laut.de-Kritik
Can-Legende Irmin Schmidt setzt wieder gekonnt auf Improvisation.
Review von Kai KoppSehr schwierig zu verkaufen das Ganze! Unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten müsste jeder ordentliche A&R-Manager dieses Projekt ablehnen - wenn da nicht der Name Irmin Schmidt auf dem Cover prangen würde. Der Ex-Canler weckt allemal das Interesse der halbwegs qualitätsorientierten Hörerschaft. Man ahnt, dass es keine leichte Kost sein wird, die er zusammen mit seinem Partner Kumo an den verschiedensten Elektro-Geräten (nein, keine Entsafter und Midi-Kaffeemaschinen) serviert.
Das Konzept eines Zweimann-Orchesters, nicht zu verwechseln mit einem Duo, geht auf. Sie pflegen auf "Masters of Confusion" den spontanen Umgang mit ineinander verzahnten Abläufen, Strukturen, Klängen und Arrangements. Das Prinzip heißt Improvisation. Irmin und Kumo räumen dabei mit dem Urteil auf, europäische Klassik habe mit Improvisation nichts zu tun. "Ein Grundmissverständnis zeitgenössischer Musikbetrachtung besteht darin, dass Improvisation allein dem Jazz zugeordnet wird. Bestenfalls indischer und afrikanischer Musik billigt man noch improvisierte Momente zu.
Aber bei der europäischen Klassik hört es absolut auf. Dass Bach und Chopin genau wie viele andere Komponisten der europäischen Tradition nur deshalb so ein reiches Werk hinterließen, weil sie eben hervorragende Improvisatoren waren, wird entweder unter den Tisch gekehrt oder immer noch wie eine Neuigkeit weitergegeben, deren Seriosität längst nicht gesichert ist."
In diesem Sinne treffen klassisch phrasierte Klavierthemen auf skurrilen Drum'n'Bass, orientalische Skalen auf so etwas ähnliches wie Trip Hop und ambienter Elektronik-Noise-Pop auf darke Jazzlines. Mit "Masters of Confusion" ist den beiden aus künstlerischer Sicht ein großer Wurf gelungen, der seine Käufer finden wird. Gut gewappnet, um für Aufsehen in Jazzkreisen zu sorgen, sind sie damit. Ob das Werk bei den Klassikern Anklang findet, wage ich zu bezweifeln. Müssten sie damit doch eingestehen, dass ein werktreues Klassikverständnis, dass sich auf die reine Interpretation beschränkt, nicht unbedingt der historischen Aufführungspraxis entsprechen könnte.
Noch keine Kommentare