Morgen fluten wieder exklusive Vinyl-Scheiben die Plattenläden. Der Umsatz stimmt, doch die Kritik an der guten Sache wächst.
Konstanz (mam) - Juchuu, endlich wieder Record Store Day! Wer sich da freut? Natürlich Vinyl-Liebhaber. Doch die sind im neunten Jahr des Musikfan-Spezialtags nicht mehr alle gleich. Vinyl ist längst wieder hip, der Umsatz steigend, seit einem halben Jahr gibt es eigene Vinyl-Charts, mächtig aufgezwirbelte Special-Edition-Boxsets liegen ganz selbstverständlich in Warenhausketten, die sich sonst auf Waschmaschinen und Espressokocher spezialisieren. Erst vor wenigen Wochen kam heraus, dass die gute alte Schallplatte in 2015 mehr Umsatz erwirtschaftete als die werbefinanzierten, für den User kostenlosen Streamingdienste von Youtube und Spotify.
Für den Record Store Day, der morgen wieder rund 500 Spezial-Editionen auf 200 Plattenläden verteilt, heißt das: Die Läden werden so voll sein, wie sonst maximal kurz vor Weihnachten. Leider aber auch, weil das Geschäft mit dem Vinyl längst ins Netz übergewandert ist. Mit einer exklusiven, limitierten und womöglich farbigen Vinylsingle lässt sich auf Ebay hervorragend Geld verdienen. Christos Davidopoulos, Geschäftsführer des 1982 eröffneten Münchner Plattenladens Optimal, bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass an einem guten Record Store Day so viel verkauft werde wie sonst in zwei Wochen.
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Die großen Labels mischen längst mit im Spiel um die Sammlerobjekte und belegen die Vinyl-Presswerke schon Monate im Voraus, so dass sich die kleinen Labels, für deren Unterstützung der Record Store Day ursprünglich ins Leben gerufen wurde, hinten anstellen müssen. Wen wundert es da, dass morgen auch eine Picture-Disc von Europes "Final Countdown" in manchen Auslagen stehen wird? Davidopoulos ist empört: "Europe war damals einer der Gründe, diesen Laden hier überhaupt zu machen. Das war das ideale Hassprojekt! Ich wette, dass die ersten fünf Kunden, die morgen hier reinkommen, nach Europe fragen", beschreibt er die Kehrseite der Medaille.
Der Mannheimer House-DJ Hans Nieswandt schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht im gegenwärtigen Hype um die LP auch den Drang vieler Käufer nach Selbstinszenierung, "weil eben wirklich viele Leute jetzt Platten kaufen wie das saisonal angesagte Designobjekt, eine Phillip-Stark-Zitronenpresse, ein Besuch im Barbershop oder ein Single Malt Draft Beer." Liebe zu Vinyl sei für ihn mehr als ein "Ausweis meiner Sophistication, meines guten Styles oder Inneneinrichtungsgeschmacks", so Nieswandt gegenüber dem WDR.
Danny Neumann von Flight 13 in Freiburg ist zum fünften Mal beim Record Store Day dabei und freut sich auf einen Tag mit Live-Musik und obendrein eben auf den "verkaufstechnisch besten Tag des Jahres". In fünf Jahren habe sich vor allem die Preisspirale in die verkehrte Richtung entwickelt, so Neumann. Wenn ihm eine Bohren und der Club Of Gore zum Einkaufspreis von 65 Euro angeboten wird, winkt er ab: "Diese Geschäftemacherei unterstützen wir nicht."
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Martin Ehlers von Memphis Records in Frankfurt hat dagegen keine Probleme, den Record Store Day als das zu loben, was er sein soll: Ein Fest für Vinyl-Liebhaber jeglicher Couleur. Auch wenn Europes "Final Countdown" bei ihm nicht zu kaufen sein wird, stehe er "zu 99 Prozent hinter dem Record Store Day". Den Tiraden gegen die großen Plattenfirmen könne er sich nicht anschließen, denn die würden oft weniger Probleme verursachen, als so manches kleine Label, etwa was pünktliche Lieferungen angeht. Dort spüre er des öfteren "eine Überforderung".
Inhaltlich sei ohnehin diskutabel, ob das, was kleine Labels am Record Store Day anböten, nun wirklich gehaltvoller sei, als das Produkt eines Künstlers auf einem großen Label. Er fühle sich jedenfalls nicht "in der Rolle der Musikpolizei", so Ehlers, sondern freue sich einfach darüber, "mit Plattensammlern einen schönen Tag zu erleben und über Musik zu quatschen."
7 Kommentare mit 9 Antworten, davon einer auf Unterseiten
Ich kenn mich da nicht aus. Aber wenn am Anfang des Artikels steht, das wegen den großen labels die kleinen bei den presswerken hinten anstehen, ist es dann nicht seltsam wenn weiter unten im Text sich über Termin Probleme bei eben diesen beschwert wird ?
Dieser ganze Vinyl-Hype ist zu einer echt ekelhaften Sache verkommen. Das hat der Herr im Artikel völlig richtig erkannt: Einmal im Jahr schlendern Neuzeithippies in die Plattenläden und kaufen irgendwas, Hauptsache man ist dabei und "in".
die hälfte der leute, die vinylplatten kaufen, hören diese genau 0 mal an: http://www.digitalmusicnews.com/2016/04/14…
100% der Stammlautuserschaft wünscht sich einen Editierbutton und dieser existiert genau zu 0%. Ich find meine Statistik schockierender...
ist das so?
