »):

    Du kannst zwar fragen, aber da wirst Du Dir vermutlich auch zwangsläufig die Rückfrage gefallen lassen müssen, warum deutsche Mittel in einen Club investiert werden sollen, in dem großteils nicht-deutsche Interpreten mit nicht-deutschen Texten auftreten. Ich weiß nicht, ob man das als Förderung der deutschen Kultur betrachten sollte.
    Ich könnte verstehen, wenn hier ein lokaler Radiosender oder so Interesse zeigt, aber die Stadt Hamburg dürfte unter diesen Gesichtspunkten eher die Füße stillhalten. »):

    Hmmm, find ich kein überzeugendes Argument. Ich denke, ein bezuschusstes Klassikorchester wird auch nicht bluten, wenn sie Vivaldi statt Bach spielen, und wenn im Stadttheater XYZ Shakespear gegeben wird, werden wohl auch keine Zuschüsse gekürzt. ;)

  • Vor 16 Jahren

    @BzR (« Hmmm, find ich kein überzeugendes Argument. Ich denke, ein bezuschusstes Klassikorchester wird auch nicht bluten, wenn sie Vivaldi statt Bach spielen, und wenn im Stadttheater XYZ Shakespear gegeben wird, werden wohl auch keine Zuschüsse gekürzt. ;) »):

    Wohl eher nicht :D
    Aber die meisten bezuschußten Klassikorchester und Theaterensemble spielen in einer Spielzeit ja etwas mehr als nur ein einziges Programm, da hat man noch Möglichkeiten des "Ausgleichs".

    Gruß
    Skywise

  • Vor 16 Jahren

    am sa war ja ein event im molotow...habe auch gehört, daß es gut gewesen sein soll.
    ich hoffe einfach mal nicht, daß es aussterben wird, da es schwer wäre eine ähnliche location in dieser szene zu etablieren. außerdem wäre der verlust des molotows ein rückschlag für die hamburger indieszene.