Blut, Schweiß und Tränen - Miles Teller und J.K. Simmons brillieren im ersten großen Musikfilm des Jahres.
New York (mma) - Absolute Spitze und absoluter Wahnsinn bilden für den 19-jährigen Jazzdrummer Andrew Neiman (Miles Teller) keinen Widerspruch. Im Oscar-nominierten "Whiplash" sind diese Attribute im Gegenteil kausal verknüpft. Darin träumt Neiman, Schüler am renommiertesten Musikkonservatorium der USA, vom ganz großen Durchbruch.
Auf dem Weg an die Spitze folgt der Schlagzeuger der Maxime seines Jazzbandleiters (J.K. Simmons), der von den Mitgliedern seines Ensembles alles fordert. Nur durch brutale physische wie psychische Selbstausbeutung könne Herausragendes geschaffen werden, lautet Terence Fletchers Devise. Selbstüberwindung bis hin zur Selbstzerstörung ist Teil seiner Ideologie.
Newcomer-Regisseur Damien Chazelle führt mit seinem zweiten Featurefilm den amerikanischen Archetyp des self-made man ad absurdum: Der postmoderne Weg an die Spitze kann demnach nur durch harte Arbeit, Ausdauer und Fokussierung gelingen. Dass Chazelle für die Charakterstudie auf einen Jazzschlagzeuger zurückgreift, ist kein Zufall - "Whiplash" erzählt vor allem Chezelles persönliche Geschichte.
"Es gibt eine Menge Filme über die Freude an der Musik", kommentiert der Regisseur, der das Sujet schon 2012 in einem gleichnamigen Kurzfilm ausbreitete und damit beim Sundance Film Festival einen Jurypreis gewann. "Doch als junger Drummer in einem Musikhochschul-Jazzorchester war meine häufigste Emotion eine andere: Angst."
Mehr Kriegs- als Musikfilm
So ist es die Angst vor dem Versagen, die Hauptfigur Neiman durch die 107 Minuten jagt. Gepeitscht vom unerbittlichen Bandleiter, der kleinste Unkorrektheiten im Spiel als Anlass zur Demontage seiner Musiker nimmt, kämpft Neiman mit der Angst vor dem verpassten Beat, der Angst vor dem falschen Tempo und der Angst vor Fletcher.
"Ich wollte einen Musikfilm machen, der sich wie ein Kriegsfilm anfühlt", erklärt Chazelle. In der Tat präsentiert er J.K. Simmons als grandios skrupellosen Drill Instructor. In diktatorischer Manier würdigt Fletcher die Schüler ab, schreit sie an und wirft mit Gegenständen nach ihnen. Ohne Unterlass fordert er vom Ensemble, unter Einsatz von Blut, Schweiß und Tränen - davon gibt es in "Whiplash" reichlich - wie ein Uhrwerk zu funktionieren.
Einsame Spitze
"Ich war am Konservatorium, um Menschen über die Erwartungen anderer Leute hinauszutreiben", sagt Fletcher vor dem Filmfinale in der Manhattaner Carnegie Hall. Dafür nimmt er letztlich sogar schweren seelischen Schaden in Kauf, wie der Suizid eines Ex-Schülers demonstriert. Vor diesem Hintergrund wirkt es überaus zynisch, wie der Leiter seine Band stets mit einem lakonischen "Let's have fun!" auf die Bühne entsendet.
Derweil hinterfragt Einzelgänger Neiman den Militarismus seines Lehrers nicht, sondern projiziert die Vaterrolle auf ihn. Neimans Prägung durch den eigenen Vater, dessen Schriftstellerlaufbahn gescheitert ist, macht ihn zum verbissensten Jünger dieser Lehre. Der Drummer bricht sämtliche sonstige soziale Gefüge, sabotiert mutmaßlich seine Mitspieler, opfert Freundin und Freundschaft auf dem Tempel der Exzellenz und lässt im entzündeten Wahn trotz eines Verkehrsunfalls den Platz hinter dem Drumkit nicht los.
