The Cure spielen in Basel ein leicht gekürztes Set und lassen vor allem Fans des "Wish"-Albums jubeln.
Basel (mis) - Sie hören einfach nicht auf. Entgegen alten Versprechen, nach 40 Jahren nicht mehr auf der Bühne stehen zu wollen, steht Robert Smith nun immer noch da. Und es macht ihm ganz offensichtlich immer noch großen Spaß, sich als gesetzter, leicht behäbig wirkender Popstar von der Masse feiern zu lassen.
Also noch mal The Cure live. Wie schon 2008 oder 2004 oder 1992 oder bei den Kollegen Mengele und Dobler sogar 1989 (Rock Am See in Konstanz). Da Smith und Co. uns dieses Mal nicht mehr zuhause besuchen, müssen wir eben zu ihnen, nach Basel, wo sie noch nie gespielt haben. Sehr gute Vorzeichen. Und die Band hatte am Vorabend einen Day-Off. Sie wird fit sein. Für uns.
Die Tour-Setlists im Internet, aber vor allem die eigene Erfahrung mit überlangen Cure-Konzerten ließen die Diskussionen unserer redaktionsinternen Fan-Reisegruppe im Vorfeld explodieren: "Wenn Robert es wagt, 'The Caterpillar' zu spielen, verlasse ich den Saal." - "Hoffentlich kommt 'Play For Today'." Ein aus Sicherheitsgründen anonym bleibender Kollege wünschte sich allen Ernstes "Mint Car".
Aber das gehört alles zum Spiel. Obwohl wir wissen, dass uns starke drei Stunden Rockgeschichte bevorstehen, stellt jeder hohe Ansprüche an die einzig richtige Setlist, die die Band uns kredenzen muss. Gespickt mit den obligatorischen Hits (die eh kommen), aber eben auch der ausgewogenen Mischung an coolen Insider-Tracks, zu denen wir Wave-Opas dann noch fünfzehn Geschichten von früher erzählen können. "The Caterpillar" (1984) ist keiner davon.
Die Setlists aus Hamburg, Berlin und München klangen dann auch eher medioker. Es tut einfach weh, Songs von einem Album wie "4:13 Dream" oder "Bloodflowers" zu ertragen, wenn von derselben Band auch "Pornography" oder "The Head On The Door" stammen. Und man bekommt ja nur alle neun Jahre eine neue Chance.
Dann endlich, Licht aus, Jubel, knapp 10.000 Zuschauer im vergleichsweise kleinen 70er Jahre-Betonbunker wollen Robert Smith und Simon Gallup sehen, jene zwei Mitglieder, die heute noch für den Mythos The Cure stehen. Das Intro der "Wish Tour" geht über in "Open", ein krachiger Auftakt. Der 'neue' Gitarrist Reeves Gabrels fügt sich gleich hervorragend ein mit seinem neuen Kurzhaarschnitt, mit dem er nicht mehr so zerstreut aussieht wie Doc Brown aus "Zurück In Die Zukunft". Wie sich herausstellt, hält sich der Mann, der sich auf David Bowies Alben in den 90er Jahren auch mal recht ungestüm in den Vordergrund solierte, bei den Popsongs der Band vornehm zurück, öffnet in Rocknummern wie "Shake Dog Shake" oder "Never Enough" dann aber zum Wohle der Liveversionen seine Effekttruhe. Dem Cure-Sound tut diese Methode gut: Ex-Gitarrist Porl Thompsons Auftritte in 2008 endeten allzu oft in undifferenzierter Soliprotzerei.
Der Anfang gerät hitlastig: Dem Opener folgen "A Night Like This" und "The Walk", und man ist gleich mittendrin in der langen Pop- und Wavegeschichte der Band. Ein Evergreen wie "Boys Don't Cry" im ersten Drittel zu verbraten, sagt viel aus über die Anzahl der angehäuften Fan-Favourites, aber auch vom Eigensinn der Band, die wie gesagt jeden Abend fünf bis sechs Songs austauscht. Vielleicht kennt die Band aber auch das gerne zurückhaltende Schweizer Publikum. Trotz hohen Hitaufkommens springt der Funke auch in Basel erst spät über. "Just Like Heaven" etwa wird stürmisch bejubelt.
