Wenn die Johnnie Walker-Bar im Foyer steht und aus Rivalen Freunde werden - MTV Unplugged mit Westernhagen unter der Regie von Fatih Akin.
Berlin (dek) - Vorbei an verzweifelten "Haste noch 'ne Karte?" und hinein in die schwarze Masse, die vor dem Eingang zur Berliner Volksbühne drängelt. Schwarze Kleidung ist Pflicht beim MTV Unplugged mit Marius Müller-Westernhagen. Die runden Sonnenbrillen und Hüte nicht, auch wenn der Anblick einiger Westernhagen-Lookalikes den Anschein erweckt. Echte Fans. Schön ist das und rührend irgendwie.
Auf hört der Spaß jedoch schnell, als klar wird, dass es im Saal Platzprobleme gibt. Das Theater ist ausgelegt mit Sitzsäcken, die später das viele Aufstehen und Setzen nicht ganz so einfach machen werden und erst nach einigem Rumruckeln alle Zuschauer fassen. Doch die Liebe zu Marius verbindet, und so findet jedes Fanchen sein kleines Plätzchen. Aus Rivalen werden Freunde, die sich ihre schönsten Westernhagen-Geschichten erzählen, bis das Licht ausgeht. Besser kann man auf ein Konzert nicht einstimmen.
Als der Vorhang fällt und Marius Müller-Westernhagen mit großem Cowboyhut auf der Bühne sitzt, herrscht gleich eine vertraute, familiäre Stimmung im Saal. "Ich gelte als schwierig", verkündet Herr Westernhagen und trifft auf verständnisvolles Lächeln. Die anderen, das sind nicht wir. Wie eine verschworene Gemeinschaft wirkt das hier im Saal.
Es dauert keine zwei Lieder, bis sich das gesamte Publikum erhebt und schunkelnd mitsingt. Unterstützt von teils 14 Musikern – allein sechs davon Backgroundsänger – gibt Westernhagen "Mit Pfefferminz Bin Ich Dein Prinz", "Sexy", "Rosen" oder "Weil Ich Dich Liebe" zum Besten.
In alter MTV-Manier muss er dabei nicht nur sitzen, sondern auch Gastmusiker auf die Bühne bitten. Nachdem Udo Lindenberg als Gast am Schlagzeug "Mit Pfefferminz Bin Ich Dein Prinz" begleitet, huscht Westernhagens Tochter Mimi für "Lass uns leben" auf die Bühne, während der Vater schon mal begonnen hat.
Nachhaltiger beeindruckt da schon eher Selig-Sänger Jan Plewka (für "Mit 18") oder Lindiwe Suttle, mit der Müller-Westernhagen das neue Stück "Luft um zu atmen" präsentiert. Bevor er Sängerin Elen auf die Bühne holt, deren Musik er auf den Straßen Berlins kennen und schätzen lernte, schimpft Westernhagen noch fix über das Format "The Voice", bei dem Elen wohl mal teilnehmen sollte. Szenenapplaus für den Rebell. Elen beeindruckt dann tatsächlich mit ihrer Stimme und hätte gern länger als einen Song auf der Bühne bleiben können.
Weitere Vorgabe von MTV Unplugged: Songs nicht nur spielen, sondern neu interpretieren. Damit die da so nen "Exklusiv"-Sticker drauf drucken können, wie Westernhagen erklärt. "Willenlos" gibt es daher samt Ziehharmonika und Flöte – und so komisch sich das auch liest, klingt das tatsächlich gut anders und interessant.
Später folgt ein Cover von David Bowies "Heroes" (Ist das ok?), das Marius Müller-Westernhagen jedoch nicht nur covert, sondern bei dem er bald in eine deutsche Übersetzung umschwingt (Ist nicht ok!). Am Schluss zeigt er etwas pathetisch in den Himmel, nickt, schließt gerührt die Augen, so dass man ihm und seiner Bowie-Liebe das Cover verzeiht.
Die Zuschauer finden den Song natürlich toll. Genau wie alle anderen Songs der langen zweieinhalb Stunden Show. Leidenschaftlich feiern sie ihren Musiker und der scheint sichtlich gerührt davon. Es ist daher ein Event, gleichermaßen wertvoll für Fans wie für Westernhagen.
Nach den offiziellen Zugaben "Freiheit" und "Johnnie Walker" (natürlich textsicher unterstützt durch den gesamten Saal), geht es vielleicht für den ein oder anderen noch an die Johnnie Walker-Bar. Die steht nämlich im Foyer. Echt wahr.