Anekdoten über Charlie "Bird" Parker
"Whiplash" provoziert. Kompromisse seien im Kreis der Besten undenkbar, lautet eine mögliche Lesart des Films. Überragende musikalische Fähigkeiten seien durch kompromisslose Disziplin erarbeitbar. Bandleiter Fletcher führt zur Untermauerung dieser gewagten These den legendären Jazzsaxophonisten Charlie Parker an.
Erst durch ein Becken, das ihm Drummer Jo Jones der Legende nach wegen Rhythmusfehlern bei einem Auftritt an den Kopf wirft, sei der Teenager zum herausragenden Musiker geworden, erzählt Fletcher Neiman wiederholt. Erst diese Demütigung durch physische Gewalt habe Parker motiviert, so die Anekdote, Tausende Stunden an seinem Spiel zu üben und schlussendlich zum legendären Charlie "Bird" Parker zu werden.
Anti-Jazz
Chazelles Ansatz, Musik wie einen Leistungssport zu präsentieren und statt auf Gespür ausschließlich auf Präzision zu setzen, gleicht letztlich einer Karikatur des Jazz. Insofern gelingt dem Regisseur auf den zweiten Blick eine intensive Parabel: Was oberflächlich betrachtet als unethischer Karriereleitfaden missinterpretiert werden könnte, handelt in Wirklichkeit von Machtmissbrauch.
Am Ende des Films scheint Schlagzeuger Neiman dem Durchbruch nah. Auf dem Weg dorthin hat er jedoch möglicherweise alles verloren.
7 Kommentare mit 27 Antworten
Bekackter Ansatz mit der Schreierei - außerdem dachte ich, es geht um Metallica, habe das Wort "Whiplash" nur in diesem Kontext gespeichert, miese Biter.
Einer der Filme des Jahres. Simmons uebertrifft hier an Intensitaet sogar seinen arschfickenden - aber wie man seit Farid Bang weiss: "Es ist nur der gefickt wird schwul." - Nazicharakter aus 'Oz'.
Verdammt guter Film. Mit "Inherent Vice" das beste, was man dieses Jahr bisher zu sehen bekam.
"Was oberflächlich betrachtet als unethischer Karriereleitfaden missinterpretiert werden könnte, handelt in Wirklichkeit von Machtmissbrauch.
Am Ende des Films scheint Schlagzeuger Neiman dem Durchbruch nah. Auf dem Weg dorthin hat er jedoch möglicherweise alles verloren."
Das Problem, sowohl des Films als auch dieser Rezension (und vieler anderer Rezensionen auch) ist, dass nie in Frage gestellt wird, ob dieser "Drill" zum Ziel führen kann, ob zum "Weltbesten" Schlagzeuger vielleicht mehr gehört, als schnell und sauber zu spielen, ob diese Herangehensweise an eine Musikrichtung, die auf Improvisation und Kreativität und damit auch auf dem Risiko, Fehler zu begehen, beruht, überhaupt in irgend einer Form valide sein kann. Hier wird das Selbe Bild vom Jazz gezeichnet, wie vom Umfeld des Lincoln Center: Jazz als Sportart mit so klaren Vorgaben, die es zu Erfüllen gilt, dass kaum mehr Raum zur persönlichen Entfaltung besteht. Diese Betrachtungsweise von Jazz pervertiert eine Kunstform, die früher mal für Freiheit stand, zu einem perfekten Symbol der Leistungsgesellschaft, in der es hauptsächlich darum geht, zu funktionieren. Mein Hauptkritikpunkt an dem Film ist, dass er dies alles nicht in Frage stellt, sondern lediglich den Gedanken aufwirft, ob der Erfolg diesen Bedingungslosen Drill wert ist. Ich hab übrigens mit Erschrecken festgestellt, dass dieser Punkt in kaum einer Rezension wirklich aufgegriffen wird. (lediglich die taz hat ein Gegenbeispiel.) Offensichtlich ist der Leistungsgedanke schon so tief in der Gesellschaft verankert, dass er nichteinmal bei der Beurteilung von Kunst wenigstens in Frage gestellt wird... Meiner Meinung nach haben weder die Filmemacher, noch der Autor dieser Rezension (und die Autoren vieler anderer Rezensionen) verstanden, worum es beim Musik machen (und insbesondere im Jazz) eigentlich geht. Und das, obwohl vermutlich die wenigsten ihre Musik nach dem Kriterium auswählen, für welche Stücke die Musiker wohl am härtesten üben mussten...) Zugegebener maßen war der Film allerdings sehr fesselnd, keine Sekunde langweilig und super umgesetzt...
