laut.de-Biographie
Richie Hawtin
Er gilt als einer der Wegbereiter minimaler Techno-Musik. Protagonist der sogenannten "Second Wave of Detroit Techno", wie angebliche Experten dieses Genres auch behaupten. Wie dem auch sei, Hawtins Produktionen jedenfalls haben dem Minimalismus in elektronischer Musik stets eine große Rolle zugemessen. Hawtins Bemühen, die Grenzen dieses Sounds zu erweitern, neue Dimensionen zu erschließen bzw. zu füllen, hat Minimal Techno einen nicht unerheblichen Dienst erwiesen.
Angefangen hat alles ganz unscheinbar, als der am 4. Juni 1970 im englischen Banbury bei Oxford geborene Richie in jungen Jahren mit seinen Eltern nach Kanada auswandert. Die Hawtins lassen sich in Windsor, Ontario nieder. In direkter Nachbarschaft zur Motor City Detroit, in den kanadischen Suburbs der US- amerikanischen Autometropole. Dort nimmt Vater Hawtin einen Job bei General Motors an. Während Richies Schulkameraden sich anschicken, von belächelten Sandkastenrockern zu ambitionierten Nachwuchs-Rock'n'Roll-Prolls zu mutieren, hängt Richie nerdmäßig vor seinem Commodore Rechner. Er beginnt sich für Electro und Breakdance zu interessieren, eine entscheidende Rolle spielt auch die erkleckliche Plattensammlung (u.a. Tangerine Dream und Kraftwerk) des Vaters. Richie sieht seinen Vater überhaupt als den größten Einfluss in seinem Leben an.
Im Alter von 15 schmuggelt Hawtin sich über die Staatsgrenze nach Detroit und besucht regelmäßig diverse Techno- und House-Clubs der Stadt. 2 Jahre später ist er DJ Resident im "Shelter". In seinen Sets mixt Hawtin House und Techno mit Industrialsound von Nitzer Ebb oder Skinny Puppy. Nebenher hört Richie Hawtin im Detroiter Radio die Sendungen eines gewissen Underground DJs namens Wizard, einem Pseudonym von Jeff Mills wie Hawtin später erfahren sollte. Durch Mills werden ihm die Produktionen von Juan Atkins und Derrick May vertraut. Später darf Hawtin ebenfalls eine Show bei Detroit 96,3 FM hosten, die beim Publikum gut ankommt. So langsam dämmert es dem guten Richie Hawtin, dass einige der ihm bekannten Produzenten von Underground Resistance wie May, Atkins und Kevin Saunderson sozusagen umme Ecke in Detroit lebten.
1990 gründen Hawtin und sein Partner/Kumpel John Acquaviva das Label Plus 8, auf dem in den folgenden Jahren Kenny Larkin, Dan Bell, Speedy J und Hawtin als Plastikman, F.U.S.E und State of Mind releasen. Im selben Jahr veröffentlicht Hawtin unter dem Alias State of Mind seine erste Single "Elements of Tone". Plus 8 erwirbt sich den Ruf, eine der Adressen für minimalen wie eigenwilligen, mitunter sperrigen Techno zu sein. Die musikalischen Aktivitäten nehmen Hawtin so sehr in Anspruch, dass er sein Studium der Filmwissenschaft an der Universität Windsor beenden muss. Mitte der 90er Jahre beginnt Hawtin eine Roland TR 909 sowie andere technische Effektgeräte in seine DJ Sets miteinzuzbeziehen, was er wohl der großen Mehrheit seiner Kollegen voraus hat. Unglücklicherweise darf Hawtin in den Jahren 95 und 97 wegen Visa Trouble nicht in die USA einreisen.
Zum Ende des ausklingenden Jahrhunderts rücken eigene Produktionen von Hawtin mehr in den Hintergrund. Er arbeitet an der "Decks, EFX & 909" Techno Compilation, um die während seiner Live Sets gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke im Studio umzusetzen und auf Platte zu verewigen. In dieselbe Kerbe haut auch "DE9:Closer To The Edit", die Hawtin mit Hilfe des neuartigen DJ-System "Final Scratch" konzipierte und umsetzte. Ansonsten lebt Richie Hawtin mit ein paar Katzen in Windsor, dessen ewig langer und kalter Winter für ihn die beste Grundlage ist, Tracks zu produzieren. Dann frier Dir mal nicht das Hinterteil ab, Richie.
Zur Jahrtausendwende zieht Hawtin dann zu seinem Kumpel Ricardo Villalobos nach Berlin. Auch sein Label Minus verlegt den Firmensitz in die neue Techno-Hauptstadt und prägt mit seinem Minimal-Sound wie auf dem Album "Closer" sowie Produzenten wie Magda, Troy Pierce, Marc Houle und Mathew Jonson die Entwicklung elektronischer Clubmusik maßgeblich mit.
Mit eigenen Releases hält sich Hawtin zurück und konzentriert sich ganz auf seine weltweiten Gigs und die Weiterentwicklung von von DJ- und Produktionssoftware. Erst 2014 veröffentlicht er mit "EX" ein neues Plastikman-Album.
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