Stefan Raab setzt seiner Grand Prix-Erfolgsstory die Krone auf: Mit sattem Vorsprung holte sein Schützling Lena den Sieg in Oslo.
Oslo (dani) - Mit solidem Vorsprung ging Lena Meyer-Landrut am Samstagabend als Siegerin aus dem 55. Eurovision Song Contest in Oslo hervor. Ihre Nummer "Satellite" strich 246 Punkte aus den teilnehmenden 39 Nationen ein und bescherte der Hannoveranerin einen satten Vorsprung vor den Zweitplatzierten aus der Türkei: Deren rockende Truppe maNga brachte es mit "We Could Be The Same" trotz funkensprühendem Auftritt samt strippendem Roboter nur auf 170 Zähler.
"Das kann nicht wahr sein. Ihr seid verrückt! Ihr seid verrückt!", stammelte Lena, als sie nach der Verkündung des Ergebnisses ihr unaufwändiges Popliedchen ein zweites Mal vorgetragen hatte. "Ich weiß nicht, wo ich jetzt hinsoll. Ich quatsch' einfach noch ein bisschen." Zwar endete in diesem Moment die Live-Übertragung aus der norwegischen Hauptstadt. Die Feierlichkeiten im deutschen Lager dürften aber noch ein wenig angedauert haben: Immerhin bedeutete Lenas Erfolg den ersten deutschen Sieg in der Grand Prix-Geschichte, seit 1982 Nicole mit ihrer Bitte um "Ein Bisschen Frieden" die Schlagerwelt einlullte.
Ganz ohne Titten, Trommeln, Theatralik
Dieser Song wurde seitdem wieder und wieder aus dem Hut gezogen. Ob nun zu befürchten steht, dass wir die kommenden 28 Jahre mit "Laf, Olaf" beschallt werden, bleibt abzuwarten. Fest steht allerdings jetzt schon: Die Einschätzung Sidos (und auch meine eigene) hätte gründlicher nicht daneben liegen können. Von wegen, Lena könne "in ihrem Flohmarktkleidchen und mit fettigen Haaren in Oslo nichts reißen": Die Tage, in denen man mit Titten, Theatralik, Trommeln und Pyro-Technik auf sichere Punkte aus Osteuropa setzen konnte, scheinen tatsächlich gezählt.
Wähl' mich, oder ich fiedel' dich nieder
Insbesondere die früher überstrapazierten Trommeln kamen in diesem Jahr kaum zum Einsatz. Nachdem mit Alexander Rybak im vergangenen Jahr ein Geiger gewann, avancierte die Violine zum Instrument der Stunde. Fiedel-Techno aus Moldau (Sun Stroke Project & Olia Tira) und die ebenfalls von einer Geige begleitete Albanerin Juliana Pasha, die wie eine Billig-Ausgabe von Madonna wirkte, schnitten allerdings mit den Plätzen 22 beziehungsweise 16 ähnlich mäßig ab. Besser lief es für den griechischen Beitrag von Georgios Alkaios & Friends: Ihr stellenweise durchaus martialisch anmutende Partynummer "OPA!" stampfte sich - samt Geige - immerhin auf den 8. Platz.
Favoriten - mit Ausnahme Lenas - eher mau
Die vom deutschen Jury-Präsidenten Hape Kerkeling im Vorfeld als Favoriten angekündigten Teilnehmer wurden den Erwartungen - mit Ausnahme von Lena - eher weniger gerecht. Safura aus Aserbaidschan erreichte mit "Drip Drop" und 154 Punkten gerade einmal Rang 5. Die wuchtige Isländerin Hera Björk dagegen dümpelte auf Platz 19 dahin. Angesichts ihres gruseligen Eurodance-Beats, bei dem man in jedem Moment mit dem Auftritt eines radschlagenden, "Music is what I'm living for" skandierenden DJ Bobo rechnen musste: eine angemessene Watsche.
Every breath you take a chance on me
Wie Chanée & N'evergreen für Dänemark mit einem dreisten Abklatsch von The Police und (!) ABBA, für den statt "In A Moment Like This" "Every Breath You Take A Chance On Me" der ehrlichere Titel gewesen wäre, den 4. Rang holen konnte und damit den bezaubernden belgischen Singer/Songwriter Tom Dice ("Me And My Guitar") ausstechen konnte, bleibt eins der vielen Mysterien bei der ESC-Punktevergabe - auch, warum Frankreich in Zeiten, in denen das Fußballfieber grassiert, mit einer WM-Party-Hymne wie "Allez! Ola! Olé" nicht über Platz 12 hinauskam.