PS: Die Anekdote mit Charlie Parker und Jo Jones geht allerdings so, dass Jones das Becken lediglich auf den Boden geknallt hat und nicht Parker an den Kopf... (übrigens auch interessant, wie oft und in wie vielen Varianten diese Geschichte in diversen Rezensionen dieses Films falsch wiedergegeben wurde. Der Spiegel macht Parker sogar zum Saxofonisten der Count Basie Bigband...
Hervorragender Kommentar. Ich hab mich auch gewundert, was dieser Drill mit Jazz zu tun haben soll.
Bei vielen (lokalen) Musikern ist die Essenz von Jazz eh das Elitäre, Leistungsverbundene. Kreativität, potenziell fehleranfällige Spontaneität und gar Spaß scheinen da weniger die Rolle zu spielen.
Allerdings muss man auch anmerken, dass es sich im Film um ein Jazz-Orchester handelt. Das schränkt natürlich den kreativen Spielraum ein und macht diese leistungs- und perfektionsorientierte zumindest ein Stück weit nachvollziehbar.
Ich bezweifle ja nicht, dass es solche Dozenten oder Bandleader gibt (genauer gesagt hatte ich durchaus schon das zweifelhafte Vergnügen, einige kennen zu lernen). Was ich bezweifle, ist, dass diese Methode in irgend einer Form hilfreich ist. Außerdem geht mir diese sportliche Betrachtung von Musik gehörig gegen den Strich. Das Kunstverständnis, das dieser Film offenbart und sogar propagiert disqualifiziert ihn als guten Film/gute Kunst trotz einer ziemlich guten Handwerklichen Leistung. Und zwar, weil Handwerkliche Leistung kein Selbstzweck ist, sondern lediglich ein Werkzeug, um sich ausdrücken zu können. Genau das hat Damien Chazelle nicht verstanden...
(und eigentlich will ich die Handwerkliche Leistung auch nicht zu hoch loben... ein wenig mehr Recherche und Realismus hätte dem Film schon gut getan. Ebenso, wie das Einspielen der Drumtracks von einem Schlagzeuger, der sich nicht erst seit ein paar Tagen mit Jazz beschäftigt.)
Ich danke auch vielmals für den obigen Kommentar. Gerade der aktuelle Zustand von renommierten Musikschulen und universitärer Musiklehre kann kaum mehr für wirkliches Genie sorgen, auch wenn es nicht wie im Film physische oder psychische Gewalt gibt. Der Leistungsdruck und das oberste Ziel der Perfektion sorgen für eine furchtbare Verarmung.
@mr_bad_Guy: Die Zuschauer, die Nichtdrummer bzw. Nichtmusiker sind, beeindruckt halt die Schnelligkeit. Dass das mit Groove und Feeling null zu tun hat, interessiert ja sonst niemand...
Dass der Film v.a. Chazelles eigene Erfahrungen in seiner High School Band verarbeiten soll, ist euch aber schon klar, oder? Der Film wurde auch nicht umsonst schon oft als "Full Metal Jazz-kit" bezeichnet: Es geht eben um den Drill, den Chazelle wohl auch durchgemacht hat, nicht so sehr um die Gleichung "Technik = Genialität".
