laut.de-Biographie
St. Thomas
Hinter St. Thomas verbirgt sich kein Heiliger, sondern ein ehemaliger Postbote aus Oslo. Neben hohen Lebenshaltungskosten gibt es in Norwegen auch Wald. Viel Wald sogar. Was in Texas die Sandwüste ist, ist in Norwegen der Wald. Was in Texas die Kühe sind, sind in Norwegen die Elche.
Wenn man es aus dieser (zugegebenermaßen etwas kuriosen) Sichtweise betrachtet, ist es also gar nicht mal so weit her geholt, auch dort oben im europäischen Ödland Country zu spielen und Bohnen über dem Feuer zu braten. Mit solchen Klischees kann wohl auch der 1976 geborene Thomas Hansen etwas anfangen. Mit 22 Jahren und einer hohen und näselnden Stimme, die stark an Neil Young oder auch Bob Dylan erinnert, beginnt er über seine Leiden zu jammern. Zusammen mit drei Kumpels tingelt Hansen als Emily Lang durch die norwegischen Clubs und träumt vom Cowboy-Feeling.
Das Träumen geht aber nicht lange gut, im Sommer 2000 trennen sich die Wege. Hansen hat jedoch bereits erste 4-Spur-Aufnahmen in petto, die schon 1999 auf die Krank Records-Single "Songs" landen. Ein Jahr später reicht sein Output dann für die EP "Mysterious Walks", die auf dem norwegischen Indielabel Racing Junior erscheint.
Zum Leben genügt der Umsatz natürlich nicht und Hansen muss sich weiterhin jeden Morgen um fünf Uhr aus dem Haus quälen und die Osloer Briefkästen füllen. Das triste Postbotenleben endet aber schlagartig, als Mitte 2001 die "Cornerman"-EP die Charts entert und sich den Großteil des Sommer in den norwegischen Top Ten festsetzt. Als er sein erstes Album "I'm Coming Home" nachschiebt, erreicht jenes sogar Platz sechs in den Albumcharts.
Die Postbotenmütze schmeißt er nun in die Ecke und geht dafür mit Madrugada auf Tour. Dann beißt auch das deutsche Label City Slang an und bringt 2002 "I'm Coming Home" auf den Markt. Es folgt eine ausgedehnte Tour, unter anderem als Opener für Lambchop. Zügig erspielt sich Hansen die Gunst des Publikums, doch das Leben on the road sowie das ständige Interesse der Journalisten machen ihm bald zu schaffen, hinzu kommen Depressionen. Ein paar Gigs muss er aus diesen Gründen sogar unterbrechen. Lambchop nehmen ihm das jedoch nicht übel, im Gegenteil: Bandmitglied Mark Nevers produziert in Nashville den Nachfolger "Hey Harmony", der 2003 erscheint.
Als diese Kollaboration zustande kommt, hat sich St. Thomas auch wieder gesammelt und ist vorübergehend nach Berlin umgezogen. "Hey Harmony" landet auf einem hervorragenden zweiten Platz in Norwegen und festigt den guten Ruf des Songwriters.
2004 erscheint der vierte Longplayer mit dem seltsamen Titel "Let's Grow Together - The Comeback Of St. Thomas". Die skandinavischen Zeitungen nehmen Hansen die Abkehr von Country & Western richtiggehend übel und zerreißen das poporientierte Werk in der Luft. Erst 2005 stößt er wieder auf Wohlgefallen: "Children Of The New Brigade", zusammen mit den schwedischen Herman Düne aufgenommen, erfreut Kritiker und Fans mit hippieesk-eingängigem Folkpop.
Doch die Depressionen machen ihm nach wie vor zu schaffen. Zurück in Oslo, gründet er im Sommer 2006 sein eigenes Label Cornerman Records, "The Honest Label", wie es auf der Webseite heißt. Unter dem Namen Saint Thomas veröffentlicht er im Februar 2007 das minimalistisch aufgenommene "There's Only One Of Me", das er selbst geschrieben, aufgenommen und produziert hat.
Am 10. September 2007 wird der Musiker gegen 20 Uhr tot in seiner Osloer Wohnung aufgefunden. Hansen wurde nur 31 Jahre alt. Über die Todesursache ist zunächst nichts bekannt. Bereits am 12. Juli war Hansens Musikerkollege und Landsmann, Madrugada-Gitarrist Robert Burås, ebenfalls mit nur 31 Jahre gestorben.
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