Ich wünsche mir keinen.
1. um gegen den Strom zu schwimmen
2. ist es mir mittlerweile egal, ob ich einen Kommentar zwölfmal löschen, neu schreiben und dabei alles zuspammen muss, bis ich mal einen geraden Satz raus gebracht hab.
ist das so?
Morpho hart am PET
#freeoswalt
Lächerliche Hipsterverantaltung. Diesen Thread werde ich für nen Musiktipp nutzen:
Kennt man hier Se Delan? Ein Projekt des Crippled Black Phoenix Chefdenkers Justin Greaves und Belinda Kordic, die auch auf den letzten CBP Touren immer mal für ein paar Songs dabei war und in die ich mich, bei dem Auftritt vor einer Woche, augenblicklich verliebt habe.
https://www.facebook.com/Kscopemusic/video…
Keine Lust, den Sound zu beschreiben. Wer meinen Geschmack kennt, weiß, ob es sich anzuklicken lohnt.
Ich mag den RSD und finde deinen Musiktipp hammer gut... Geht das für dich gerade so durch oder bin ich ein lächerlicher Hipster?
Spaß beiseite: Bei Kscope kann man sich fast immer drauf verlassen, dass die Musik geil ist und auch fast immer meinem Geschmack entspricht (und ich nehme mal an auch deinem oder hast du da schon Ausnahmen gefunden?).
Nein, du nicht, Ausschließi.
Ich meinte damit ja keine "lächerliche Hipster"-Veranstaltung, also eine Veranstaltung für lächerliche Hipster, sondern bezog das "lächerlich" ausschließlich auf die Veranstaltung. Ich hoffe, damit sind alle Fragen beantwortet. Auch ich gönne mir ja gerne mal ne limited Edition Vinyl, dann aber eher auf Konzerten, als Mitbringsel. Besonders wenn die oben erwähnte Belinda Kordic am Merch steht und mir mit ihren ungelenken, tätowierten Fingern eine von weltweit 200 EPs aus dem Karton kramt. Einen ganzen Tag der Veröffentlichung von als solchen konzipierten Sammlerstücken zu widmen, die sehr wahrscheinlich nie auf dem Teller landen, hat für mich dann wenig mit der Liebe zum Medium zu tun. Außerdem verdanke ich meine Haltung sehr speziellen Individuen aus dem persönlichen Umfeld, die einfach de facto die größten Hipster sind und jeden Scheiß mitmachen. Und beim RSD trifft man sie halt auch an... Ich sollte weniger verallgemeinern.
Kscope ist auf jeden Fall ne sichere Bank, aber mit ihrem Flaggschiff Steven Wilson auf Solopfaden konnte ich nie wirklich warm werden, obwohl ich weiß, dass alle anderen mit ihrem Jubelpersertum absolut recht haben. #noirony
Und dann ist da z.B. noch TesseracT, die einfach nicht mein Genre sind. Prog/Math Metal kann ich mir nur ca ein Wochenende im Jahr geben.
Tesseract hat bei mir auch nicht gezündet, ansonsten ist Kscope wirklich ne sichere Sache. Gazpacho, Lunatic Soul, Steven Wilson's Bands, Pineapple Thief, ... viele meine absoluten Favourites an Bord!
Alles klar! Dann bin ich ja beruhigt
Bei meinem lokalen Plattenladen war es tatsächlich sowas von kein Hipsterpublikum, da waren fast alle Leute ungefähr zwischen 35 und 55 bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie mich Und die haben einfach alle schon ewig lang vor dem Laden gewartet, als ich pünktlich zur Öffnungszeit da war stand da schon ne riesige Schlange. Durch einigermaßen guten Kontakt zum Ladenbesitzer hatte ich mir zwei Sachen mitbestellt und glücklicherweise auch beide bekommen, sind bei mir aber schon immer für den Plattenteller, auch wenn ich weiß, dass farbiges Vinyl/ Picture Discs schlechter klingen, ist aber meistens wirklich noch erträglich, mittlerweile kann man sich da auch bei schwarzem Vinyl nicht mehr sicher sein, dass es gut gepresst ist. So hat man dann wenigstens noch ein paar Schmuckstücke daheim stehen.
Das ist natürlich noch sehr viel geiler mit solchen Limited Editions, habe da auch zwei, drei Stück, allerdings alle von sehr wenig bekannten, deutschen Künstlern. Da spürt man halt nur selbst den Mehrwert, andere schauen einen nur komisch an und fragen wer das bitte sein soll
Bin auch so ein kleiner Wilson Fanboy und da vor allem wegen den Solopfaden, aber ist natürlich wirklich sehr anders als die PT Sachen.
Von Tesseract kenne ich fast nichts, hab jetzt gerade mal nochmal reingehört und auf den ersten hör ist es annehmbar.
Anekdoten mochte ich noch ziemlich wenn ich sie gehört habe, ansonsten sehen meine Favourites ähnlich aus wie bei dir battlefire
Es gibt nen Laden, der von Anfang an diesen ganzen Hype nicht mitmacht. Und trotzdem Kult ist: Das Studio Eins in Konstanz. http://www.studio-eins-konstanz.de
Es ist wie so oft bei laut.de: Was hat die Überschrift mit dem Text zu tun?