"Meiner Meinung nach haben weder die Filmemacher, noch der Autor dieser Rezension (und die Autoren vieler anderer Rezensionen) verstanden, worum es beim Musik machen (und insbesondere im Jazz) eigentlich geht."
"Chazelles Ansatz, Musik wie einen Leistungssport zu präsentieren und statt auf Gespür ausschließlich auf Präzision zu setzen, gleicht letztlich einer Karikatur des Jazz."
Könnte es sein das du das überlesen hast?
Habe ich nicht; mir geht es nur darum, dass Chazelle nicht die Musik per se, sondern seine persönlichen Erfahrungen als Leistungssport darstellen will. Wer die in Whiplash gezeigten Szenen als Aussage über Musik generell verstehen will, hat den Film m.E. mit falschen Augen gesehen (immerhin wird der Drill im Film ja auch nicht glorifiziert o.ä.).
@ Santiago: Ich habe nie von "Genialität" gesprochen. Das ist Ragisms Vokabular. Wenn du Aussagen in diesem Thread kritisieren willst, würde ich dir gerne nahelegen auf einzelne Beiträge und genaue Aussagen einzugehen, statt die Schrotflinte zu benutzen...
Der Drill wird übrigens sehr wohl glorifiziert in dem er letztlich zum gewünschten Erfolg führt und die Aussagen über Musik sind nunmal in dem Film enthalten. Hätte Chazelle sie nicht machen wollen, hätte er sie nicht machen müssen. Aber er wollte. In Interviews äußert er sich über seine Zeit als Schlagzeugstudent als Inspiration für den Film folgender maßen:
"I thought back to how every day, when I was with this teacher, it felt like a living hell, but I became a really good drummer as a result. So that was the question in my mind: would I have wanted it a different way? Is that kind of behavior worth it? I used that as basic inspiration for the character of Fletcher, but I took Fletcher to somewhat different levels."
und über die Fragen, die er mit dem Film aufwerfen wollte (über den Charakter Andrew Neiman:
"There’s a tragic aspect of his character, but it’s the Charlie Parker story: is it okay that Charlie Parker led a life of suffering if it yielded these solos and performances and recordings that we listen to these days? Is that something that, in the moral equation of things, is acceptable? As a humanist, I don’t think it is; as a lover of art, it’s a more difficult question for me."
(quelle: http://www.slate.com/blogs/browbeat/2014/1… )
falsche quelle. hier die richtige: http://blogs.indiewire.com/thompsononholly…
Eine Glorifizierung wäre es erst gewesen, wenn der Film die Botschaft gehabt hätte, dass dieser Drill der einzig wahre Weg zu musikalischer Genialität ist. Für Chazelle persönlich hat's funktioniert, er wurde ein "good drummer" - das wollte er, wie deine Quelle zeigt, im Film darstellen. Große Kunst ist immer "ars" + "ingenium", nirgendwo im Film wird jedoch Kunst auf die "ars" runtergebrochen, denn nirgendwo wird behauptet, dieser Drill würde einen zu einem großen Künstler machen, sondern eben zu einem technisch guten Schlagzeuger (mit entsprechendem (!) Erfolg). Nur weil ein Film sich auf die technischen Aspekte von Kunst konzentriert, reduziert er sie noch lange nicht darauf.
"Große Kunst ist immer "ars" + "ingenium"," Das ist nicht meine Sicht der Dinge.
"nirgendwo im Film wird jedoch Kunst auf die "ars" runtergebrochen, denn nirgendwo wird behauptet, dieser Drill würde einen zu einem großen Künstler machen,"
Es geht also nicht ständig darum, sowas wie den neuen Charlie Parker zu finden bzw. zu erschaffen?
"sondern eben zu einem technisch guten Schlagzeuger (mit entsprechendem (!) Erfolg)." Und das funktioniert erstens nicht und ist zweitens für einen guten Instrumentalisten auch nicht notwendig. Ich hab im laufe meines bisherigen Lebens einige hervorragende Instrumentalisten kennen gelernt, die wirklich Dinge auf ihrem Instrument zu Stande bringen, die fast unmöglich wirken. Die haben alle was gemeinsam: Sie empfinden das Üben und die Beschäftigung mit ihrem Instrument nicht als Belastung oder als irgendetwas wofür Disziplin notwendig wäre, sondern machen das leidenschaftlich gerne.
