laut.de-Biographie
Ras G
Wer hätte gedacht, dass sich die hoch-innovative britische Fusionsszene aus Hip Hop und elektronischer Musik einmal von ein paar Künstlern aus der glitzernden Pop-Metropole Los Angeles inspirieren lassen könnte? Doch gegen Ende der Nullerjahre gibt man sich in und um London herum dem Glitch Hop-Hype hin.
Tatsächlich hat das Brainfeeder-Kollektiv von der amerikanischen Westküste unter dem Zepter von Hype-König Flying Lotus keinen geringen Anteil an der neuen Fusion aus BoomBap-Tradition und verfrickelten Elektro-Spielereien. Unter FlyLos Fittichen sitzt neben dem Gaslamp Killer, Samiyam und Dr. Strangeloop auch ein gewisser Gregory Shorter Jr., der unter seinem Alias Ras G die Soundwelten in bester, lies: weirdester Manier auf seiner MPC erkundet.
Der Kalifornier lebt in seinem eigenen Sound-Kosmos, irgendwo zwischen Diamond D. und Sun-Ra. Der klassische Hip Hop der Golden Era beeinflusst den Mittzwanziger genauso wie der Psychedelic Soul von Sly & the Family Stone oder die Reggae-Blaupausen Lee 'Scratch' Perrys. Zu einer klickenden und blubbernden Melange zimmert der überzeugte Rastafari seine Klang-Collagen im elektronischen Stil einer Bewegung, die sich mit Namensgebung und Definitionsversuchen denkbar schwer tut.
Angefangen hat es als DJ im Project Blowed-Umfeld, einer sozialen Einrichtung in Los Angeles, die Anwohnern aus den sozialen Brennpunkten der Stadt die Möglichkeit gibt, gemeinsam Musik zu machen. Hier nahm sich seinerzeit die Berliner Royal Bunker-Clique ein Beispiel. Es wachsen Kontakte, die dem angehenden Schlafzimmerproduzenten Ras G die Möglichkeit geben, seiner Musik Gehör zu verschaffen.
Der in L.A. ansässige Musikliebhaber und Produzent Carlos Niño organisiert dem jungen Soundtüftler einen Platz auf der Experimental-Scheibe "Love Is The Answer" des Jazz-Sängers Dwight Trible - und das, obwohl Ras G zu dieser Zeit erst seit wenigen Monaten an seiner MPC herumschraubt.
Den Kontakt zu Flying Lotus, Dabrye und Georgia Anne Muldrow pflegt Ras inzwischen bei den gemeinsamen Jams in L.A.s Little Temple Bar, in der monatlich die Beat Soundclash-Veranstaltung Sketchbook stattfindet. Besonders mit Flying Lotus knüpft Ras enge Bande.
Als dieser bald auch international mit seinem vertrackt elektrifizierten Hip Hop-Instrumental-Entwurf für Furore sorgt, schwimmt Ras G auf der Welle der steigenden Bekanntheit des Brainfeeder-Kollektivs mit. Die Szene ist offensichtlich reif für einen Sound, der eben nicht in eine Schublade passen will. Ras G gründet außerdem sein eigenes Label Crate Creator Music und lebt als Black Dusty seine Liebe für dreckige, unmelodiöse Rhythmen aus.
Nach etlichen Projekten und Kollaborationen erscheint Anfang 2009 sein Debütalbum, das nicht nur mit dem Titel suggerieren will, dass Ras G einen etwas anderen Film fährt als seine geschätzten Musikerkollegen. "Brotha From Anotha Planet" schwebt in Sphären, in die es bis dato weder Hyperdub-Apologeten der Jetztzeit noch Captain Kirk auf seinen Reisen durch futuristische Filmmusik-Versuche verschlagen hat.
Auch Label-Chef FlyLo hat zum Release eine eindeutige Botschaft: "Ich wollte, dass dieses Album innerhalb der Szene ein klares Statement darstellt: Es gibt niemanden, der klingt wie Ras G!" Dem Beatmaker selbst ist der Rummel um seine Musik relativ egal. Er wundert sich in den raren Interviews lediglich darüber, dass ein Album, das er mit seiner MPC in der eigenen Küche aufgenommen hat, solche Wellen schlägt.
Zu diesem Zeitpunkt hat er längst Material für mehrere weitere Longplayer auf der Festplatte. Offensichtlich scheint auch seine Arbeitsmoral nicht von dieser Welt. Ras G legt 2011 mit "Down 2 Earth" und "Spacebase Is the Place" gleich doppelt nach.
Zwei Jahre später folgen "Back On The Planet" und der Auftakt der "Raw Fruit"-Reihe, die es auf mehrere Ausgaben bringen soll. Ras Gs Diskografie umfasst neben zahlreichen Alben noch einmal so viele EPs. Er gilt als einer der umtriebigsten und kreativsten Vertreter von Los Angeles' florierender Produzenten-Szene.
Im Dezember 2018 allerdings wird Ras G mit schweren Atembeschwerden ins Krankenhaus eingeliefert. Neben einer Lungenentzündung stellen die Ärzte eine Schilddrüsenunterfunktion, Bluthochdruck und einen Herzfehler fest.
Am 29. Juni geht dann die traurige Nachricht um die Welt: Ras G lebt nicht mehr, gestorben mit gerade einmal 39 Jahren. Sein ehemaliges Label Brainfeeder Records verabschiedet einen der Ihren mit warmen Worten: "Eins unserer Gründungsmitglieder und eine der wichtigsten Figuren in der Beat-Szene von Los Angeles. Ruhe in Frieden, G. Wir lieben dich."
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