Flitzer würzt spanischen Beitrag
Die norwegischen Veranstalter sorgten, wie zu erwarten war, für schillerndes Spektakel und reibungslosen Ablauf - mit einer Ausnahme: Beim zweiten Beitrag, dem des spanischen Teilnehmers, enterte Flitzer Jimmy Jump die Bühne und baute sich unbefugt in die Choreografie ein. Erst am Ende des Auftritts - um diesen möglichst wenig zu stören, so die offizielle Verlautbarung - wurde der ungebetene Gast entfernt. Daniel Diges, ein jüngerer Art Garfunkel, durfte nach Entscheidung der Ausrichter seinen Walzer "Algo Pequeñito" vor der Abstimmung ein zweites Mal vortragen - diesmal ungestört.
Verdiente Schlusslichter
Auf den hintersten Plätzen landeten Großbritannien, Weißrussland und die einst glorreiche Grand Prix-Nation Irland: Mit einem Aufguss der "Titanic"-Filmmusik, "It's For You", soff die Irin Niamh Kavanagh ab. Die weißrussischen "Butterflies" von 3+2 wirkten komplett aus der Zeit gefallen: Im Jahr 1982 hätte man mit Klappflügeln zum Glitzerkleid vielleicht noch beeindrucken können. 2010 hätten die durchaus stimmgewaltigen Damen schon erst einmal als Raupen über die Bühne kriechen müssen. Die rote Laterne kassiert mit gerade einmal zehn Punkten der Brite Josh Dubovie. "That Sounds Good To Me" - mit dieser Meinung über ihren drögen Disco-Beat stehen die abgehalfterten Reste von Stock/Aitken/Waterman, namentlich die Herren Stock und Waterman, offenbar ziemlich alleine da.
Sieger der Herzen: Serbien
Von Lena und ihrem "Satellite" mag man halten, was man will: Im direkten Vergleich zählte sie am Samstagabend klar zu den Besten. Der Sieg sei ihr gegönnt, auch wenn Milan Stankovic mit seinem Balkan-Bummsbeat "Ovo Je Balkan", einer Choreografie, die unmöglich nicht unter Drogeneinfluss entstanden sein kann, und unvergleichlichem Pony-Schnitt mein Humorzentrum im Sturm nahm. Sieger meines Herzens: Serbien.
Danke, Peter Urban!
Die größte Verbeugung gilt in diesem Jahr allerdings wieder einem Kommentator, der den Eurovision Song Contest einmal mehr mit furztrockenen Seitenhieben zu einem Erlebnis der besonderen Art erhoben hat: Danke, Peter Urban!
76 Kommentare
maNga auf platz 2, lena auf platz 1 - das freut mich doch
da sieht man doch, dass auch die selbsternannten Musikexperten im Forum völlig daneben lagen^^ (die meisten.
Bei dem niedrigen Niveau der diesjährigen Veranstaltung war Lena sogar fast schon sowas wie ein Lichtblick. Trotzdem bleibt sie für mich unsympathisch, unecht und saublöd. Leider werden wir sie wohl nicht so schnell mehr los. Erinnert mich ein bisschen an den WWII: Das Verderben kommt über Europa und die Deutschen freuen sich........
Achja: 12 Punkte aus Deutschland für die Türkei. Ich wusste ja garnicht, dass unsere Türken auch Rock hören. Ich dachte immer das wäre nur (schlechter!) Rap und House. Oder irre ich mich und es geht beim ESC garnicht um Musik?
Ich seh das so:
Lena + Stefan Raab + Satellite = einmalige, optimale, wahnsinnig erfolgreiche, nicht zu wiederholende Konstellation.
Keine Verschwörung, keine völkische Blödheit, einfach nur die richtige Mischung zur richtigen Zeit. Ich finds gut und freue mich, daß wir nach 28 Jahren endlich mal wieder gewonnen haben, noch dazu ohne Silikon, 25 Tänzer/-innen und LED-Kleidchen.
Hätt ich nicht gedacht, respect!!
@todesposter (« Ich seh das so:
Lena + Stefan Raab + Satellite = einmalige, optimale, wahnsinnig erfolgreiche, nicht zu wiederholende Konstellation.
Keine Verschwörung, keine völkische Blödheit, einfach nur die richtige Mischung zur richtigen Zeit. Ich finds gut und freue mich, daß wir nach 28 Jahren endlich mal wieder gewonnen haben, noch dazu ohne Silikon, 25 Tänzer/-innen und LED-Kleidchen. »):
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