Auf der anderen Seite kannst du dich übrigens brüllend neben nen Instrumentalisten stellen, so lange du willst: Sein timing wird dadurch nicht besser. Die Wahrscheinlichkeit, dass es schlechter wird, ist sogar bedeutend höher. (und ich hab schon einige dabei beobachtet, die das ausprobiert haben...)
Dass Chazelle denkt, diese Art von Drill hätte ihm was gebracht, zeigt nur, dass er erstens nicht wirklich den Drang dazu hatte, Schlagzeug zu spielen und sich damit überhaupt nicht ausreichend auseinander zu Setzen, um sich selbst Ziele zu stecken, und zu wissen, welche technischen Schwächen er beseitigen muss, um so zu spielen, wie er gerne spielen würde (ein Lehrer ist nur dazu da, Hilfestellung dabei zu geben, diese Ziele zu erreichen...) und dass er zweitens eine gewisse musikalische/künstlerische Reife nie erreicht hat, die über pubertären Schwanzvergleich hinaus geht.
Da haste deinem Nick ja Ehre gemacht.
In seinem tiefsten Inneren weiß Santiago das zu jedem Genie auch der Wahnsinn gehört. Er bewundert solche Individien sogar.
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Es muß ja nicht unbedingt sein, daß militärischer Drill und eifernder Wille zur Perfektion nicht auch aus einer Art Liebe motiviert ertragen wird. Es kann auch sein, daß Chazelle nach wie vor ein Herz für das Schlagzeugspielen hat.
Ich stimme Dir aber absolut zu, daß dies kaum der richtige Weg, ein guter Musiker zu werden, geschweige denn die optimale Bedingung für Kreativität und letztlich Genie ist. Wobei Chazelle wohl eine Bestätigung der Regel sein dürfte, da er für diesen Film wohl bekannter werden dürfte als er es für sein Drumming hätte werden können.
Ich habe den Film noch nicht gesehen, aber Deine Kritik hast Du so plausibel geschildert, daß ich meine Erwartungen etwas zurückschraube. Eigentlich freute ich mich auf den Film, weil ich von ihm erwartet habe, er würde nicht nur die Grausamkeit, sondern auch die Sinnlosigkeit solch einer Ausbildung zeigen.
"Der Drill wird übrigens sehr wohl glorifiziert in dem er letztlich zum gewünschten Erfolg führt und die Aussagen über Musik sind nunmal in dem Film enthalten."
Es ist doch so, dass wir als Zuschauer am Ende des Filmes gar nicht wissen, ob der Drill zum "gewünschten Erfolg" führt. Der Protagonist hat eine neue Ebene der Entwicklung erreicht. Er hat die Methoden des "Mentors" begriffen und den Kampf aufgenommen und den Talentscouts was geliefert. Wohin es von diesem Punkt aus geht, ist uns nicht ersichtlich, aber diese Ebene entspricht sicher noch nicht derjenigen des "gewünschten Erfolgs", die der Protagonist anstrebt.
Ausserdem ist anzumerken, dass der Film sehr feinsinnig porträtiert, dass Entscheidungen zu einem Verzicht in anderen Bereichen führen können, es ist also keinesfalls eine Winner-Story.
Es geht aber beim Musik machen nicht darum "den Kampf" aufzunehmen und "Talentscouts" zu beeindrucken. Das ganze Konzept des Filmes pervertiert die Idee von Kunst im allgemeinen und Musik und Jazz im speziellen vollkommen. Es geht dabei weder um "Leistung" noch darum, irgendwie in einer Hierarchie aufzusteigen, in dem man "besser" wird. Wenn man diese Elemente vom Film subtrahiert bleibt nur leider kaum was übrig.
