In Köln stellte er zusammen mit Co-Autor Dennis Sand seine Biografie vor: "Niemand schlägt so hart zu wie das Schicksal. Aber ich habe es versucht."
Köln (dol) - "Ich habe viel in meinem Leben gesehen und viele Kämpfe gehabt, aber ehrlich gesagt, ich war noch nie so nervös wie heute", gestand Xalo Selam einleitend. Wer die Karriere Xatars verfolgt, dessen Musikvideos genauer betrachtet oder eines seiner Konzerte besucht hat, dürfte ihn umgehend wiedererkennen. Nach vielen Jahren als Leibwächter und Kampfsportler hinter dem Rapper tritt er nun mit seinem Buch "Niemand schlägt so hart zu wie das Schicksal. Aber ich habe es versucht." (Next Level Verlag, 240 Seiten, Paperback, 20 Euro) selbst ins Rampenlicht. Am Montag stellte er im Kölner Turistarama zusammen mit Co-Autor Dennis Sand seine Biografie vor.
Statt Sand übernahm ein etwas überraschender "langjähriger Freund" die biografische Einführung. "Es ist am Anfang die Geschichte eines Kindes, gefangen in einer Welt voller Angst", eröffnete Dr. Ralph Elster, stellvertretender Oberbürgermeister Kölns, den Abend. Nach und nach sei Selam zu "einer Straßenlegende, zu einem Mythos" geworden, erläuterte der CDU-Politiker parteiuntypisch. Er sei "Straßenkämpfer und eine schillernde Figur im deutschen Rap-Kosmos" gewesen, doch nun habe er sich zum Vorbild gemausert, "vom Bodyguard zum Unternehmer, vom Türsteher zum Storyteller".
Fatih Akin, Regisseur von "Rheingold", ließ sich aus familiären Gründen entschuldigen, schickte aber eine Videobotschaft in die Runde. "Es ist atemberaubend, es ist ein Pageturner", lobt er das Buch von Selam und Sand. Ein Kinofilm soll bereits in Planung sein, ein dazugehöriger Kurzfilm von Sedat Kirtan, Kubilay Sarikaya und Daniel Zlotin, der von "Original" bis "Mama War Der Mann Im Haus" zahlreiche Musikvideos von Xatar gedreht hatte, feierte bereits Premiere. Ausschnitte daraus finden sich wiederum im Video zum Buch-Titelsong "Ich Komme" von Rapper Cave 110.
Xalo Selam wurde 1978 in einem irakischen Lehmhaus geboren, später flüchtete er über die Türkei, Bulgarien und Österreich nach Deutschland, wo der Zwölfjährige zunächst in einer Notunterkunft landete. Vor zehn Jahren lernte ihn Dennis Sand im Umfeld Xatars kennen. Nach dem Erfolg der Filmbiografie "Rheingold" sei die Idee gereift, Selams Geschichte "auszukoppeln", wie der Welt-Autor erläuterte. Die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren schilderte er als Selbstläufer. "Man kann ihm wahnsinnig gut zuhören und man möchte einfach immer mehr und mehr erfahren."
Es sei wichtig gewesen, "erstmal zu verstehen, dass dieser Mann, der da vor einem sitzt, dieser starke Mann, der Kämpfe ausgetragen hat auf der Straße, der keinem Konflikt aus dem Weg gegangen ist", in Wahrheit "ein Kind war, das in purer Angst aufgewachsen ist". Sand skizzierte den Werdegang Selams als äußerst gewaltgeprägt, bis dieser irgendwann zurückgeschlagen habe. "Wenn ich geschlagen werde, schlage ich doppelt so hart zurück. Dahin entwickelt er sich. Und dann kommt er in seinem späteren Leben an einen Moment, wo er erkennt: So hart wie das Schicksal kann ich gar nicht zurückschlagen."
Panel im Kölner Turistarama mit Xalo Selam und Dennis Sand (Foto: Dominik Lippe)
Als Selam aus seinen Erlebnissen berichtete, versagte ihm auf der Bühne gleich mehrfach die Stimme. "Mir war das Leben scheißegal", erinnerte er sich. "Wenn ich sterben soll, soll ich sterben." Erst nachdem er zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, änderte sich seine Haltung. Er nutzte das Gefängnis zur inneren Einkehr. "Ich glaube, Gott hat mich extra hier reingetan, weil Gott mich liebt. Wenn ich noch draußen wäre, hätte ich vielleicht jemanden getötet." Und ganz ähnlich wie Xatar sagte auch er: "Es ist gut gewesen, dass ich in den Knast reingekommen bin." Dort habe er sich vorgenommen, sein Leben zu ändern.
Obwohl Xatar selbst das Buchprojekt mit vorangetrieben hatte, gab es im Vorfeld der Veröffentlichung eine Auseinandersetzung zwischen Xalo Selam und der Familie des Rappers. So habe der Leibwächter "das Leben von Giwar zur Hölle gemacht" und dürfe sich "nicht als Freund von" diesem darstellen, wie die Mutter des Verstorbenen in Sprachnachrichten beanstandete, die auf der Plattform VoiceOfKurdistan zu hören waren. "Er geht wortwörtlich über seine Leiche und nutzt die Gelegenheit, um sein Buch zu verkaufen", beklagte sie weiter. "Wir sorgen dafür, dass dieses Buch nicht gekauft wird."
Selam veröffentlichte daraufhin ein längeres Statement. "Ich war die letzten zehn Jahre beinahe jeden Tag an der Seite von Giwar", schrieb er auf Instagram. "Ich habe alles für diesen Mann gemacht. Nicht, weil ich dafür bezahlt wurde, sondern weil er mein Bruder war. Und genauso hat er alles für mich gemacht. Wahnsinnig viele Dinge, für die ich ihm mein Leben lang dankbar sein werde!" Auch familiär seien sie verbunden, immerhin seien beide die Patenonkel der Söhne des jeweils anderen. "Natürlich haben wir uns auch mal gestritten", gestand er ein, "aber ich habe diesen Mann geliebt."
Zugleich zeigte Selam Verständnis für die Irritation, die die zeitliche Nähe seiner Buchveröffentlichung zum Todesfall auslöst. "Ich verstehe, wie das wirkt. Und glaubt mir, bei Gott, mir fällt das gerade alles andere als leicht, mich in Interviews zu setzen. Aber dieses Projekt ist seit langer Zeit in Planung", führte er auf Instagram weiter aus. "Das sind Prozesse, die über Monate gehen. Wir haben das Releasedatum im November festgelegt. Und zwar mit Giwar zusammen." Er habe das Buch "von der ersten bis zur letzten Seite" gekannt und sei derjenige gewesen, "der dieses Projekt am allermeisten vorangetrieben" habe.
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1 Kommentar
Dennis Sand, sicherlich liebenswürdigster aller Hip-Hop-verschwägerten Fäuletongkaschperl. Man denke nur an seine (zugegebenermaßen unterhaltsame) Schmachrede auf Jan Delay, seinen Artikel über das verschenkte Potential des sehr guten Musikers Chris Brown, jahrelange Lobbyarbeit und Fürsprache für den Schwammkopfrapper oder auch solche literarischen Großtaten wie das Montanamax-Buch und eine Bushidobiographie. Nicht zu vergessen (genrefern doch geschmackssicher) Fürsprache für Nickelback.
Es ist in jedem Fall schön zu wissen, dass Xalo Selam da in ebenso kompetenten wie grundsympathischen Händen gelandet ist. Das hat nun wirklich niemand verdient.