Jetzt sind alle bereit, mit der Ballade "Trust" und "From The Edge Of The Deep Green Sea" geht die Band dann aber leider wieder vom Gas. Auf "Alt.End" hat zwar auch keiner gewartet, aber die Enttäuschung verpufft mit dem Erklingen des 1982er Rock-Monsters "One Hundred Years". Was für ein Track. Endlich auch das akustische Kanonenfeuer für den wie immer umherspringenden Basser Simon Gallup, der mit hochtoupierter Rockabilly-Friese fürs Jugendoutfit der Seniorengruppe zuständig ist. Neben seinen wie auf der Stelle festgenagelt wirkenden Kollegen Smith und Gabrels hält den Mann im ärmellosen Iron Maiden-Shirt fast nichts an seiner Monitorbox, über der mal wieder die Flagge seines Lieblingsclubs Reading FC drapiert ist.
In den Zugaben dann Ernüchterung: Bis auf "Shake Dog Shake" keine alten Hits aus ihren düsteren Zeiten, dafür aber das 2016 erstmals ins Programm genommene "Burn" vom "The Crow"-Soundtrack, das ebenfalls von Gabrels' Spiel profitiert und ordentlich durch die Halle wummert. Smith spielt den Songbeginn zur allgemeinen Verwunderung sogar auf einer Flöte. "A Forest" beendet den ersten Zugabenteil, dem zwei weitere folgen. Mit 165 Minuten beendet die Band das Basel-Gastspiel leider vergleichsweise kurz. Die sechs Songs, die sie anderswo gerne noch draufpacken, bleiben uns leider verwehrt. Dafür aber auch "The Caterpillar". Man kann halt nicht alles haben. Und den Funk-Pop von "Hot! Hot! Hot!" hört man ja auch nicht alle Tage ...
Tracklist:
Open
A Night Like This
The Walk
Push
Inbetween Days
Boys Don't Cry
Pictures Of You
High
Lovesong
Just Like Heaven
Trust
From The Edge Of The Deep Green Sea
Alt.End
One Hundred Years
End
Zugabe 1:
Want
Burn
A Forest
Zugabe 2:
Shake Dog Shake
Fascination Street
Never Enough
Wrong Number
Zugabe 3:
Lullaby
Friday I'm In Love
Hot Hot Hot!!!
Close To Me
Why Can't I Be You?
5 Kommentare mit 9 Antworten
Opa erzählt vom Krieg.
es gibt tatsächlich einige namen, die ich gerne noch von der liste streichen möchte, bevor dieses jahr endet. lemmy is gsd schon raus. ich hoffe, cohen und ozzy dann als nächstes. aber robert smith wird hoffentlich ewig leben!
Verglichen mit anderen Gigs der Tour ein eher ernüchternder Abend. Smith wirkte etwas lustlos, das Publikum kam erst bei den Zugaben auf Touren. Warum die Setlist derart gekürzt wurde weiss nur Gott (also Smith), denn es blieben noch 15 min bis zur "Sperrstunde". Aber all das ist Jammern auf hohem Niveau, es gibt keine schlechten Cure Konzerte.
"Schweizer Publikum". Mehr muss man nicht sagen.
Lustlos würde ich jetzt nicht sagen, aber nach den Italien-Shows war die Resonanz in Basel sicher ... zurückhaltend. Das mit den 15 Minuten ist trotzdem ärgerlich. Aber da in Stuttgart nicht mal "Shake Dog Shake" und "One Hundred Years" kamen, bin ich fast schon versöhnt
Dafür gab's in Stuttgart das "Disintegration Set" Um in den bestmöglichen Genuß zu kommen sollten immer mind. 3 Gigs in Folge besucht werden, wie der geneigte Fan weiss
Haha, zu teuer
PS.: wer "allgemein verwundert" ist, dass Smith beim Burn-Intro zur Flöte greift, der scheint die Studioversion noch nie gehört zu haben
Naja hab gehört man kann Flötensounds heutzutage auch mit diesen modernen Synthesizern imitieren
Neumodischer Schnickschnack
From The Edge Of The Deep Green Sea ist ja wohl live einer der besten, eindringlichsten, hypnotisierndsten Songs die es gibt. Man muss sich hald auf diese Tiefe und Melancholie der Nicht-Hits einlassen. Mir gefallen seit jeher ganz besonders die "nicht-Hits" von The Cure. Dieses Konzert war grandios. Gänsehaut und Tränen in den Augen. Leider war im Publikum war eine Verweigerung spürbar sich auf die fühlbare Intensität dieser Musik einzulassen. Niergendwo ist Traurgkeit so schön wie bei The Cure.
Green Sea ist super, klar. In Basel war es aber irgendwie der falsche Song zur falschen Zeit am falschen Ort.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
@ Joana: besser hätte ich es (erster und letzter satz) auch nicht ausdrücken können! (und das obwohl ich selbst schon seit fast 30ig jahren "cure-fan" bin!)