Fotos und Review: die Premiere des Indoor-Festivals im Europa-Park Rust mit The Flaming Lips, Element Of Crime, Die Höchste Eisenbahn etc.
Europa-Park in Rust (sla) - Betritt man am Freitagabend das direkt vor dem Haupteingang des Europa-Parks gelegene 'Confertainment Center', riecht es zunächst nach Wurst. Verkauft wird diese als Currywurst in Porzellanschalen: für 4,50 Euro das mit Abstand günstigste Gericht auf der Catering-Karte. Und immerhin nur unwesentlich teurer als ein 0,4-Liter-Becher stilles Wasser.
Der Rolling Stone Park, das neue Schwesterfestival des Rolling Stone Weekenders an der Ostse, ist ein Indoor-Event für betuchtere Musikfans. "Rock'n'Roll mit Vier-Sterne-Komfort" lautet auch das vom Veranstalter ausgegebene Motto. Oder wie Oliver Polak bei seiner Lesung am Samstag resümiert: "Vor 20 Jahren war Indierock angesagt, heute ist er in Rente".
"Colosseo" oder "El Andaluz"?
Ein Teil der Besucher kommt in den bunten Themenhotels "Colosseo" oder "El Andaluz" unter. Von dort aus kutschiert einen der EP-Express durch den weihnachtlich beleuchteten, aber ruhenden Park zu den Locations. Dort wiederum treffen sich zwei Welten: Hier Plattenbörse, Band-Merchandise und Siebdruck-Gigposter, da Miss-Germany-Fotoreihen und Wasserhähne mit vermeintlich antiken Drehreglern, die in Wirklichkeit per Bewegungsmelder funktionieren. Europa-Park pur.
Doch das Gelände mit seinen kurzen Wegen hat durchaus seinen Reiz. Wenngleich die Hauptbühne nicht über den Charme der üblichen Mehrzweckhalle hinwegkommt. Der Unterschied liegt darin, dass es hier – 2.200 Besuchern kamen zur Festivalpremiere – nie eng wird. Völlig entspannt lässt es sich in diesem Rahmen die Headliner-Show der Flaming Lips bestaunen. Bei deren spektakulärer Performance samt Konfetti-Kanonen und Luftballons ohne Ende finden der Alternative-Rock und der Europa-Park tatsächlich überraschend gut zusammen.
Im "La Sala Bianca" trifft der komplexe Rock'n'Roll von White Denim auf glänzenden Laminat-Boden. Im manchmal tatsächlich überfüllten, weil winzigen Spiegelzelt "Traumpalast" lauscht man dem wunderschönen Folk von Dan Mangan. Am besten in Erinnerung bleiben wird einem jedoch der "Ballsaal Berlin". Zum einen wegen der mit Abstand denkwürdigsten Konzerte, aber auch wegen des höchst skurrilen und doch irgendwie gemütlichen Ambientes: roter Teppichboden, goldene Wandverzierungen, ein Gemälde des Reichstags hinter und riesige Kronleuchter neben der Bühne.
Wo sind Christian Wulff und Horst Köhler?
"A room full of weird old men", sagt US-Musiker Cass McCombs bei seinem großartigen Konzert am Freitag. Er meint damit nicht das auffällig männliche, Ü50-lastige Publikum, sondern die über den Raum verteilten Porträts sämtlicher deutscher Bundespräsidenten. "Falls ihr euch fragt, wo Christian Wulff und Horst Köhler sind, die hängen hier hinten bei uns", kommentiert Francesco Wilking tags darauf. Seine Band Die Höchste Eisenbahn macht die Staatsoberhäupter kurzerhand zum Konzept ihrer Ansagen. Mal mündet die Frage, weshalb Wulffs Amtszeit nur zwei Jahre andauerte, in das Stück "Gierig". Mal heißt es schlicht, das nächste Lied handle von Johannes Rau.
Mit einem Querschnitt ihrer zwei Alben und zwei neuen Songs rufen einem die Berliner überdies in Erinnerung, dass sie noch immer die aufregende deutschsprachige Indiepop-Band sind - das schönste Konzert des Wochenendes. Dicht gefolgt von Car Seat Headrest, die ihr Set an selber Wirkungsstätte zuvor mit einem 20-minütigen "(I Can't Get No) Satisfaction"-Cover beendet. "Wow, we're a really cool band", entfährt es Sänger Will Toledo einmal. Stimmt schon.
Der finale Headliner Element Of Crime wirkt dagegen so müde, wie Sven Regener es zu Beginn um 23:30 Uhr eingesteht. Über die typischerweise recht statische Show täuscht ein euphorisches Open-Air-Publikum dann doch besser hinweg, als ein paar hundert Überbleibsel in den Weiten der "Europa-Park-Arena".
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"gehobene Musikfans"