Das "Entscheidungen zu einem Verzicht in anderen Bereichen" führen können ist auch weder eine besonders tiefschürfende Erkenntnis noch vom Film besonders "feinsinnig porträtiert". Die Freundin des Protagonisten kommt beispielsweise praktisch nur zweimal vor: Beim ersten und beim letzten Date... Es macht nicht unbedingt den Eindruck ihm würde besonders viel an ihr liegen.
Die Szene nach dem Autounfall finde ich übrigens auch eher absurd und mehr als unrealistisch als irgend etwas anderes. Ansonsten fällt mir kein Bereich ein, in dem es auf irgend eine Art um "Verzicht" ging.
Ich behauptete nicht, dass "den Kampf" aufnehmen etc. etwas mit Musik machen zu tun hat (jedenfalls nicht im Allgemeinen).
Es ist so, dass wir nicht wissen, ob das Ganze zum "gewünschten Erfolg" führt. Der Film legte meines Erachtens aber auch nicht den Fokus auf diesen Aspekt, sondern der Machtmissbrauch vom Coach stand im Vordergrund. Und damit die Fragen, wo die Grenze im Pushen liegt.
Ich sehe das so: Es wird hier ein Coach gezeigt, der mit seinen eigenwilligen Methoden einen neuen Künstler erschaffen will. Ob das möglich ist oder nicht, sei mal beiseite gelegt, aber dieser Coach stellt ja nicht den Allgemeinfall dar. Daher kann man meiner Meinung nach auch nicht davon sprechen, dass der Film den Jazz allgemein pervertiert, indem er, wie Du erläuterst, sehr leistungsbezogen ist.
Dass die Freundin nur so wenig vorkommt, fand ich gerade erfrischend. Oft genug wurden solche Nebenstränge übertrieben klischeehaft umgesetzt. Du hast recht: Ihm liegt nicht viel an ihr; er kann den Schlusspunkt ohne grosse Probleme setzen.
Die Autounfallszene kann man natürlich verschiedentlich betrachten.
"Es ist so, dass wir nicht wissen, ob das Ganze zum "gewünschten Erfolg" führt."
Wird im Film nicht dargestellt, dass es reicht, sich neben einen Schlagzeuger zu stellen und ihn anzubrüllen, damit er schneller spielen kann? Und das der Student nach dem ganzen Mist, den er im Film durchgemacht hat, am Ende tatsächlich halbwegs ordentlich Caravan durchspielen kann? Haben nicht sowohl Andrew als auch Fletcher am Ende des Films einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck? Meiner Meinung nach stellt der Film die Notwendigkeit des Drills zu keinem Zeitpunkt in Frage. Auch der Wahrheitsgehalt der Charlie Parker Anekdote wird nie in Frage gestellt... . Lediglich die Frage, ob der Gewinn den psychischen Schaden wert ist, wird aufgeworfen.
Meiner Meinung nach kann ein Film mit dieser Thematik überhaupt nicht drum herum kommen, sich bezüglich des Kunst- und Musikbegriffs zu positionieren. Hätte der Drehbuchautor das nicht gewollt, hätte er eben einen Film über Sport statt über Musik machen müssen. (und wie gesagt: Chazelle hat sich in einem weiter oben verlinkten Interview auch sehr eindeutig dazu geäußert.)
"Wird im Film nicht dargestellt, dass es reicht, sich neben einen Schlagzeuger zu stellen und ihn anzubrüllen, damit er schneller spielen kann? Und das der Student nach dem ganzen Mist, den er im Film durchgemacht hat, am Ende tatsächlich halbwegs ordentlich Caravan durchspielen kann? Haben nicht sowohl Andrew als auch Fletcher am Ende des Films einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck?"