3 Kommentare mit 12 Antworten
total gut!
total ausgelutscht. schon 1993.
mittlerweile ärgerlich und unnötig.
diesen ganzen rauf- und runtergeseierten deutschen mainstreampoprock der achtziger, nena, westernhagen, maffay, lindenberg und wie sie alle heissen: tonne auf, rein damit und irgendwo im pazifik versenken.
musikalisch hat die diskografie von mmw (aus der zeit betrachtet) durchaus sehr originelle stücke zu bieten. auch die letzte platte war deutlich besser als das klischee, welches ihm anhängt.
insofern mag ich der verallgemeinerung nicht zustimmen. ob dann der gig oder sein scheitern grandios wird, wird sich zeigen. aber schon unter musikhistorischen gesichtspunkten geht das konzept klar, finde ich.
ganz ehrlich: wie oben ja geschrieben wieder nur tracks wie "dicke", "johnny walker", "freiheit", "sexy" oder das durch und durch fürchterliche "mit pfefferminz......".
wenn westernhagen, dann bitte "an den händen einer hure", "spring doch schon" oder sein schon immer bestes "paula - du hast mich nie gekannt".
imho kann alles nach 87 inne tonne.
Ich meine Heroes schon früher mal auf Deutsch gehört zu haben...von einem David Bowie - glaube ich.
... von Inga Rumpf, jüngstens von Annett Louisan, dann noch von Ben Becker, City, Renft, Adoro, Apocalyptica mit Till Lindemann, Letzte Instanz, Nena, Henke, Romy Haag, der Scheitel (Gruß nach Ösiland), Love Like Blood, die geschätzte Andrea Schroeder, MIA., BAP, ... ich hab' auch noch irgendwo die Stimme von Suzie Kerstgens im Ohr, aber ich glaube nicht, daß das Cover in Zusammenarbeit mit Klee entstand ... und irgendwo müßte ich auch noch ein Bootleg von Gunter Gabriel haben, bei dem er mit seinen Nashville Playboys live das Stück auf deutsch zum Besten gab. Ich will keine Fragen hören - es ist schlimm genug, so was überhaupt im eigenen Sortiment zu wissen, es ist aber echt besorgniserregend, auch noch die gespielten Lieder halbwegs parat zu haben ... jedenfalls ist Westernhagen in guter Gesellschaft.
Wollen wir's auch für David Bowie hoffen.
Gruß
Skywise
manchmal machst du mir angst.
Ist schon herrlich imposant, aber das mag ich auch echt an ihm. Hat mich schon um die ein oder andere musikalische Perle bereichert mit seinem enormen Wissensfundus
Erinnert mich in so Momenten außerdem immer an die niederländische DJane Marcelle (anothernicemess.com). Wenn du der mit irgendnem x-beliebigen Groove/Part/Melodie einer vermeintlich innovativen Underground-Combo deiner Gunst kommst, wühlt sie sich kurz durch ihr privates Archiv (15.000+ Vinyl und Shellac) und kommt dir mit ner 60-70 Jahre alten Shellac-Aufnahme irgendwelcher südafrikanischer Tribal-Musiker oder nordkoreanischer Kinderchöre, wo der "innovative Part" zumeist 1:1 und bereits 40 Jahre früher als in deinem "Original" verwendet wurde.
Sind mir im echten Leben auch häufig sympathisch, solche wandelnden Musikkultur-Enzyklopädien, auch wenn das enorme Wissen einen selbst oft erst mal verunsichert...
@freddy:
Na komm, ich hab' Dir doch extra noch die ultimative "Helden"-Version in der "Voice Of Germany"-Interpretation von Rea Garvey, Nena, Xavier Naidoo *und* The BossHoss erspart. Captain Cook hätt' das Ding nicht gnadenloser entsaften können.
Gruß
Skywise
zu hülf.
Eine schwere Bürde, solch Wissen.
Quasi die Steigerung zu "gefährlichem Halbwissen" - "gesundheitsschädigendes Allgemeinwissen"
Ich war am Sonntag dabei, von "Platzproblemen" habe ich nichts bemerkt. Keine Ahnung, ob der Autor selber mit dabei war oder das vom Hörensagen herdeutet.Der Text liest sich für mich so, als ob der Autor eigentlich was negatives schreiben will, nix so richtig findet und dann eben alles durch eine, allerdings sehr dünne, Ironiesoße zieht. Vielleicht hier nochmal etwas Ironie-fähiges für den Autor: Es gab am Sonntag Freibier und freie Whisky-Getränke.... Die Songauswahl ist bestimmt immer Geschmackssache, da hat jeder seine Favoriten. Aber Westernhagen hat es geschafft einen Ritt durch fast 50 Jahre Karriere zu machen. Er war, im Gegensatz zu Grönemeyer, nie everybodys Darling. Aber der geilere Performer war er schon......
"Er war, im Gegensatz zu Grönemeyer, nie everybodys Darling."
Hier lernt man Sachen ...
Gruß
Skywise
na ja wenigstens können sich die tickets von grönemeyer auch leute leisten die nicht so viel versienen, weil sie zum beispiel in pflegeberufen arbeiten. aber wie sagte westernhagen so schön. es wird niemand gezwungen die karten zu kaufen. stimmt. besonders dann wen sie so teuer sind das man sie sich nicht leisten kann.