laut.de-Kritik
Der Who-Frontman wirft sich in die Arme von Nick Cave.
Review von Ulf KubankeDie unschlagbare Troika aus der Kreidezeit des Rock heißt auf ewig Beatles, Rolling Stones und The Who. Mit Letzteren zeigt sich Daltrey als Performer auch im biblischen Alter beeindruckend stimmgewaltig. Solo jedoch glänzte er allzu lange mit Abwesenheit. Als er vor 26 Jahren sein letztes Studio-Album "Rocks In The Head" vorlegte, waren heutige Superstars wie Miley Cyrus noch nicht einmal geboren. "As Long As I Have You" markiert das Ende dieses Winterschlafs. Mit 74 Lenzen zieht Mr. "Behind Blue Eyes" noch einmal richtig vom Leder.
Keines dieser elf Lieder verleugnet sein zutiefst anachronistische Naturell. Zweifellos ist Daltrey ein Dinosaurier. Aber was für ein Relikt aus dem Zeitalter der Echsen! "How Far" etwa tritt allen Zweiflern animalisch in den Hintern, deren Unkenrufe ihm seit gut 20 Jahren den Seniorenstift anstelle des Mikros nahelegen. Doch in puncto Fitness kann sein Vortrag es jederzeit mit Iggy oder Mick aufnehmen. Bei rohen Blues-Kloppern wie "Where Is A Man To Go" erreicht Daltreys dreckige Sangeskraft sogar Sphären wie sonst höchstens Van Morrison.
Die Platte schillert ähnlich vielseitig wie Onkel Rogers teils widersprüchliche Persönlichkeit. Mal hemdsärmeliger Haudrauf, dann wieder sensibler Romantiker. Begeisterter Bodybuilder und Literatur-Fan. Eben noch ölverschmierter Biker, schon nuancierter Soul-Bruder. Alle Gesichter wirken musikalisch authentisch. Kaum kann man eine Schnittstelle zwischen Kunstfigur und Charakterbild ausmachen. Kein Wunder, dass der Vollblutmusiker es mittlerweile auf rund 50 Rollen in verschiedensten Filmgenres bringt.
Ein erheblicher Teil des Lorbeerkranzes gebührt zweifellos Producer Dave Eringa, seines Zeichens unter anderem Haus- und Hof-Produzent der Manic Street Preachers. Wie bei jenen gelingt ihm die sehr puristische Inszenierung räudigen Zupackens ("Get On Out of the Rain") und sensitiver Stille ("Always Heading Home") gleichermaßen. Eine Böe frischen Who-Windes weht ebenso. Auf immerhin sieben Nummern schnallt sich Pete Townshend die Gitarre um.
Die Summe aus eigenen Stücken plus Cover von unter anderem Stevie Wonder ergibt eine mitreißende Mischung. Ein unerwartetes Stück schießt den Vogel jedoch komplett ab. Daltrey outet sein Fantum und wirft sich in die Arme Nick Caves. Dessen Klassiker "Into My Arms" interpretiert er kongenial mit der Würde des alten Straßenhundes, der schon alles sah und gleichwohl noch immer an die Liebe glaubt. "Into my arms, oh Lord."
3 Kommentare
"Daltreys dreckige Sangeskraft"
Daltrey hat schon ein merkwürdiges Organ. Hohe Eigenständigkeit, die Bandbreite ist beachtlich und wie ein alter Wein wird er um so älter, er wird immer besser.
In frühen Tagen, hab ich mir mit der Stimme schwer getan und weiß das eigentlich nicht so richtig zu erklären. Ich fand, er konnte ab und an den Ton nicht halten. Mag auch an der Songstruktur von "The Who" gelegen haben oder die Technik die zur Verfügung stand. Ich weiß es nicht. Glaube das der Mann viel trainieren musste und muss. Eventuell weiß einer mehr?
Das Album zieh ich mir selbstverständlich rein.....
Gruß Speedi
"Daltrey outet sein Fantum und wirft sich in die Arme Nick Caves."
So gehört sich das auch. Cover gehört und für,...mja,...hmm, weiß auch nicht so genau befunden. Sicherlich nicht schlecht, aber halt sehr nah dran am Original und an eigenen Impulsen eher arm. Was andererseits auch wieder verständlich ist. Glaube nicht, dass das Lied gut funktionieren würde wenn man es z.B. ausführlicher instrumentieren würde o.ä.
Führt halt nur dazu, dass ich mir in zehn von zehn Fällen dann halt doch lieber das Original geben würde als die Version hier.
Die Stimme ist immer noch geil, aber das Songwriting kann mich irgendwie nicht überzeugen... Klingt alles ziemlich ausgelutscht. 'Into My Arms' find ich aber klasse interpretiert.