All diese erreichten Dinge stellen aber nicht den "gewünschten Erfolg" dar. Soweit ich es mitbekommen habe, war der "gewünschte Erfolg" einer der Grossen zu werden. Das ist zum Zeitpunkt des Filmendes nicht der Fall. Der Film zeigt oder will zeigen, dass der Protagonist ein Stück weiter ist. Man kann darüber streiten, ob dieses "Stück weiter" sich auf die "Musikalität" bezieht, für mich bezieht es sich vorwiegend auf die Machtmissbrauchsthematik. Der Protagonist wollte den Coach beeindrucken, vermutlich auch, weil er in ihm eine Vaterfigur sieht. Und das ist ihm offenbar gelungen, wie auch Du am zufriedenen Gesichtsausdruck festgestellt hast.
Jetzt noch zum...
"Wird im Film nicht dargestellt, dass es reicht,..."
Der Protagonist übte bis zum Exzess, auch alleine. Das sah man in einigen Szenen. Daher kann man nicht davon sprechen, dass der Film zeigt, es reiche jemanden anzubrüllen, damit eine Verbesserung erfolgt.
Die Notwendigkeit des Drills stellt der Film nicht in Frage. Das ist richtig. Er lobt sie aber zugleich auch nicht allgemein. Es wird die Motivation eines einzelnen Coaches wiedergegeben, für denn dieser Drill richtig zu sein scheint. Aber ich konnte nicht feststellen, dass der Drill dadurch gerechtfertigt wird. Zum Beispiel war ersichtlich, dass der Drill in einigen Lebensbereichen den Protagonisten in falsche Extreme abdriften lässt.
Die Parker Anekdote war ja auch nicht richtig wiedergegeben, sofern ich mich richtig entsinne.
Schlussendlich gibt es selbstverständlich verschiedene Meinungen. Mir ist auch bewusst, dass gewisse Menschen mit Jazz-Hintergrund den Film anders beurteilen werden, als Filmfans oder Zuschauer mit anderem Hintergrund.
Für mich lag der Fokus des Filmes auf der Drill-Thematik.
Das Interview lese ich bei Gelegenheit.
Ja, schlecht gegoogelt ...
Falls es dich beruhigt: Eine Reihe von Jazzmusikern im Web sehen das ähnlich wie du.
Man muss jetzt keine Verschwörung zur Umprogrammierung der Bevölkerung herbeiparanoien, obwohl das offensichtlich tatsächlich stattgefunden hat (wenn auch nicht aus strategischem Kalkül). Abgesehen davon, dass Leistung und Wettbewerb das Denken der US-amerikanischen Gesellschaft (und natürlich auch der Filmschaffenden) komplett durchsetzt haben und insofern ein solcher Blick auf Kunst nicht überraschen kann: In der Medienindustrie geht es vorrangig um Geld. Selbst wenn ein Regisseur und ein Drehbuchautor "nur" eine Geschichte erzählen wollen, werden der Produzent und die Filmfirma irgendwann die Frage nach den Verkaufs-(bzw. Zuschauer-)Zahlen aufwerfen. Entsprechend wird die Geschichte dann zurechtgerückt. Es geht nicht ums echte Leben, und es geht auch nicht um Jazz. Nicht einmal in der Version des Lincoln Centers. Der Film ist nur eine Folie für eine Erfolgsgeschichte - vom Tellerwäscher zum Archivjazzdrummer. "Rocky 7 - Whiplash".
Netter Avatar übrigens!
Thelema, endlich ist die Thelema wieder mal da!!!! Willkommen zurück, lass dich öfters hier blicken!!!!!!
Thelema, endlich ist die Thelema wieder mal da!!!! Willkommen zurück, lass dich öfters hier blicken!!!!!!
Thelema!!!! geh doch öfters on, du fehst uns allen hier sehr!!!!!
Ja und lass dich mal wieder im Chat blicken!
Thelema! Sehr gut!
Von unseren epischen Mixtape-Battles mit Thele und paar anderen Leuten mal abgesehen, lese ich ihn nur noch kaum.
Naja, lass mich ja in dem anderen Forum, wo ich und Thele sind, ja auch kaum noch blicken, weil das alles dort einschläft.